Editorial

Scholastik 21

(04.08.2020) Ein Blick auf die Schwach­stellen der Kritiken von Gentechnik-Gegnern und wie man ihnen begegnet.
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Die Entstehung der europä­ischen Universitäten im Hoch­mittelalter wurde stark von der Scholastik beeinflusst. Die Scholastik ist ursprünglich eine Art der Beweis­führung in theo­logischen und philo­sophischen Diskursen, die mithilfe von logischen Schlüssen den Wahrheits­gehalt von Behaup­tungen untersucht. Zu diesem Zwecke wurden Methoden entwickelt, die auf dem Prinzip der Deduktion beruhen und spezifische Aussagen von allge­meinen Prinzipien mithilfe logischer Aussagen ableiten. Allerdings hatten die Scholastik und ihre Vertreter nicht das beste Image, weil sie wegen ihrer Neigung zur exakten logischen Argu­mentation als kleinkariert galten. Kein Wunder: Man beschäftigte sich zum Beispiel mit der Frage, wie viele Engel auf einer Nadelspitze Platz haben.

Dennoch haben Scholastiker wesentlich zur Entstehung der Universität als Organi­sationsform der Wissenschaft beige­tragen und Grundlagen für die Entstehung der modernen wissen­schaftlichen Methode gelegt. Ein wichtiger Beitrag der Scholastik ist unter anderem die Entwicklung von Regeln für logisches Schluss­folgern und das Erkennen von Fehl­schlüssen und Schein­argumenten. Man entwickelte Lehr- und Unterrichts­methoden, wie eine Diskussion strukturiert werden kann, um den Austausch von Argumenten und das Erkennen der Wahrheit zu unterstützen. Die wissen­schaftliche Methode wurde später mit Regeln für induktives Schluss­folgern, der Theorie des experi­mentellen Designs und der Statistik erweitert. Als Ergebnis haben wir einen Werkzeug­kasten, der es erlaubt, Aussagen und Theorien zu überprüfen sowie falsche Logik und Schein­argumente zu entlarven. Diese Werkzeuge sind zum Beispiel im Quatsch-Erkennungs-Kit (Baloney Detection Kit) des amerikanischen Physikers und Wissen­schafts­kommunikators Carl Sagan beschrieben und zeigen ihren Nutzen in Diskussionen mit Wissen­schafts­leugnern zu den Themen Klimawandel, Alternativ­medizin und neuerdings auch zur Corona-Pandemie.

Editorial

Machen wir einen Sprung in das 21. Jahrhundert und zum Thema grüne Gentechnik. Das Genome Editing mit dem CRISPR/Cas9-System ist weniger als ein Jahrzehnt alt. Die Methode wurde aus der Grund­lagenforschung entwickelt und erlaubt es, an definierten Stellen im Genom Doppel­strangbrüche zu erzeugen. Ein großer Traum von Molekular­biologen ist wahr geworden: die Möglichkeit, komplexe Genome gezielt und kosten­günstig zu verändern. Genom­editierung führt zu einer Revolution der biologischen Forschung und weckt große Hoffnungen auf nützliche Anwendungen in Medizin und Land­wirtschaft. Mittlerweile gibt es zahlreiche Varianten der Genom­editierung. Sie ermöglichen zum Beispiel den gezielten Austausch einzelner Nukleotide oder kurzer Nukleotid­sequenzen, die gleichzeitige Änderung vieler Positionen im Genom oder die Umgestaltung der Struktur von Chromosomen. In dieser Hinsicht bietet Genome Editing viel mehr Möglichkeiten zur Modifikation genetischer Information als die bisherige „klassische“ Gentechnik oder Mutagenese.

Die schnell ansteigenden Zahlen von Patenten und Publi­kationen lassen keinen Zweifel zu: „Genome editing is here to stay.“ Deswegen muss sich unsere Gesellschaft konstruktiv mit dieser neuen Technologie auseinander­setzen und die Rahmen­bedingungen ihrer Anwendung verantwortungsvoll gestalten.

In der ursprünglichen Form der Genom­editierung mussten die Gene für die guide RNA und das Cas9-Protein durch Trans­formation in Zellen gebracht werden. Daraus resultieren transgene Organismen, obwohl die Vektoren durch Aus­kreuzung wieder entfernt werden können.

