Editorial

Alte Fische,
altes Immunsystem

(17.04.2023) Experten sind uneins, ob (und wie) die Funktion unseres Immunsystems im Alter nachlässt. Nothobranchius furzeri könnte neue Hinweise liefern.
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Ein Killifisch lebt nicht lange. In seinem natürlichen Lebensraum in Simbabwe und Mosambik hat er wegen der kurzen Regen- und langen Trockenzeit nur wenige Monate Zeit, auf die Welt zu kommen, erwachsen zu werden und Nachkommen zu zeugen. Selbst unter besten Bedingungen im Labor schafft der kleine Fisch maximal acht Monate.

Das Tier wird in Lebenszeit gemessen also nicht alt – und doch stirbt es nicht jung. „Gehirn, Herz, Augen, der ganze Körper altert im Zeitraffer”, sagt Dario Riccardo Valenzano. Der Forscher arbeitet schon länger mit diesem Prachtgrund­kärpfling, wissenschaftlich Notho­branchius furzeri genannt. „Um den Alterungs­prozess bei Mäusen zu analysieren, muss man diesen künstlich beschleunigen”, sagt der Forscher. „Der Fisch aber altert ganz natürlich so schnell. Daher empfiehlt er sich als Modelltier für die Erforschung des Alterungs­prozesses der Vertebraten in besonderer Weise.” Aktuell arbeitet der Italiener in Jena am Leibniz-Institut für Alterns­forschung – Fritz-Lipmann-Institut.

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Dem Menschen ähnlich

Im Blutplasma der Killifische fanden die Forscher beispielsweise erhöhte Insulin- und IGF1-Spiegel. Dies sind zwei typische Marker für einen inflamma­torisch-metabolischen Zustand in höherem Alter. Ebenso fanden sie Marker, die mit alters­bedingten Krankheiten assoziiert sind. Auch das Immunsystem des Fisches altert also.

In der März-Ausgabe des Laborjournals befassten wir uns ausführlich mit dem Thema „Wie altert das Immunsystem“. Was verrät der Killifisch über den Alterungsprozess seines Immunsystems? Valenzano berichtet: „Wir sehen ganz ähnliche Entwicklungen wie bei Menschen. Der Thymus wird mit dem Alter kleiner, die Populationen bestimmter Zelltypen expandieren, andere schrumpfen. Beispielsweise wird die Diversität der Antikörper produzierenden B-Zellen geringer. Dafür expandieren Gedächtnis­zellen und bestimmte B-Zell-Klone.”

Bei alten Fischen fanden die Forscher vermehrt Marker­moleküle, die mit DNA-Doppel­strang­brüchen und verminderter DNA-Reparatur sowie Replikations­stress verknüpft sind.

Noch einiges unklar

Speziell das hämato­poetische Organ des Fisches – und das ist nicht wie bei Säugetieren das Rückenmark, sondern das Nierenmark – nahmen Valenzano und Co. ganz genau unter die Lupe. Auf der Ebene einzelner Zellen sequenzierten sie RNA, analysierten das Proteom und klassifizierten Zellen mittels Zytometrie. Dabei stellten sie fest: Die Zusammen­setzung der Immunzellen ändert sich mit dem Alter dahingehend, dass mehr Vorläuferzellen vorhanden sind. Dies könnte, so die Forscher, möglicherweise zulasten der Differenzierung zu Effektor­zellen gehen. Noch fehlt es jedoch an Oberflächen­markern, mittels derer sich die Immunzellen der Fische eindeutig identifizieren ließen. Es ist also noch unklar, welche Vorläuferzellen – myeloide, erythroide oder lymphoide – sich im Alter ansammeln. Da gibt es also noch einiges zu forschen.

Auch wenn die Immunsysteme der Fische und Menschen zwar ähnlich, aber nicht identisch sind, ist der Forscher zuversichtlich, dass weitere Analysen von Nothobranchius furzeri zum besseren Verständnis des allgemeinen Alterungs­prozesses beitragen werden.

Karin Hollricher

Morabito G. et al. (2023): Spontaneous onset of cellular markers of inflammation and genome instability during aging in the immune niche of the naturally short-lived turquoise killifish (Nothobranchius furzeri). bioRxiv, DOI: 10.1101/2023.02.06.527346

Bild: Spongebob Schwammkopf (Nickelodeon)


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Letzte Änderungen: 17.04.2023