Editorial

Smart gescreent und
gut vernetzt

(06.10.2022) Das Start-up Smartbax bringt mit ihrem Antibiotikum-Kandidaten PK150 eine neue Wirkstoffklasse in Stellung. Auch gegen multiresistente Keime.
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Gegründet haben Smartbax Stephan Sieber, Lehrstuhl­inhaber an der Organischen Chemie der TUM, sowie Robert Macsics. Der Biochemiker ist nun Geschäftsführer des jungen Unternehmens und sprach mit Laborjournal über alternative Zielproteine, netzwerkende Inkubatoren und die Notwendigkeit, dass sich die Politik in die Antibiotika-Entwicklung einmischt.

Herr Macsics, gemeinsam mit Stephan Sieber vom Institut für Organische Chemie II der TU München haben Sie Smartbax gegründet. Sie entwickeln Antibiotika, und das offenbar auf eine besonders smarte Art, oder wie lässt sich der Firmenname erklären?
Robert Macsics: So in etwa. Smart gilt – klar – im Sinne von clever, Bax kommt von Bakterien. Wir versuchen über eine clevere Art und Weise gegen Bakterien vorzugehen.

Und das machen Sie wie?
Macsics: Wir suchen nach neuartigen Wirkmechanismen, die sich von gängigen Antibiotika unterscheiden. Dazu screenen wir unter anderem Krebs­medikamente, genauer Kinase-Inhibitoren, auf ihre antibiotische Aktivität. Dabei sind wir auf den Kinase-Inhibitor Sorafenib gestoßen und haben daraus ein verkürztes, deutlich wirksameres Molekül entwickelt, PK150.

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Was macht PK150 besser als andere Antibiotika?
Macsics: Zu unserer großen Überraschung wirkt PK150 überhaupt nicht über die Kinase-Aktivität, denn dem verkürzten Molekül fehlt die Erkennungs­sequenz für die Kinase. Stattdessen haben wir gleich zwei andere Zielproteine entdeckt, über die PK150 seine antibiotische Aktivität steuert. Das eine ist die Methy­ltransferase MenG, die die Menachinon-Biosynthese katalysiert. PK150 stört die Biosynthese und bringt dadurch das Bakterium zum Absterben. Der zweite Weg führt über die Signalpeptidase SpsB. Bekannt ist, dass inhibiertes SpsB zur Akkumulation von Proteinen, die eigentlich sekretiert werden sollten, in der Zelle oder der Zellmembran führt. Das wiederum hat eine Zelllyse zur Folge. PK150 allerdings aktiviert SpsB, es kommt also zu einer deutlich gesteigerten Sekretion SpsB-abhängiger Proteine. Offenbar stresst diese Dysregulation die Zelle ebenso wie die Inhibierung von SpsB, denn die Behandlung der Bakterien mit PK150 fördert ebenfalls die Zelllyse. Damit ist PK150 ein Antibiotikum mit einem völlig neuen Wirkmechanismus. [Mehr zu PK150 können Sie im LJ-Heft 10/2022 nachlesen.]

Seit Anfang des Jahres sind Sie bei der Initiative INCATE aktiv. Was ist das?
Macsics: INCATE steht für Incubator for Antibacterial Therapies in Europe, ist also ein Inkubator, der erst vor Kurzem ins Leben gerufen wurde. Das Konsortium aus verschiedenen akademischen Forschungs­einrichtungen, Unterstützern und Geldgebern ist letztlich dafür gedacht, Firmen zu unterstützen, die Antibiotika entwickeln. Wir wurden für INCATE stage I akzeptiert und haben dafür 10.000 Euro als Non-Dilutive Funding erhalten. Das bedeutet, dass wir für diese Summe keine Unternehmens­anteile abgeben. Wichtiger als die relativ geringe finanzielle Förderung ist aber das Netzwerk. Unter anderem beteiligt sich an INCATE zum Beispiel der Boehringer Ingelheim Venture Fund, der auch in uns investiert hat. Weitere größere Unternehmen wie Roche oder der japanische Arzneimittel­entwickler Shionogi sind ebenso dabei wie auch etwa die Antibiotika-Firma Bioversys aus Basel. Ziel von INCATE ist es, ein Netzwerk an Antibiotika-entwickelnden Firmen aufzubauen und die Kräfte zu bündeln. Antibiotika-Forschung ist für sich genommen schwierig genug, da ist jede Unterstützung Gold wert. Für uns als Start-up ist es eine große Chance, dabei zu sein.

Sie sprechen es gerade an: Antibiotika-Forschung wird nach wie vor eher stiefmütterlich behandelt. Es gibt einfach schon unheimlich viele Wirkstoff­gruppen, die für die große Masse an Infektionen ausreichend sind. Problematisch sind die multiresistenten Keime, die dann aber zu schwer hospitalisierten Patienten führen. Monetär ist das für Firmen allerdings wenig interessant, weil es eben verhältnismäßig wenige Menschen trifft. Es lohnt sich schlichtweg nicht, viel Geld in die Entwicklung neuer Antibiotika zu investieren, die dann ihr Dasein als Reserve- oder Notfall-Mittel fristen, also nur selten eingesetzt werden. Gleichzeitig nimmt die Zahl der multiresistenten Keime stetig zu. Sind Projekte wie INCATE oder auch der AMR Action Fund Zeichen, dass die Problematik erkannt wurde?
Macsics: Ich denke schon, dass sich langsam etwas tut. Es ist aber auch dringend nötig! Sie sprechen die Antibiotika-Resistenzen an. Ich vergleiche das immer mit dem Klimawandel: Alle wissen, dass es ihn gibt. Aber er ist irgendwie noch zu weit weg, zu abstrakt, als dass man sich akut darum kümmern würde. Langsam sehen wir aber die Folgen. Antibiotika-Resistenzen sind eine schleichende Pandemie. Aber wenn wir eines Tages an einem Punkt sind, dass Antibiotika nicht mehr wirken, ist es zu spät. Initiativen wie der AMR Action Fund, INCATE oder auch CARB-X in den USA sind wichtig, um politischen Druck aufzubauen. Regierungen müssen Fördermittel bereitstellen, denn der Markt reguliert an dieser Stelle zu kurzsichtig. Diese Erkenntnis setzt in der Politik aber erst sehr langsam ein.

Die Fragen stellte Sigrid März

Steckbrief Smartbax
Gründung: 2021
Sitz: München
Mitarbeiter: 2
Produkt: neuartige Antibiotika

Bild: AdobeStock/haloviss


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Letzte Änderungen: 06.10.2022