Unter anderem wegen dieser Ähnlichkeit zur bisherigen Gentechnik wird die Genom­editierung von Gentechnik-Gegnern scharf kritisiert. Viele Argumente sind eine Wieder­holung der seit Jahrzehnten vorgebrachten Einwände gegen grüne Gentechnik: Die Methode sei ein unnatürlicher Eingriff in das Genom, würde vor allem der industriellen Landwirtschaft nützen und Monopol­strukturen verfestigen. Neue, Genom-basierte Züchtungs­methoden seien nicht notwendig, weil die gleichen oder sogar bessere und nachhaltige Züch­tungsziele durch die Nutzung alter Sorten, mit „Smart Breeding“ oder ökologischen Anbau­verfahren erreicht werden können. Die früheren Versprechen der Gentechnik­industrie seien nicht erfüllt worden, und deswegen ist auch zu erwarten, dass die jetzt wieder geschürten Erwartungen nur leere Heils­versprechen seien. Statt einer auf Genome und einzelne Gene fixierten Züchtung sei ein System­wechsel zu einer nachhaltigen und system­orientierten Landwirtschaft nötig.

An dieser Stelle können wir die Scholastik ins Spiel bringen. Weil die alten Argumente gegen die neue Technologie der Genom­editierung verwendet werden, lohnt es sich, ihre Qualität zu überprüfen, um die Diskussion auf die wesentlichen und wichtigen Kritik­punkte zu fokussieren. Es fällt auf, dass Argumente gegen die grüne Gentechnik oftmals recht allgemein und kategorisch sind. Deswegen kann in diesen Fällen mit der Falsifi­kationstheorie von Karl Popper argumentiert werden, dass ein einziges Gegenbeispiel ausreicht, um solche Kritik­punkte zu widerlegen.

Biologisch begründete Einwände gegen das Genome Editing sind die „Unnatür­lichkeit” der Technologie, eine höhere „Eingriffstiefe“ als andere Züchtungs­techniken und die Störung der „Integrität“ von Zelle und Genom. Der Transfer von Genen über Artgrenzen würde in der Natur nicht vorkommen und transgene Pflanzen hätten deswegen ein besonders hohes Risiko­potenzial im Vergleich zu herkömmlich gezüchteten Pflanzen.

Das Natürlichkeits­kriterium in der ökologischen Pflanzen­züchtung umfasst den Verzicht auf synthetische Chemikalien, die Anpassung von Kultur­pflanzen an die Bedingungen des Ökolandbaus und den Schutz der Integrität von Lebewesen [1]. Daraus wird das Gebot abgeleitet, auf In-vitro-Techniken zu verzichten, sowie auf Gentransfer, weil diese die Integrität eines Organismus auf allen Ebenen verletzen. Obwohl der Begriff der „Integrität“ in der ökologischen Züchtung eine große Rolle spielt, bleibt eine Suche nach einer genauen und in der biologischen Realität verankerten Definition erfolglos. Statt­dessen findet man eine wachsende Zahl von Beispielen, bei denen die Integrität der Zelle und des Genoms von Pflanzen auf natürliche Weise verletzt wird. Das beginnt mit der Entstehung vieler Kulturarten wie dem Brotweizen durch die Verschmelzung der Genome von drei verschie­denen Gräser­arten. In diesem biologischen Sinne ist der Brotweizen wie jede andere der zahlreichen durch Hybridi­sierung entstandenen Kultur­pflanzen ein transgener Organismus.

Die Liste setzt sich fort mit jeder natürlichen oder von Menschen­hand gemachten Kreuzung, weil sich die Genome von unter­schiedlichen Pflanzen­sorten in Tausenden von Genen unterscheiden können. Als Beispiel soll die Weinrebe Vitis vinifera dienen. Von den etwa 37.000 Genen, die im Genom der Weinrebe codiert werden, unterscheiden sich die beiden Traubensorten Chardonnay und Cabernet Sauvignon in 2.217 Genen durch An-/Abwesenheit in einem der beiden Genome und in weiteren 9.330 Genen durch ihr Ploidie­level (haploid versus diploid) [2]. Fast ein Drittel aller Gene zeigt Unter­schiede in ihrer genomischen Variation in nur zwei Trauben­sorten. Eine ganz normale Kreuzung dieser Sorten stellt somit ein nicht zu kontrollie­rendes genetisches Experiment dar, bei dem zahlreiche neue Gen­kombinationen geschaffen werden, welche mit Sicherheit die Integrität des Genoms im Vergleich zu den Eltern stark verändern.

