Gesund im Mund
(10.08.2023) Mit einer Anti-Enzym-Geheimwaffe will die Hallenser PerioTrap bakterielle Übeltäter in die Falle locken und damit Parodontitis verhindern.
Die PerioTrap Pharmaceuticals GmbH ist eine Ausgründung der Außenstelle des Leipziger Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunbiologie in Halle an der Saale. Der Name lässt im Englischen erahnen, welche Erkrankung im Fokus der Aufmerksamkeit steht: Die Parodontitis, eine Entzündung der Zahnfleischtaschen, die in schweren Fällen zum Zahnverlust führen kann. Weltweit sind schätzungsweise 743 Millionen Menschen und somit rund 10 % der Weltbevölkerung von dieser häufigen Krankheit betroffen.
Die Ursache ist eine Verschiebung der Artenzusammensetzung des Mund-Mikrobioms hin zu pathogenen Vertretern, allen voran den Anaerobiern Porphyromonas gingivalis, Tannerella forsythia und Prevotella intermedia. P. gingivalis ist dabei besonders gefährlich, denn es steht im Verdacht, weitere entzündliche Erkrankungen wie die rheumatoide Arthritis und die Alzheimer-Demenz zu fördern. Die gängige Therapie der Parodontitis besteht aus einer schmerzhaften Entfernung der störenden Biofilme auf den Zähnen sowie in den Zahnfleischtaschen und der anschließenden Anwendung von Antiinfektiva wie Chlorhexidin und Breitbandantibiotika. Da dadurch auch das natürliche Mikrobiom geschädigt wird und nicht mehr als schützende Barriere dienen kann, werden Reinfektionen gefördert.
Schwachpunkt enttarnt
PerioTrap setzt deshalb auf eine Therapie, die selektiv nur die pathogenen Bakterien im Mundraum ausschaltet. Als attraktives Ziel haben die Forscher das Enzym Glutaminylcyclase ausgemacht (J Biol Chem, 296:100263). „Es zyklisiert bei seinen Substraten ein N-terminales Glutamin. Diese posttranslationale Modifikation erhöht höchstwahrscheinlich die Stabilität der Proteine“, erklärt Pierre Tangermann. Der Biochemiker und studierte Betriebswirt ist Co-Gründer und Geschäftsführer (CEO) von PerioTrap. „Das Enzym ist essentiell für P. gingivalis und aufgrund seiner Lage im Periplasma für kleine Moleküle gut zugänglich.“ In Experimenten überlebt P. gingivalis die Hemmung der Glutaminylcyclase zwar, ist dann aber nicht mehr pathogen.
Wieso das Enzym für den Erreger so wichtig ist, ist zwar noch nicht im Detail geklärt, doch es gibt Hinweise darauf, dass unter seinen Substraten verschiedene Virulenzfaktoren sind. „Natürlich kann man einzelne Virulenzfaktoren auch direkt hemmen“, so Tangermann. „Unser Ansatz greift aber viel weiter stromaufwärts an. Zudem kommt die Glutaminylcyclase auch bei den anderen beiden pathogenen Keimen T. forsythia und P. intermedia vor. Somit wirkt unser Ansatz breiter, als wenn man sich nur auf P. gingivalis konzentriert.“
Erreger in der Falle
Selektiv wird der Ansatz aber erst dadurch, dass sich die Glutaminylcyclase der drei genannten Pathogene von der anderer Bakterien unterscheidet. Tatsächlich wird die Enzymvariante von P. gingivalis sonst nur von Säugetieren und Insekten produziert. „Wir gehen davon aus, dass sich das Bakterium das Enzym von uns geklaut hat“, sagt Tangermann. „Beim Menschen spielt es ja unter anderem auch eine wichtige Rolle bei Krankheitsbildern wie Alzheimer, Krebs und Autoimmunerkrankungen. Kein Wunder, dass P. gingivalis also in der Lage ist, mit dem menschlichen Immunsystem zu interagieren.“
Neben Tangermann vervollständigen der Pharmazeut Mirko Buchholz als Forschungsleiter (CSO) und die Molekulare Mikrobiologin Nadine Taudte als Senior Scientist das Gründerteam. Bis 2025 sollen die Sicherheitsstudien für noch geheime Hemmstoffe der P.-gingivalis-Glutaminylcyclase abgeschlossen sein, ab 2026 ist die Zulassungsstudie als Medikament geplant. Und dann soll die Falle, die den zweiten Namensbestandteil von PerioTrap ausmacht, zuschnappen: „Unser Ansatz kann als Antivirulenz bezeichnet werden“, so CSO Buchholz. „Wir setzen P. gingivalis fest, stellen ihm eine Falle, sodass es nicht mehr zum Übeltäter werden kann.“
Larissa Tetsch
Bild: Pixabay/Memed_Nurrohmad & PerioTrap
Weitere Biotech-Firmen im Porträt
- Alle guten Dinge sind zwei
Mit selektiven Hemmern hindert RIANA Therapeutics den Transkriptionsfaktor STAT5 daran, sich zu krebsauslösenden Oligomeren zusammenzulagern.
- Erst sprühen und trocknen, dann einatmen
Das Münchner Start-up-Projekt RNhale entwickelt Nano-Trägersysteme für inhalierbare siRNA-Therapeutika. Asthma-Patienten wird’s freuen.
- Einmal falten, bitte!
Plectonic Biotech will Krebszellen mit DNA-Origami an den Kragen. Vorher mussten die „tollkühnen Physiker“ aber lernen, mit Zellen zu arbeiten.