Tot oder lebendig?
(04.11.2020) Vitalitätsfärbungen kosten wertvolle Zeit und etlichen Zellen das Leben. Schneller und schonender ist der Vitalitätstest mit einem speziellen Mikroskop.
Wer in Zellkulturen die Lebenden von den Toten oder Geschädigten unterscheiden will, nutzt dazu meist Farbstoffe wie Trypanblau, die nur durch beschädigte Zellmembranen wandern können, nicht aber durch die intakte Barriere gesunder Zellen. Dieses Vorgehen kostet aber nicht nur Zeit, sondern fordert auch Opfer: Der Farbstoff benötigt meist eine gute Viertelstunde, bis er sein Ziel erreicht hat und richtet in dieser Zeit auch in gesunden Zellen Schäden an, was Langzeit-Beobachtungen vereitelt. Welche Zellen von Anfang an tot waren, und welche ihr Leben erst durch den Farbstoff verloren haben, ist deshalb nicht immer exakt zu erkennen.
Gabriel Popescus Gruppe von der Universität Illinois suchte eine Alternative zu Farbstoff-basierten Vitalitätstest und entwickelte ein Mikroskopie-Verfahren, das auf Farbstoffe oder sonstige Reagenzien verzichtet. Dazu stattete sie ein Phasenkontrast-Mikroskop mit einem sogenannten Spatial-Light-Interference-Microscopy-Modul, kurz SLIM-Modul aus, das Popescu schon vor knapp zehn Jahren ausgetüftelt hat (Opt Express, 19(2): 1016–26).
Kommerziell erhältlich
Inzwischen kann man SLIM-Module bei entsprechenden Händlern kaufen und einfach an das Mikroskop anschließen. Die Bildsignale des Phasenkontrast-Mikroskops werden zum SLIM-Modul weitergeleitet und dort mit Breitband-LED-Licht bestrahlt. Je nach Probenstruktur führt dies zu Phasenverschiebungen der Lichtwellen, die als Quantitative Phase Imaging (QPI)-Maps aufgezeichnet werden.
Mithilfe der QPI-Maps lassen sich prinzipiell tote und lebende Zellen aufgrund ihrer verschiedenen Merkmale unterscheiden. Dazu mussten Popescus Mitarbeiter jedoch zunächst einem Computerhirn beibringen, die entsprechenden Charakteristika toter und lebender Zellen in den QPI-Maps zu erkennen. Hierzu färbten sie HeLa-Zellen mit dem Zellviabilitäts-Farbstoff NucBlue, der Membranen durchdringt und sämtliche Zellkerne blau färbt, sowie dem Farbstoff NucGreen, der nur lecke Membranen passieren kann und den Zellkern grün fluoreszieren lässt.
Anschließend beobachteten sie hunderte HeLa-Zellen über zehn Stunden mit dem SLIM-Modul sowie einem Epifluoreszenz-Mikroskop. Für jeden Zellkern und Zeitpunkt ermittelte die Gruppe das Signalverhältnis von NucGreen zu NucBlue für lebende, geschädigte oder tote Zellen. Mit den Daten trainierten die Forscher schließlich ein neuronales Netzwerk in der Auswertung der QPI-Maps.
Vergleichbar mit Farbstofftest
Die Treffsicherheit dieses sogenannten Phase Imaging with Computational Specificity (PICS)-Systems kann sich durchaus sehen lassen. Bei einem Test mit HeLa-Zellen erkannte es 73 Prozent der lebenden Zellen, 97 Prozent der geschädigten und 94 Prozent der toten. Ein als Vergleich eingesetzter Farbstoff-basierter Vitalitätstest lieferte ähnliche Zahlen. Angesichts der vergleichsweise schwachen Trefferquote von PICS bei lebenden Zellen schlagen die Forscher vor, einfach alle Zellen als vital einzustufen, die nicht als geschädigt oder tot erkannt werden.
Mit ein paar zusätzlichen Trainingseinheiten für das neuronale Netzwerk könnte sich das PICS-System zu einem ernsthaften Konkurrenten für Vitalitätsfärbungen entwickeln.
Andrea Pitzschke
Hu C. et al. (2020): Label-free cell viability assay using phase imaging with computational specificity. BioRxiv, DOI: 10.1101/2020.10.28.359554
Bild: Pixabay/CreativeMagic
Letzte Änderungen: 04.11.2020