Auch das Verbot des Gentransfers zwischen Arten lässt sich nicht mit dem Prinzip der Natür­lichkeit begründen. Ein Beispiel ist die Süßkartoffel (Ipomoea batatas), in deren Genom das Ti-Plasmid und die von diesem Plasmid codierten und exprimierten bakteriellen Gene gefunden wurden. Eine neuere Studie dokumentierte die weite Verbreitung von natürlich vorkommenden transgenen Pflanzen [3]. In 23 von 275 untersuchten mono- und dikotyledonen Pflanzen konnten mit einer PCR die Integration der T-DNA von Agro­bakterium (Agro­bacterium tumefaciens) nachgewiesen werden. Wenn man diese Zahlen auf die Gesamtzahl der Arten in beiden Gruppen hochrechnet, kommt man auf mehr als 10.000 natürlich transgene Arten, die in der Natur existieren, ohne dass es bisher zu einer ökologischen Katastrophe gekommen ist!

Genomeditierung wird wie die klassische Gentechnik wegen ihrer hohen „Eingriffstiefe“ kritisiert. Ein tiefer Eingriff findet nicht mehr an den eigent­lichen Phänomenen (zum Beispiel Phänotypen von Pflanzen) statt, sondern an den Strukturen, welche „die Phänomene sehr weitgehend steuern“ (zum Beispiel der DNA) [4]. Da tiefe Eingriffe mithilfe eines technischen Verfahrens durch­geführt werden, seien sie potenziell mit einem sehr hohen Risiko verbunden. Gentechnik-Kritiker verwenden den Begriff der Eingriffstiefe, um zwischen herkömmlicher Kreuzungs­züchtung (geringe Tiefe), klassischer Mutagenese mit Chemikalien oder Bestrahlung (mittlere Tiefe) und moderner Mutagenese mit Genom­editierung (hohe Tiefe) zu unterscheiden.

In vielen Fällen macht eine Katego­risierung nach Eingriffstiefe, die den Prozess, aber nicht das Produkt der Veränderung bewertet, wenig Sinn. Das Gras Thinopyrum elongatum wird in der Weizen­züchtung als Quelle für Resistenz­gene gegen verschiedene Krankheiten, darunter Körner­fusariose, verwendet. Allerdings führt die Einkreuzung von Resistenz­genen von Wildpflanzen oft zu einem Ertrags­verlust, weil zusätzliche, nachteilige Gene eingeführt werden. Eine Genom­analyse identi­fizierte Fhb7 als Resis­tenzgen gegen Körner­fusariose und eine anschließende gentechnische Trans­formation verschiedener Weizen­sorten mit diesem Gen zeigte, dass es als Resistenz­quelle hochwirksam ist, ohne nachteilige Effekte auf den Ertrag zu haben [5]. Kleine Ironie am Rande: Das Fhb7-Gen ist über einen natürlichen horizontalen Gentransfer von einem endo­phytischen Pilz auf die Wirtspflanze Thinopyrum elongatum über­gesprungen. Um im Bild der Eingriffstiefe zu bleiben: Im Falle einer Rück­kreuzung wird deutlich mehr Fremd-DNA in das Weizen­genom eingeführt und dabei ein schlechteres Ergebnis erzielt als mit einer gen­technischen Trans­formation des gleichen Gens, bei dem keine zusätzliche DNA übertragen wird. Gleiches Produkt bei unter­schiedlicher Eingriffstiefe: Müsste nicht die durch eine Kreuzung entstandene Pflanze genauso wie die GVO-Pflanze (von Gentechnisch veränderter Organismus) bewertet werden?

Weitere Kritikpunkte sind eine fehlende Rück­holbarkeit von frei­gesetzten GVOs, das Risiko ihrer unkon­trollierten Ausbreitung und die Entstehung von Super­unkräutern durch Auskreuzung. Mit Genome Editing kann mittlerweile ein breites Spektrum von Verän­derungen erzeugt werden. Diese reichen von der Mutation eines Nukleotids durch einen induzierten Doppel­strangbruch bis zum Einfügen eines neuen Stoff­wechselwegs mittels induzierter Mutationen und dem Einfügen artfremder DNA. Muss eine Reissorte, bei der eine natürliche Resistenz gegen Reisbrand durch Genome Editing eines Nukleotids „nachgebaut“ wurde [6], der gleichen Risiko­prüfung unterzogen werden, wie eine Reissorte, bei der durch Genom­editierung eine Genkassette eingefügt wurde, um den Provitamin-A-Gehalt des Korns zu erhöhen [7]? Totum pro parte, das Ganze für einen Teil nehmen: Eine solche Argu­mentation funktioniert in diesen Beispielen nicht.

Der Blick in die Natur und Züchtungs­geschichte mit Omics-Analysen und eine zunehmende Zahl von Studien zu Genfluss, Hybridi­sierung, Spezies­interaktionen in Pflanzen ermöglichen es, ökologische Risiken der Freisetzung genom­editierter Pflanzen viel besser a priori abzuschätzen und somit eine Risiko­prüfung im Sinne eines evidenz­basierten Vorsorge­prinzips zu gestalten.

