Editorial

Einmal falten, bitte!

(12.01.2023) Plectonic Biotech will Krebszellen mit DNA-Origami an den Kragen. Vorher mussten die „tollkühnen Physiker“ aber lernen, mit Zellen zu arbeiten.
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Logibody aktiviert und verknüpft T-Zelle (oben) mit Tumorzelle (unten)

Die DNA erfüllt als Speicher der Erbinformation eines Organismus eine essenzielle Funktion. Das ist hinlänglich bekannt. Dass man die Ribo­nuklein­säure-Moleküle jedoch auch in beliebige Formen falten und damit dann Medikamente herstellen kann, ist wahrscheinlich weniger geläufig. Das Spin-off Plectonic Biotech der TU München will mit dieser DNA-Origami genannten Technologie neuartige Nanoschalter herstellen, die gezielt Krebszellen angreifen. Bei DNA-Origami handelt es sich um „gefaltete DNA“, mit der sich Bausteine in diversen Formen herstellen lassen. „Wir verwenden als Basis einen zirkulären, unverzweigten DNA-Strang“, erklärt Klaus Wagenbauer. Er ist promovierter Physiker und Mitgründer von Plectonic Biotech.

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„Wie das Haus vom Nikolaus“

Zu dem langen DNA-Strang werden partiell komplementäre Oligo­nukleotide gegeben, die das DNA-Molekül in die gewünschte Form bringen. Dabei lassen sich geometrische Bauteile wie Dreiecke, Quader oder diverse andere Vielecke realisieren. „Das kann man sich so vorstellen, wie beim Haus des Nikolaus“, beschreibt der Physiker. „Dort versucht man aus einem Strich eine bestimmte Form zu generieren und diese zu füllen. Genau das machen wir auch.“ Die Sequenzen der Oligo­nukleotide werden dabei am Computer speziell für die Faltung der gewünschten Form designt und dann synthetisiert.

Wagenbauer und die Plectonic-Mitgründer Benjamin Kick und Jonas Funke beschäftigten sich bereits im Rahmen ihrer Doktorarbeiten am Lehrstuhl des Physik-Professors Hendrik Dietz ausgiebig mit unter­schiedlichen Facetten der DNA-Origamis. Ende 2017 erreichte die Dietz-Gruppe wichtige Meilensteine, etwa in Hinblick auf deren maximale Größe und fehlerfreie Produktion, und publizierte sie in Nature und Science (Nature, 552(7683):78-83; Science, 347(6229):1446-52). „Da haben wir uns dann gesagt, dass wir jetzt umsetzen wollen, was wir in den Publikationen angeteasert haben“, so Wagenbauer. Dort spekulierten die Münchner bereits über einen möglichen Einsatz der DNA-Origamis zur Behandlung von Krebs­erkrankungen oder als Delivery-System. Also machten sie sich daran, das theoretische Konzept eines zellulär aktiven DNA-Origamis in die Praxis umzusetzen.

Der Sprung ins Ungewisse

Relativ früh stießen die drei Forscher jedoch auf eine Hürde: „Mit den DNA-Origamis kannten wir uns aus. Wir hatten jedoch kaum praktische Erfahrung mit Zellen“, erzählt der Mitgründer. Also stürzten sich die Münchner ins Ungewisse. „Das liegt eben im Naturell eines Physikers: er hat vor nichts Angst und geht blindlings und tollkühn neue Aufgaben an. So haben wir das auch gemacht“, scherzt Wagenbauer. Der von ihm als „Kaltstart“ bezeichnete Beginn der Arbeiten wurde jedoch schnell durch eine Kooperation mit Sebastian Kobold in eine heiße Phase gebracht. Kobold ist Professor für Medizin und experimentelle Immuno­onkologie sowie Leiter der Abteilung Klinische Pharmakologie am Universitäts­klinikum der LMU München.

Weiter verstärkt durch Johanna Holldack, einer erfahrenen Expertin für Wirkstoff­entwicklung (sowie CEO des Biotech-Start-ups Kupando, siehe unser Firmen-Porträt „Voll toll und volles Risiko“), begannen die angehenden Firmengründer mit der Arbeit an ihren sogenannten Logibodys: logic-gated antibodies, auf Deutsch etwa logik­gesteuerte Antikörper.

Logischer Antikörper

Dabei handelt es sich um DNA-Origamis, die Antikörper für unterschiedliche Tumor-Antigene tragen. Erkennen die Antikörper ein bestimmtes onkogenes Muster, ändert sich die Konformation des Schalters und ein bis dahin verborgener Immun­modulator kommt zum Vorschein. Damit kann eine T-Zelle mit der Tumorzelle verknüpft werden, sodass diese dann stimuliert wird und die Tumorzelle abtötet (siehe Abbildung). „Hier liegt der Vorteil gegenüber konven­tionellen Krebstherapien“, sagt Wagenbauer. „Die Logibodys erkennen gezielt molekulare Muster von Krebszellen, um aktiv zu werden. Es ist ein Antikörper mit Wenn-Dann-Logik. Zudem sind sie nur temporär aktiv und werden dann wieder abgebaut.“

Der Abbau der aus DNA bestehenden Nanokörper ist zugleich Fluch und Segen. „Freie DNA wird, wenn man sie injizieren würde, sehr schnell abgebaut. Wir sind gerade dabei, die Halbwertszeit der Logibodys so zu optimieren, dass sie ihre Wirkung entfalten können und dann sicher abgebaut werden“, erzählt der Physiker. Die bisher durchgeführten Versuche im Tiermodell zeigen bereits eine statistisch signifikante Wirksamkeit, was zumindest auf eine gewisse Stabilität in vivo hindeutet.

Unterstützung gesucht

Die universitäre Entwicklung der Logibodys wurde im Rahmen von Pre-Seed-Programmen wie GO-Bio und dem Gewinn des mit 500.000 Euro dotierten M4-Awards bereits umfangreich gefördert. Aktuell unterstützt SPRIN-D, die Bundesagentur für Sprung­innovationen, die Plectonic Biotech GmbH. Für die nächsten Jahre steht für die Münchner die Identifikation eines Lead-Kandidaten sowie die Klärung allgemeiner pharmako­kinetischer Fragestellungen auf dem Programm. „Wir wollen jetzt so richtig loslegen. Dafür suchen wir gerade auch gezielt nach Mitarbeitenden“, lässt Wagenbauer die Laborjournal-Leser abschließend wissen.

Tobias Ludwig

Bild: Plectonic Biotech


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Letzte Änderungen: 12.01.2023