Editorial

Wer hat an der
(Zell-)Uhr gedreht?

(10.11.2022) Diese Frage würde das Start-up Mogling Bio gerne bald mit „Wir“ beantworten, beschäftigt es sich doch mit einer Verjüngungskur für Stammzellen.
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Ewige Jugend – ein unerreich­barer Traum. Oder doch nicht? Schaut man sich in der Forschungs­landschaft um, so erkennt man besonders in der letzten Dekade viele Bemühungen namhafter Unternehmen, die zelluläre Uhr zumindest teilweise zurückzusetzen. Seit kurzem mit dabei: das deutsch-amerikanische Start-up Mogling Bio.

Hinter dem spannenden Ansatz stecken anderthalb Dekaden intensive Forschung, wie Mitgründer Hartmut Geiger erzählt: „Ich beschäftige mich seit meiner Postdoc-Zeit mit der Alterung von Stammzellen. Mich fasziniert, welche Funktionen sie mit der Zeit verlieren und wie diese molekularen Prozesse pharma­kologisch dargestellt werden können.“ Geiger, im Hauptberuf Direktor des Instituts für Molekulare Medizin der Universität Ulm, kam während seiner Zeit im amerikanischen Cincinnati mit den zur Ras-Superfamilie gehörenden Rho-GTPasen in Kontakt. Die kleinen G-Proteine übernehmen vielfältige Rollen in der humanen Signal­transduktion. Eines dieser Proteine stach besonders heraus, wie Geiger sich erinnert: „Wir konnten relativ schnell feststellen, dass die Rho-GTPase CDC42 eine wichtige Rolle bei der Zellalterung spielt und auch zeigen, dass sie tatsächlich kausal für diese Vorgänge ist”.

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Übereifriges Enzym

Die kleine Rho-GTPase CDC42 – oder ausgeschrieben: Cell Division Control protein 42 homolog – übernimmt wichtige Funktionen in der Steuerung der Zelladhäsion, Migration und Invasion. Mit zunehmendem Zellalter nimmt die Aktivität der GTPase stetig zu, was insbesondere im blutbildenden System zu Erkrankungen führen kann. Eine Regulation des übereifrigen Proteins könnte, so die Hoffnung von Geiger, diese altersbedingte Verschlechterung der Zellfunktion umkehren und die Zellen quasi verjüngen. Im Jahre 2012 konnten die Wissenschaftler und Wissenschaft­lerinnen um Mogling-Bio-Mitgründer Yi Zheng am Cancer and Blood Diseases Institute in Cincinnati dann erstmalig zeigen, dass die Aktivität von CDC42 mithilfe spezieller Inhibitoren gezielt reduziert werden kann. Der so identifizierte Inhibitor-Kandidat CASIN (Cdc42 activity-specific inhibitor) stellte sein Potenzial unter anderem 2020 in einer Studie von Geigers Team in Ulm unter Beweis, in der er die Lebens­erwartung von alten Mäusen verlängerte (Aging Cell, 19(9):e13208).

Mit diesen Ergebnissen und der Idee, daraus ein Unternehmen zu gründen, wandte sich Geiger Anfang 2022 an einen alten Bekannten: Jürgen Reeß. Der ehemalige Senior Vice President des deutschen Pharmakonzerns Boehringer-Ingelheim war schnell überzeugt: „Ich hatte mich vorher noch nicht mit Stammzellen beschäftigt. Im Laufe unserer Gespräche war ich aber schnell von der Idee und den Ergebnissen beeindruckt.“ Die drei Gründer Geiger, Reeß und Zheng beschlossen, das Unternehmen in den Vereinigten Staaten anzusiedeln. Eine rein pragmatische Entscheidung, wie Reeß ausführt: „Zum einen sind alle Firmen, die von unserem Kapitalgeber Kizoo finanziert werden, in den USA angesiedelt, zum anderen ist eine Firmen­gründung dort einfacher realisierbar. Den direkten Zugang zum amerikanischen Markt darf man dabei auch nicht unterschätzen.“

Starke Konkurrenz

Dabei drängt das Start-up auf einen bereits hochkarätig besetzten Markt. Im gleichen Geschäft tummeln sich Calico Life Sciences, ein Tochter­unternehmen von Googles Mutter­gesellschaft Alphabet, und das 2021 frisch gegründete Biotech-Unternehmen Altos Labs, das in einer Finanzie­rungsrunde im Jahr 2022 mit insgesamt drei Milliarden US-Dollar ausgestattet wurde (wir berichteten: „Nicht kleckern, sondern klotzen“). Davon lassen sich die Gründer jedoch nicht abschrecken, wie Reeß erläutert: „Unsere Daten gehen über Ergebnisse in Mäusen hinaus. Wir konnten bereits für humane Zellen zeigen, dass die Regulation der CDC42-Aktivität den Alterungs­prozess umkehrt. Mit der ganzen Vorarbeit, die vor allem die Labore von Geiger und Zheng geleistet haben, sind wir schon weiter als viele Mitbewerber.“ Es bleibe dennoch ein Hochrisiko-Geschäft, räumt Reeß ein. Jedoch sei die Gründung kein Schnellschuss, sondern das Ergebnis einer langwierigen Verifikation der Hypothese.

Die massiven Investments von Unternehmen wie Google zeigen das breite Interesse an der Zellverjüngung. So wundert es wenig, dass auch Mogling Bio kürzlich vom Wagnis­kapitalgeber Kizoo Technology Ventures im Rahmen einer Seedfinanzierung mit finanziellen Mitteln ausgestattet wurde. Zur genauen Höhe des Investments äußern sich die Gründer zwar nicht, bekräftigen aber, dass es sich um eine in dieser Sparte übliche Summe handele. Mit dem Geld will das Start-up ausgehend von seiner Lead-Struktur CASIN Wirkstoffe identifizieren, mit denen es in die vorklinische Phase übergehen kann. „Unser bisher in den Studien verwendetes Molekül hat nicht die physiko­chemischen Eigenschaften, die wir für ein Medikament brauchen“, erklärt Mitgründer Reeß. Dabei setzt das derzeit rein „virtuell“ existierende Unternehmen auf andere Dienstleister, die in ihrem Auftrag Wirkstoffe synthetisieren und in Bioassays testen.

Jung geblieben

Auf dem im Oktober abgehaltenen und von Investor Kizoo organisierten Rejuvenation Summit in Berlin präsentierte sich das junge Start-up dann auch erstmals der Öffentlichkeit. Wobei sich die Bezeichnung „jung“ allein auf das Gründungsjahr bezieht, wie Reeß lachend einwirft: „Wir sind nicht das typische Start-up mit einem Alters­durchschnitt der Gründer von etwa 60 Jahren. Allerdings – und das ist mein Argument – sind wir ja auch in der Zielpopulation. Wer, wenn nicht wir, soll sich um die Alternsmedizin kümmern?“

Tobias Ludwig

Bild: Pixabay/valentinsimon0


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Letzte Änderungen: 10.11.2022