Das umgekehrte Argument ist pars pro toto, den Teil für das Ganze nehmen. Dieser Fehlschluss lässt sich am Beispiel von Gene Drives erklären. Gene Drives verändern die Mendelschen Regeln der Vererbung und können in wenigen Generationen zu einem Austausch von Varianten eines Gens in einer Population führen. Zum Beispiel können damit Männchen in Populationen von Malaria-über­tragenden Mückenarten sterilisiert werden, um die Population lokal zu reduzieren und so die Verbreitung der Krankheit einzuschränken. Gene Drives werden oft als Worst Case angeführt, um eine restriktive Regulierung der Genom­editierung insgesamt zu fordern, weil eine unkon­trollierte Ausbreitung dieses Systems zur Ausrottung von Arten führen könnte. In der Natur gibt es aber zahlreiche Beispiele für Gene Drives bei Säuge­tieren und Insekten. Sowohl natürliche als auch im Labor untersuchte Gene Drives zeigen in der Regel eine schnelle Evolution von Resis­tenzen gegen diese Systeme, weswegen sie nicht per se eine unbe­herrschbare Gefahr darstellen, sondern im Einzelfall betrachtet werden müssen. Man kann künstliche Gene Drives nicht als grund­sätzliches Pars-pro-toto-Argument gegen Genom­editierung insgesamt verwenden: Es wird zwar die gleiche Methode für die Genver­änderung verwendet, aber der damit erzeugte genetische Mechanismus unterscheidet sich grundlegend von einer einzelnen Punkt­mutation in einem Gen.

An dieser Stelle kann man auch eine weitere, gerne verwendete Strategie zeigen, indem man behauptet, dass es auch andere Prozesse gibt, die nicht kontrolliert werden können. Zum Beispiel in der biologischen Schädlings­bekämpfung, bei der Nützlinge durch Koevolution außer Kontrolle geraten können, oder beim Einsatz von kommerziellen Bestäuber­insekten, welche die genetische Zusammen­setzung und Pathogen­belastung von benachbarten Wildinsekten­populationen zu deren Nachteil beeinflussen [8]. Wenn niemand die Abschaffung von biologischer Schädlings­bekämpfung oder fremden Bestäubern fordert, wieso soll man dann Gene Drives verbieten? Eine solche Argu­mentation ist als Whataboutism (auch bekannt als Tu-quoque-Argument, von lateinisch „auch Du“) bekannt und beliebt, um von eigenen schwachen oder widerlegten Behauptungen abzulenken.

Die hier beschriebenen Beispiele sollen nicht als Verharm­losung der Genom­editierung dienen, sondern als Begründung, dass eine pauschale Ablehnung einer neuen Technologie mit allgemeinen Hinweisen auf Natürlichkeit oder das Vorsorge­prinzip nicht ausreicht und eine differenzierte Betrachtung notwendig ist. Das ist im Übrigen auch die Position der gemeinsamen Stellung­nahme der wissen­schaftlichen Akademien und der Deutschen Forschungs­gemeinschaft mit der Forderung, dass „eine korrekte Anwendung des Vorsorge­prinzips erstens die Bestimmung der möglicher­weise negativen Auswirkungen […] auf die Gesundheit und zweitens eine umfassende Bewertung des Gesundheits­risikos auf der Grundlage der zuver­lässigsten verfügbaren wissen­schaftlichen Daten und der neuesten Ergebnisse der inter­nationalen Forschung [erfordert]“.

Was aber, wenn die Kritik mit moralischen Argumenten geführt wird? Man hört oft, dass Genom­editierung nicht zu einem nach­haltigen Agrarsystem passe, weil sie auf Gene reduziert sei und sich für eine industrielle Landwirtschaft mit ihren riesigen Mono­kulturen eigne, aber keinen Beitrag zu einer auf Biodiversität, Ressourcen­schonung und System­orientierung setzende biologische Landwirtschaft leiste. Diese moralische Argumentation wird oft unterstützt durch scheinbar lustige Ausdrücke wie „Gentechnik-Fans“ oder dem Unwillen des Ökosektors zum „Mit-Crispern“. Gerne garniert man solche Aussagen mit Ad-hominem-Angriffen, indem man Forschenden vorwirft, sie würden sich zu Handlangern für die Gentechnik-Agenda der Industrie machen. Mit diesem Schwarz-Weiß-Denken und falschen Dichotomien redet man den eigenen Standpunkt stark und wertet die Gegenseite ab. Gegen­beispiele zeigen, dass eine solche Diskussions­strategie nicht mehr funktioniert. Für den in Asien weit verbreiteten Reisbrand hat die Arbeits­gruppe von Wolf Frommer von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf in Zusammenarbeit mit dem inter­nationalen Reisforschungs­institut (IRRI) Reissorten mit genom­editierten Resistenzen entwickelt [6]. Diese Sorten werden in einem humanitären Projekt mit molekularer Pathogen­diagnostik und digitalem Resistenz­monitoring zu einem nachhaltigen Resistenz­management­system verbunden, um die Züchtung neuer resistenter Sorten zu beschleunigen und Landwirten zur Verfügung zu stellen [9].

