Editorial

Tipp 223: Multiples Gene-Editing

Beim Austausch von Genen mit CRISPR-Cas ist man auf die Mithilfe des zelleigenen DNA-Reparaturdienstes Homolgy-directed Repair (HDR) angewiesen. Dieser ist aber träge und hat meist das Nachsehen gegenüber seinem schnelleren Konkurrenten Non-homologous End Joining (NHEJ). Mit einem Trick kann man die NHJE-Reparatur jedoch so stark ausbremsen, dass mit HDR sogar mehrere Gene gleichzeitig editiert werden können.

Die CRISPR-Cas9-Technologie, mit der Gene gezielt verändert werden können, hat die Molekularbiologie revolutioniert. Mithilfe einer Guide-RNA sucht die Genschere Cas9 im Genom die komplementäre Sequenz zu einer zwanzig Nukleotide langen Spacer-Sequenz der Guide-RNA. Hat sie diese gefunden, zerschneidet sie beide DNA-Stränge und verursacht einen DNA-Doppelstrangbruch.

Doppelstrangbrüche werden von der Zelle hauptsächlich durch zwei konkurrierende Mechanismen repariert: Non-homologous End Joining (NHEJ) und Homology-directed Repair (HDR). Beim NHEJ werden die DNA-Enden oft fehlerhaft zusammengeklebt, wodurch sich Insertionen oder Deletionen (indels) bilden können. Die HDR-Reparatur ist dagegen mit der homologen Rekombination verwandt. Mit ihr lassen sich präzise Nukleotid-Änderungen mithilfe einer zugegebenen homologen DNA-Matrize einfügen, welche die gewünschte Nukleotid-Änderung trägt. Da NHEJ aber viel effizienter ist als HDR, ist die Wahrscheinlichkeit für präzise stattfindende Nukleotid-Änderungen äußerst gering. Multiples Gene-Editing mehrerer Gene ist deshalb bisher nicht möglich – selbst das Editieren einzelner Gene kann sehr herausfordernd sein.

Konkurrenz ausschalten

Es ist daher naheliegend, die essentiellen Proteine des konkurrierenden NHEJ auszuschalten, um die Effizienz der HDR zu erhöhen. Die katalytische Untereinheit der DNA-abhängigen Proteinkinase (DNA-PKcs) ist eines der ersten Proteine, das nach einem DNA-Doppelstrangbruch die DNA-Enden bindet. Es ist zentral für die Phosphorylierung anderer NHEJ-Proteine – und dadurch auch für die Reparatur durch NHEJ. In verschiedenen Studien wurde nachgewiesen, dass die Inhibition von DNA-PKcs durch siRNA oder Knockout die Effizienz der homologen Rekombination in einer isogenen Zelllinie erhöht. Erstaunlicherweise ist die Effizienz jedoch am höchsten, wenn nur die Kinase-Aktivität der DNA-PKcs ausgeschaltet wird, der Rest des Enzyms aber strukturell intakt bleibt.

Um zu testen, ob hierdurch auch die Effizienz der HDR deutlich gesteigert werden kann, fügten wir in humanen induzierten pluripotenten Stammzellen die Mutation K3753R in das PRKDC-Gen ein. Die von diesem Gen codierte DNA-PKcs wurde hierdurch inaktiviert (Nucleic Acids Res. doi.org/10.1093/nar/gkz669).

Die Mutation dieser Aminosäure in DNA-PKcs führte zu einem drastischen Anstieg der HDR – wir konnten in bis zu 87 Prozent aller Chromosomen in einer Zellpopulation präzise Nukleotid-Änderungen einfügen. Nach unserem besten Wissen ist dies die höchste beschriebene Gene-Editing-HDR-Effizienz ­ohne nachträgliche Selektion in menschlichen Zellen. Der HDR-Anstieg war auch in anderen getesteten Zelltypen (HEK293- und K562-Zellen) zu beobachten und funktioniert auch mit alternativen CRISPR-Enyzmen wie Cpf1.

Die Kinase-Mutation ermöglicht zudem präzises multiples Gene-Editing von bis zu vier Genen (acht Chromosomen) gleichzeitig, ohne die genomische Instabilität zu erhöhen (gemessen an der Gesamt-Genom-Sequenzierung nach drei Monaten DNA-PKcs-K3753R-Expression und Anzahl der Translokationen nach DNA-Doppelstrangbruch-Induzierung durch Bleomycin).

Alternativ zur Herstellung einer Super-HDR-Zelllinie, in die man die DNA-PKcs-Mutation einfügen muss, kann man einen ähnlich hohen Effekt auch durch die transiente Zugabe des Kinase-Inhibitors M3814 in das Zellkulturmedium erzielen. Bei einer Konzentration von 2 µM M3814 stieg die HDR-Effizienz von 18 auf 81 Prozent. Die einfache Zugabe eines einzelnen Inhibitors genügt also, um die HDR-Effizienz deutlich zu erhöhen.

Passendes Cas-Enzym wählen

In wenigen Fällen ist der HDR-Anstieg nicht sehr stark ausgeprägt, weil es um den Doppelstrangbruch Mikrohomologien gibt, die den konkurrierenden Reparaturmechanismus Microhomology-mediated repair (MMEJ) begünstigen, der Deletionen induziert. Hier muss man berücksichtigen, dass Cas9 und die Doppel-Cas9-Nickase verschiedene DNA-Brüche mit unterschiedlichen Mikrohomologien verursachen. Eines der beiden Enzyme kann deshalb besser für ein bestimmtes DNA-Ziel geeignet sein als das andere – und somit für eine höhere HDR-Effizienz sorgen.

Stephan Riesenberg

(Stephan Riesenberg ist Doktorand in Svante Pääbos Gruppe am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Zusammen mit dem Gene-Editing-Experten Tomislav Maricic und seinen Kollegen entwickelte er eine Technik für das präzise Editing mehrerer Gene.)



Letzte Änderungen: 10.10.2019