Nicht schneller, aber besser
(14.01.2021) Der Wettlauf um den ersten Impfstoff ist entschieden, Biontech und Moderna sind die Sieger. Wie aber steht es um den Vakzin-Kandidaten von Curevac?
Als im letzten Frühjahr der offizielle Startschuss für das Impfstoff-Wettrennen fiel, war es nicht die Mainzer Biontech, die die Schlagzeilen beherrschte, sondern die Tübinger Curevac. Ebenso wie Biontech und auch Moderna in den USA hatten die Süddeutschen bereits im Januar angefangen, einen Impfstoff auf RNA-Basis zu entwickeln.
In den Hauptnachrichten landete Curevac im März aber vor allem mit einem angeblichen Angebot des abgewählten US-Präsidenten. Für eine Milliarde Dollar, so hieß es gerüchteweise, wollte sich Donald Trump den experimentellen Impfstoff exklusiv für die USA sichern. Curevacs CEO Franz-Werner Haas dementierte dieses unmoralische Angebot später. Zu diesem Zeitpunkt stand das Unternehmen noch ganz am Anfang seiner Impfstoff-Entwicklung: aus mehreren Konstrukten hatte man gerade mal den geeignetsten Kandidaten ausgewählt und begann mit den präklinischen Tests.
Mit Lichtgeschwindigkeit
Aus Mainz kamen da schon ganz andere Töne. Bereits im März gab Biontech die Zusammenarbeit mit Pfizer bekannt, bereitete die Massenproduktion vor und kündigte erste klinische Tests für Ende April an. Und in der Tat bekamen Anfang Mai die ersten Probanden in einer Phase-1/2-Studie in den USA ihren Vakzin-Schuss. Nur zwei Monate später verkündete das Unternehmen von Ugur Sahin und Özlem Türeci positive Studien-Daten, woraufhin Biontech die ersten Impfstoff-Dosen (30 Millionen) nach Großbritannien verkaufte. Das „Project Lightspeed“ wurde seinem Namen mehr als gerecht.
Bei Curevac hatte man im Juli zwar auch schon die klinische Phase erreicht, steckte allerdings erst in Phase 1. Kurz zuvor hatte sich der Bund mit 300 Millionen Euro über die staatliche Förderbank KfW in die Firma eingekauft. Wirtschaftsminister Peter Altmaier sagte damals: „Man wisse nicht, welches Unternehmen wann den ersten Impfstoff gegen das Coronavirus entwickeln und auf den Markt bringen werde. Aber man wisse eines: Das Tübinger Unternehmen Curevac sei bei der Entwicklung ganz vorne mit dabei.“
Mehrere Rennen
Jetzt wissen wir, dass letztlich Biontech die Ziellinie zuerst überschritten hat. Allerdings, so Curevacs Hauptinvestor Dietmar Hopp vor einigen Monaten im Handelsblatt, hatte man auch gar nicht die Ambition, schneller als die Konkurrenz zu sein. „Wir werden sicher nicht die Ersten sein. Dieses Rennen können wir nicht gewinnen. Aber wir wollen das Rennen um den besten Impfstoff gewinnen, und da haben wir gute Chancen.“
Schauen wir uns also die beiden Impfstoffe mal genauer an. Zuerst die Gemeinsamkeiten. Beide Impfstoffe müssen zweimal verabreicht werden und sind von einer Lipid-Nanopartikel-Hülle umgeben. Beide Impfstoffe enthalten den Bauplan für das Präfusions-stabilisierte, Full-length-Spike-Protein. Wobei Biontech zu Beginn auch einen Kandidaten in der näheren Auswahl hatte, der nur den Bauplan der Rezeptorbindedomäne des Spike-Proteins enthält. Dieser wurde jedoch im Laufe der Entwicklung wieder verworfen. Zumindest ist es das Full-Length-Protein, das letztlich die Zulassung erhalten hat und nun unter dem offiziellen, etwas sperrigen Markennamen COMIRNATY verimpft wird.