In Deutschland begegnet man der grünen Gentechnik immer noch mit Misstrauen. Es scheint eine Sehnsucht nach dem Ursprüng­lichen zu geben und eine Angst vor einer Kontrolle des Lebendigen durch wenige Wissen­schaftler und Unternehmen. Deswegen ist es wichtig, dass Forschende am öffentlichen Diskurs teilnehmen und zu einer sach­orientierten Information über Chancen und Risiken der Genom­editierung beitragen. Forschenden, die an öffentlichen Instituten arbeiten, kommt eine besondere Bedeutung zu. Sie müssen nicht Verbands- oder Unter­nehmens­positionen vertreten und können freier und offener über diese Technologie reden, sofern sie nicht über Ausgründungen, Patente und Berater­verträge Interessens­konflikte haben. Und ja, es macht auch Spaß, die Kunst des Argu­mentierens seinen Studierenden beizubringen und einen Beitrag zur Debatte zu leisten, sei es an einer Volkshochschule, dem Ortsverein einer Partei oder – nur mal nebenher – auf Twitter.

Referenzen

[1] Lammerts van Bueren und Struick (2004), doi: 10.1016/S1573-5214(04)80031-9
[2] Zhou et al. (2019), doi: 10.1038/s41477-019-0507-8
[3] Matveeva und Otten (2019), doi: 10.1007/s11103-019-00913-y
[4] von Gleich, Arnim; Lucas, Rainer; Schleicher, Ruggero; Ullrich, Otto: Blickwende in der Technologiepolitik. Westdeutscher Verlag.
[5] Wang et al. (2020); doi: 10.1126/science.aba5435
[6] Oliva et al., (2019); doi: 10.1038/s41587-019-0267-z
[7] Dong et al. (2020); doi: 10.1038/s41467-020-14981-y
[8] Bartomeus et al. (2020), doi: 10.1002/2688-8319.12012
[9] Eom et al. (2019), doi: 10.1038/s41587-019-0268-y

Literatur

Frank Rexroth: Fröhliche Scholastik – Die Wissenschaftsrevolution des Mittelalters. C.H.Beck (2018)

Carl Sagan: The Demon Haunted World – Science as a Candle in the Dark. Headline Book Publishing (1997). Deutsche Ausgabe: Der Drache in meiner Garage oder Die Kunst der Wissenschaft, Unsinn zu entlarven.

Zum Autor
Karl Schmid ist Professor am Institut für Pflanzenzüchtung, Saatgutforschung und Populationsgenetik der Universität Hohenheim bei Stuttgart. Unter @kjschmid twittert er rund um Gentechnik, Pflanzenzüchtung und Wissenschaft allgemein.

Kürzlich verfassten Schmid und weitere Kollegen aus der Pflanzen­forschung einen Offenen Brief an den baden-württem­bergischen Minister­präsidenten Winfried Kretschmann. Das Ministerium für Wissenschaft und Kunst hatte das erst kürzlich aufgelegte „Forschungs­programm Genome Editing – mit Biotechnologie zu einer nachhaltigen Landwirtschaft“ kurzfristig wieder zurück­gezogen. Im Brief heißt es: „In Ihren Reden und Ansprachen haben Sie wiederholt zu mutigen Entscheidungen im Hinblick auf die großen Heraus­forderungen unserer Zeit aufgerufen. Die Entscheidung des MWKs unter Ministerin Bauer, ein Forschungs­programm zum Genome Editing aufzulegen, war eine solche mutige und zukunfts­orientierte Entscheidung. Wir bitten Sie deshalb, sich für eine Klärung der im politischen Bereich aufgeworfenen Fragen zum Genome Editing einzusetzen, um in naher Zukunft eine erneute Ausschreibung dieses Forschungs­programms zu ermöglichen. Gerne sind wir bereit, mit Ihnen und anderen politischen Akteuren in einen Dialog zu treten und mit unserem Sachverstand zur Debatte beizutragen.“

Foto: Pixabay/Foto-Rabe; Montage: LJ




Letzte Änderungen: 04.08.2020