„Erst ein Spin-in,
dann ein Spin-out“
(14.11.2019) Vor fünf Jahren porträtierten wir siTools. Was ist aus der Firma geworden? Mitgründer Michael Hannus über Gründungsirrwege, wertvolle Mitarbeiter und große Fische.
Laborjournal: Herr Hannus, das letzte Gespräch mit Laborjournal fand Anfang 2014 statt, kurz nach der Gründung von siTools. Was ist seitdem passiert?
Michael Hannus: [zögert] Wir haben vor allem verstanden, wie man Produkte verkauft. Am Anfang waren wir Wissenschaftler. Mein größter Irrtum bei der Gründung war, zu denken, wenn ich ein überlegenes Produkt habe, dass auch automatisch Kunden vor der Tür stehen. Das war aber nicht der Fall. Also haben wir viel herumprobiert, wie wir das mit dem Verkauf machen. Ich habe nach dem Zauberstab gesucht, nach dem einen Trick, mit dem es plötzlich klappt. Aber es sind viele Dinge, die man richtig machen muss. Wir hatten Glück, dass wir unsere Mitarbeiterin Catherine Goh gefunden haben, die sich mit viel Talent und Schwung dem Problem angenommen hat, sich konsequent um Internet-Marketing und Kundenakquise gekümmert hat. Das sind natürlich Dinge, die andere auch machen. Aber wir mussten das selbst lernen, das ist ein Reifungsprozess. Da helfen auch Coachings und Gründertreffen nur bedingt. Wir sind also eine Firma geworden, was wir am Anfang nicht waren. Wir waren auch noch keine Firma, als Sie das letzte Mal mit uns gesprochen haben.
Warum haben Sie sich damals überhaupt dazu entschlossen, eine Firma zu gründen?
Hannus: Ich habe am Heidelberger EMBL in Genetik und Zellbiologie promoviert. Aus dem EMBL gründete sich zu der Zeit Cenix Bioscience, eine der ersten RNAi-Firmen weltweit, aus. Gegen Ende meiner Doktorarbeit bin ich da quasi reingerutscht. Mit der Zellbiologie des EMBL ist Cenix dann nach Dresden umgezogen, und auf diese Weise bin ich in Dresden gelandet. Die nächsten zehn Jahre habe ich für Cenix gearbeitet und dabei die Schwächen von RNAi hautnah mitbekommen, insbesondere die immensen Off-Target-Effekte. 2007 hatte ich die Idee, wie man die Reagenzien verbessern könnte. Innerhalb der Firma Cenix konnte ich das allerdings nicht umsetzen, weil mein Chef kein Interesse daran hatte. Das hat mich zunächst frustriert. Im Endeffekt aber war es ein Glücksfall, denn so blieb die Idee meine.
Also haben Sie die Idee alleine, also ohne Cenix, umgesetzt?
Hannus: Dabei hat mir mein Bruder Stefan geholfen, der zu diesem Zeitpunkt gemeinsam mit Frank Becker seine eigene Biotech-Firma gegründet hatte, die Intana Bioscience in München. Die beiden gaben mir 2010 eine halbe Postdoc-Stelle, so dass ich meine Idee erst einmal im Labor testen konnte. Alles funktionierte sehr gut, so dass wir uns mit den Ergebnissen auf das Exist-Programm beworben haben. Tatsächlich haben wir die Gründerförderung bekommen, und siTools wurde 2013 gegründet.
Sie sprachen von Dresden, siTools ist aber in München ansässig, oder?
Hannus: Das stimmt, die Firma ist in München, aber wir haben aus der Historie heraus noch immer ein kleines Office in Dresden. Genauer gesagt, mein Bioinformatiker und ich sitzen immer noch in Dresden. Wir sind hier im ehemaligen Robotron-Gebäude untergebracht.
Ihr Mitgründer von siTools ist Gunter Meister. Welche Rolle spielte er bei der Gründung?
Hannus: Genau, Stefan und Gunter Meister haben damals gemeinsam im Labor von Utz Fischer (Professor für Biochemie, Uni Würzburg; Anm. d. Red.) gearbeitet, einem RNA-Biochemiker. Gunter Meister hat dort später auch seine Doktorarbeit gemacht. Nach Stationen in den USA, unter anderem bei Tom Tuschl, dem Entdecker der siRNAs, war er zunächst Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried, bis er den Biochemie-Lehrstuhl in Regensburg übernommen hat. Dort haben wir dann die für den Exist-Antrag erforderlichen Datensätze erzeugt. Das Exist-Programm geht nämlich davon aus, dass Technologien primär in einem akademischen Labor entstehen. Ich war ja aber bereits in der Industrie. Also haben wir die siPOOL-Idee praktisch erst in Gunter Meisters Labor hineingebracht, um sie dort weiter zu optimieren und dann wieder auszugründen. Also, erst ein Spin-in und dann wieder ein Spin-out. Tatsächlich war der Projektträger, über den das Exist-Programm abgewickelt wird, sehr flexibel und pragmatisch. So konnte unsere etwas ungewöhnliche Geschichte trotzdem mit den Mitteln des Exist-Programms gefördert werden.
Ganz offensichtlich, denn die Firma existiert ja. Was können Sie anderen Gründern mit auf den Weg geben?
Hannus: Das eine ist die Technologie, die Anfangsidee, damit steht und fällt alles. Ich sag‘s mal so: Der Fisch an der Angel, der muss am Anfang groß genug sein, denn es wird viel davon abgebissen, bis man ihn aus dem Wasser holen kann. Aber die Anfangsidee allein reicht nicht. Es muss einem gelingen, schnell Strukturen zu entwickeln, mit denen man Geld verdienen kann. Ich glaub, das ist für viele Gründer ein schwieriger Prozess. Für mich war es schwierig, obwohl ich schon zehn Jahre davor in einer Biotech-Firma gearbeitet hatte.
Verdient siTools bereits eigenes Geld durch den Verkauf von Produkten?
Hannus: Auch im Hinblick auf die Finanzierung sind wir eine ungewöhnliche Firma. Das klassische Narrativ der Biotechnologie ist: Man hat eine Idee, dann kommt der Investor und der gibt viel Geld, so dass man in den ersten Jahren kein Geld verdienen muss. So wie wir das gemacht haben, also entwickeln und verkaufen, um zu wachsen, ist eigentlich eine Mission Impossible. Und das wird einem auch immer wieder gesagt. Wenn man nicht zufälligerweise an etwas arbeitet, was gerade ein heißes Thema ist, zum Beispiel Immuntherapie, dann springt eben nicht sofort ein Investor auf. RNA-Interferenz, auch wenn es 2006 dafür den Nobelpreis gab, ist ein eher kleiner Markt, mit vielleicht 200 Millionen Euro pro Jahr für RNAi-Reagenzien. Das ist Investoren oft zu „nischig“. Dann muss man eben den Weg des organischen Wachstums gehen, der teils wirklich steinig ist. Aber die Kehrseite ist, dass wir entscheiden, was wir entwickeln wollen und was nicht. Nicht der Investor. Das ist ein extrem hoher Grad an Freiheit.
Die Fragen stellte Sigrid März
Steckbrief siTools
Gründung: 2013
Sitz: Martinsried (und Dresden)
Mitarbeiter: 6
Produkt: RNA-Interferenz-Werkzeuge
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