Die Antigen-Alternative
(23.09.2020) An SARS-CoV-2-Antigentests wird derzeit eifrig gearbeitet. Pariser Forscher testeten einen solchen, der das virale Nucleocapsid-Protein in Serum nachweist.
Eine der Hauptstrategien zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie ist immer noch das umfangreiche Testen. Nach wie vor ist der Goldstandard zum Nachweis von SARS-CoV-2 die qPCR-Diagnostik an Nasen-Rachen-Abstrichen. Doch das qPCR-Verfahren hat etliche Nachteile, welche die Testkapazitäten einschränken: Die technischen Anforderungen sind recht hoch, die benötigten Reagenzien teilweise knapp und der Test kostet Zeit. Antigentests sind zwar schnell, taugen aufgrund ihrer noch zu geringen Sensitivität derzeit aber höchstens für die schnelle Point-of-Care-Diagnostik.
Ein Forscherteam von der Universität Paris und dem Universitätsklinikum Paris testete die Qualität eines neuen ELISA-basierten Antigentests, der auch mit Serum- und Plasma-Proben funktioniert. Dieser sogenannte COVID-QUANTIGENE-Test der französischen Firma AAZ weist das SARS-CoV-2-Nukleocapsid-Antigen (N-Antigen) in einer durch Venenpunktion gewonnenen Blutprobe (Serum oder Plasma) nach.
Für ELISA
Das Testverfahren beruht auf dem ELISA-Prinzip. Die Wells der Mikrotiter-Platten sind mit anti-SARS-CoV-2-N-Antikörpern beschichtet. Für die Detektion werden in jedes Well eine Mischung aus je 50 µl Blutprobe und biotinylierten anti-SARS-CoV-2-N-Antikörpern gegeben. Nach einer Inkubationszeit von 60 Minuten bei 37 °C werden die Platten mit Phosphatpuffer gewaschen und anschließend 100 µl HRP-konjugiertes Streptavidin hinzugegeben. Nach einer weiteren Inkubation von 30 Minuten wird das Substrat 3,3’,5,5’-Tetramethylbenzidin (TMB) hinzugefügt, um die Farbreaktion in Gang zu bringen, die nach 15 Minuten mit Schwefelsäure gestoppt wird. Die Konzentration wird anschließend über die Absorption bei 450 nm bestimmt.
Die Franzosen testeten die Spezifität des Tests an Proben von 63 nicht-COVID-19-Patienten, darunter 16 Patienten, die zwar keine Infektion mit SARS-CoV-2 durchgemacht hatten, aber positiv für Antigene aus anderen Infektionen waren (u. a. HIV-1 p24-Antigen, HKU1-Coronavirus, Malaria-Antigene). Insgesamt erreichte der Test bei diesen Proben eine Spezifität von 98,4 Prozent. Es traten also kaum falsch-positive Ergebnisse auf. Die positiven Proben stammten von Studienteilnehmern aus COVID-19-Kohorten (French COVID- und CoV-CONTACT-Kohorten).
93 Prozent sensitiv
An 227 Serumproben von 167 Patienten mit RT-PCR-bestätigter SARS-CoV-2-Infektion untersuchten die Forscher die Sensitivität des neuen N-Antigen-Tests. 132 von 142 Proben, die innerhalb der ersten zwei Wochen nach Symptombeginn gewonnen worden waren, wurden durch den Test korrekt als positiv erkannt, was einer Sensitivität von 93 Prozent entspricht.
Die Pariser Gruppe stellte fest, dass die Konzentration der Antigene in den Proben, nach mehr als 14 Tagen nach Symptombeginn abnahm, und diese bei einem Großteil der ambulanten Patienten (84,6 Prozent) gar nicht mehr nachweisbar waren. Bei stationär behandelten und intensivmedizinisch betreuten Patienten war dieser Anteil jedoch kleiner. Hier war das N-Antigen nur bei 42,1 Prozent bzw. 32,7 Prozent nicht mehr nachweisbar. Dies entsprach auch den Ergebnissen des Anti-N-IgG-Antikörpertests, den die Forscher ebenfalls mit den Proben durchführten. Die abnehmende Nachweisbarkeit des N-Antigens korrelierte mit dem positiven Antikörper-Nachweis von anti-N-IgG.
Vergleich mit Ct-Wert
Bei einer Untergruppe von 73 COVID-19-Patienten, deren Serum innerhalb von 24 Stunden nach oder vor einem PCR-positiven Nasen-Rachen-Abstrich entnommen worden war, verglichen die Forscher die N-Antigen-Detektion mit dem Ct-Wert (Schwellenwertzyklus) der PCR-Reaktion, der ein relatives Maß für die Konzentration des Ziels in der PCR-Reaktion ist. Proben mit Ct-Werten über 40 wurden als negativ betrachtet. Von 50 Proben mit einem Ct-Wert unter 30 war nur eine im N-Antigen-Test negativ. Die Probe für den Antigentest war von diesem Patienten allerdings 21 Tage nach Auftreten der Symptome gewonnen worden.
Dem französischen Forscherteam gelang vermutlich der erste Nachweis des N-Antigens im Blut von COVID-19-Patienten. Der Test erfordert nur eine Blutabnahme, liefert innerhalb von zwei Stunden ein Ergebnis und müsste in klinischen Laboren auch im größeren Maßstab durchführbar sein.
Miriam Colindres
Le Hingrat Q. et al. (2020): SARS-CoV-2 N-antigenemia: A new alternative to nucleic acid amplification techniques. medRxiv, DOI: 10.1101/2020.09.14.20191759
Foto. AAZ