Damit wären wir bei den Unterschieden. Und diese betreffen hauptsächlich die mRNA selbst. Biontech (und auch Moderna) verwenden Nukleosid-modifizierte mRNA (modRNA). Hierbei werden bestimmte Nukleoside der mRNA-Sequenz ausgetauscht, beispielsweise gegen natürlich vorkommende wie Pseudouridin oder solche, die nicht natürlich vorkommen wie 5-Methyl-Cytosin. Biontechs modRNA enthält das nicht-natürliche N1-Methylpseudouridin statt Uridin, was zur Stabilität des Moleküls und besserer Translation beitragen soll sowie dazu, dass das angeborene Immunsystem (hier spielen vor allem Toll-like Rezeptoren eine Rolle) nicht in übermäßige Aufruhr versetzt wird.
Curevac hingegen favorisiert chemisch unmodifizierte mRNA. Die Uridine bringen in diesem Fall das Immunsystem in eine gewisse, gewollte Alarmbereitschaft (Adjuvans-Effekt). Auch benötigt man ein geringere Dosis und aktiviert, im Gegensatz zur modRNA, mehr cytotoxische T-Zellen (CD8+) als T-Helferzellen (CD4+).
Angenehme Lagertemperaturen
Stichwort Stabilität. Bekannt ist ja, dass Biontechs Vakzin eisige Temperaturen von -70°C bevorzugt. Curevacs Impfstoff hält sich nach Firmenangaben mindestens 3 Monate auch bei + 5 °C oder sogar 24 Stunden bei Raumtemperatur. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass das Stabilitätsprofil unseres COVID-19-Impfstoff-Kandidaten im Einklang steht mit der Standardimpfstoff-Lagerung bei Kühlschranktemperatur und dieser wie erforderlich bei Raumtemperatur verabreicht werden kann“, sagte Florian von der Mülbe, Chief Production Officer von Curevac, in einer Pressemitteilung.
Und auch was die Konzentration angeht, hat Curevac momentan die Nase mit 12 ug vorn. In Biontechs Impfstoff-Ampullen stecken 30 ug, in Modernas sogar 100 ug. Da in Sachen Effektivität die Impfstoffe von Moderna und Biontech kaum zu schlagen sein dürften, liegen wohl in der höheren Lagertemperatur und der geringeren notwendigen Menge die größten Vorteile von Curecacs CVnCoV.
Mitte Dezember startete eine Phase-2b/3-Studie, kurz vor Weihnachten erreichte das Unternehmen mit dem Start der klinischen Phase-3-Studie an der Universitätsmedizin Mainz den nächsten „wichtigen Meilenstein“. Mehr als 35.000 Probanden sind eingeplant, vor allem auch Mitarbeiter aus dem Gesundheitswesen.
Affen geschützt
Parallel zur klinischen Studie laufen auch noch präklinische Versuche. Erst Anfang dieser Woche verkündete Curevac, dass die zweimalige Gabe von 8 ug ihres Impfstoff-Präparats eine kleine Gruppe von Rhesusaffen (6 Individuen) vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 schützte (BioRxiv, DOI: 10.1101/2020.12.23.424138). Die Forscher beobachteten eine ausgeprägte humorale und zelluläre Immunantwort mit einer hohen Zahl an Spike-Protein- und Rezeptorbindedomäne-spezifischen bindenden Antikörpern sowie Virus-neutralisierenden Antikörpern und T-Zellen. „Der vollständige Schutz der Lungen von geimpften Tieren zeigt das Potenzial von CVnCoV, Menschen vor der verheerenden Wirkung des Virus zu schützen. Es ermutigt uns sehr, dass CVnCoV seine Wirkung bereits bei einer geringen Dosis entfaltet,“ kommentierte Chief Technology Officer Mariola Fotin-Mleczek die Ergebnisse in einer Pressemitteilung.
Die Auswertung der klinischen Daten dürfte sich allerdings noch eine Weile hinziehen, Ende März ist momentan angepeilt. Immerhin: Die EU hat schonmal mehrere hundert Millionen Dosen vorbestellt und mit Bayer hat man kürzlich einen hochkarätigen Kollaborationspartner gefunden.
Kathleen Gransalke
Bild: David S. Goodsell, RCSB Protein Data Bank