Editorial

Neues Jahr,
neue Diät

(02.01.2023) Lange halten die meisten – trotz Neujahrsvorsatz – eine Diät nicht durch. Die Chronobiologie hält eine einfacher umzusetzende Empfehlung bereit.
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Gänsebraten, Glühwein und viel zu viele Kekse. Die Weihnachtszeit spart wahrlich nicht mit Kalorien, denen man sich auch nur schwer entziehen kann. Nur einmal im Jahr so richtig schlemmen. Es schmeckt doch so gut.

Zwischen Weihnachten und Neujahr setzt dann häufig die Reue ein. Oder spätestens dann, wenn die Waage das eine oder andere Weihnachts­pfündchen anzeigt. Es wird Zeit, Vorsätze zu schmieden. Im neuen Jahr soll alles ganz anders werden. Mehr Sport treiben, sich gesünder ernähren – das steht auf den meisten Neujahrs-to-do-Listen ganz oben. Doch wie lange hält man wirklich durch? Natürlich ausgehend davon, dass man die Liste auch tatsächlich angefangen hat in die Tat umzusetzen.

Editorial

Rezept-Suche im Internet

US-Forscher haben sich das mit der gesunden Ernährung mal genauer angeschaut. „How long do people stick to a diet resolution“ heißt ihr Paper (Public Health Nutr, 23(18):3257-68). Und für dieses haben sie sich einer interessanten Methodik bedient, die als „digital epidemiology“ bezeichnet wird. In ihrem Fall befragten sie dafür keine Probanden via Internet, sondern nutzten die Google-Trends-Plattform, um zu ermitteln, wie häufig und zu welchem Zeitpunkt Abnehmwillige nach bestimmten Diät-Rezepten suchten.

Und Diäten gibt es ja bekanntlich viele. Die Autoren listen auf: Weight Watchers, Volumetrics, Flexitarian, Jenny Craig, Vegan, Raw Food, Mayo Clinic, SlimFast, Keto, Nutrisystem, Atkins, Mediterranean, Nordic, Macrobiotic, Paleo, Supercharged Hormone etc. pp. Jedes Jahr gibt es einen neuen Diät-Hype, nicht nur in den USA. Am beständigsten und bekanntesten ist noch immer die Weight-Watchers-Diät. So stellten die Autoren fest: „Weight Watchers evidenced a significantly larger jump in dieters every January compared with the other diets we studied, with a net increase of almost 130 % at the beginning of each new year.“ Zurück­zuführen wäre das, so die digitalen Epidemiologen, vor allem auf gut platzierte Werbung am Ende jeden Jahres.

Leben ohne Nudeln und Yoghurt

Wie lange aber halten die sogenannten New January Dieters durch? Das hängt logischerweise auch von der Diät ab. Allerdings: länger als sechs Wochen, also bis Mitte Februar, schafften es die wenigsten. Zumindest suchten sie dann nicht mehr aktiv nach neuen Rezepten im Internet. Die längste Durch­haltezeit (oder Compliance) verzeichneten dabei die Weight-Watchers- und Low-Carb-Diäten sowie die Paleo-Diät, die auch in Deutschland bekannt ist. Bei Letzterer wird auf alles verzichtet, was Steinzeit­menschen auch nicht gegessen hätten – weil es diese Lebensmittel damals einfach nicht gab. Dazu gehören Nudeln, Brot, Süßigkeiten oder Milchprodukte wie Yoghurt. Erlaubt sind Fleisch, Gemüse, Obst und Nüsse. „Die Durchführung der Paleo-Diät erfordert ähnlich wie bei Low-Carb-Diäten einen Bruch mit traditionellen Ernährungs­gewohnheiten, wenn etwa morgens Brot, Brötchen oder Müsli wegfallen und auf Milchprodukte verzichtet wird. Das kann die Compliance erschweren“, urteilt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Nicht überraschend daher: Gerade mal fünfeinhalb Wochen kamen New January Dieters, laut der Studie der US-Autoren, ohne diese gewohnten Produkte aus.

Noch schwieriger durchzuhalten ist offenbar die sogenannte South-Beach-Diät, die ein US-amerikanischer Promi-Arzt vor einigen Jahren entwickelte. Hier gilt es drei Phasen durchzustehen. Schon die erste ist eine Heraus­forderung: zwei Wochen lang sollen alle Carbohydrate vom Speiseplan gestrichen werden. Das kann, wie das US-Epidemiologen-Team erwähnt, durchaus mit unangenehmen Neben­wirkungen einhergehen: Kopfscherzen, Muskelkrämpfe, Durchfall, allgemeine Schwäche und nicht zuletzt Mundgeruch. Wahrscheinlich auch aus diesen Gründen googelten die Neu-Kaloriensparer spätestens nach drei Wochen nicht mehr nach South-Beach-Rezepten. Zu Recht, denn die Diät scheint auf recht wackeligen wissen­schaftlichen Fundamenten zu stehen. In einem Kommentar zum dazugehörigen Diät-Ratgeber von 2003 schreibt die Tufts University in ihrem Newsletter: „But like all too many popular diet books, this one is replete with faulty science, glaring nutrition inaccuracies, contradictions, and claims of scientific evidence minus the actual evidence.“

Nicht was, sondern wann

Egal, welche Diät, irgendwann wird der Heißhunger auf all die leckeren, aber ungesunden Speisen unbezwingbar. Das ist aber nicht so schlimm, wenn man nur auf eine einzige Sache schaut: Nicht „Was“ wir essen ist wichtig, sondern „Wann“. Chrononutrition heißt das Schlagwort und bedeutet, dass wir unser Essverhalten in Einklang bringen müssen mit unserem Biorhythmus. So kann der Körper Nährstoffe besonders vormittags gut verarbeiten. Außerdem, so schreiben die Kölner Autoren eines kürzlich veröffentlichten Nutrients-Papers, „a 16-h window each day without food is postulated as being good to protect against obesity, cardiovascular diseases, metabolic diseases, and possibly even cancer“. (14(15): 3177). Man muss also nicht auf die Kalorien schauen, sondern nur auf die Uhr.

Studien in Mäusen hätten gezeigt, so die Kölner, dass eine fetthaltige Ernährung weniger stark aufs Gewicht schlägt, wenn die Versuchstiere nur innerhalb eines Zeitraums von acht Stunden Futter bekamen. Die Kontrollgruppe konnte sich Tag und Nacht am Futternapf bedienen. Auch bei Menschen scheint das Prinzip zu funktionieren: Übergewichtige Probanden, die vier Monate lang nur während eines Zeitfensters von zehn bis elf Stunden pro Tag Nahrung konsumiert hatten, nahmen ab, konnten besser schlafen und fühlten sich insgesamt viel agiler. Die Effekte hielten ein ganzes Jahr an (Cell Metab, 22(5):789-98).

Die Kölner Forscher sehen in den weihnachtlichen Ernährungs­exzessen auch einen psychologischen Anreiz, das eigene Essverhalten per Neujahrs­vorsatz umzukrempeln. Und leichter als ein Verzicht auf Nudeln, Kekse und Co. würde da doch ein Blick auf die Uhr fallen. „Basing such resolutions on circadian science can be promising because they are – in their simplest form [“when to eat”] – easy and possibly sustainable. Of course, paying attention to calorie intake and food composition makes additional sense.“

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen einen guten Start ins neue Jahr.

Kathleen Gransalke & die Laborjournal-Redaktion

Bild: Pixabay/stevepb


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Letzte Änderungen: 02.01.2023