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Präzise Basenpaar-Verschieber

(11.01.2023) Verschiebungen des Leserasters sind für nicht wenige pathogene Mutationen verantwortlich. Frame-Editoren könnten sie in Zukunft korrigieren.
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Ein „insertion-inducing Frame Editor” (iFE) in Aktion

Seit der Entdeckung von CRISPR/Cas9 im Jahr 2012 hat sich viel bei der Genom-Editierung getan. Jedes Jahr werden neue CRISPR-basierte Techniken entwickelt, die das Methoden-Repertoire für gezielte Veränderungen des Erbguts vergrößern. Nach Basen-Editoren, Transposasen und Prime-Editoren gibt es nun einen weiteren Newcomer: Frame-Editoren.

Mit CRISPR-Cas-Nukleasen lassen sich zwar relativ einfach Veränderungen im Genom vornehmen, doch die Präzision lässt oftmals zu wünschen übrig – nach einem eingefügten Doppelstrang­bruch ist das System auf zelleigene Reparatur­mechanismen angewiesen, die fehler­behaftet sind. So werden bei der nicht-homologen Verknüpfung oder „non-homologous end-joining“ (NHEJ) die DNA-Enden oft falsch zusammen­gefügt, wodurch Insertionen oder Deletionen (Indels) entstehen können. Der seltenere Reparatur­mechanismus „microhomology-mediated end-joining“ (MMEJ) induziert Deletionen und ist ebenfalls für einen Teil der durch Cas9 verursachten Mutationen verantwortlich.

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Korrektur ohne Template

Zwar kann man mithilfe von DNA- oder RNA-Templates die Präzision der Genom-Editierung erhöhen, allerdings auf Kosten der Effizienz. Um sowohl Effizienz als auch Präzision für bestimmte Arten von Mutationen zu verbessern, hat Timothy K. Lus Team vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) zusammen mit Kollegen von der Hiroshima University sogenannte Frame-Editoren entwickelt, mit denen sich Frameshift-Mutationen präzise korrigieren lassen – und das ganz ohne Template.

Ziel des Forschungs­teams war es, die Häufigkeit einer speziellen Art von Indel zu erhöhen: Ein-Basenpaar-Indel-Mutationen, mit denen sich das Leseraster verschiebt lässt. Die Gruppe ging von der Hypothese aus, dass die um ein Basenpaar versetzte Schnittstelle der Cas9-Nuklease durch Polymerasen aufgefüllt werden kann, wodurch 1-bp-Indels entstehen. Um diese Annahme zu testen, stellte sie zwei Arten von Frame-Editoren her, indem sie die Cas9-Nuklease mit DNA-Polymerasen fusionierte. Beim „insertion-inducing Frame Editor” (iFE) ist Cas9 von Strepto­coccus pyogenes (SpCas9) an die DNA-Polymerase beta (POLB) gekoppelt (siehe Bild). POLB ist ein Schlüsselenzym bei der Basen-Exzisions­reparatur (base excision repair, BER), die Kopplung an SpCas9 sollte die Häufigkeit von 1-bp-Insertionen erhöhen. Der „deletion-inducing Frame Editor” (dFE) ist eine Fusion aus SpCas9 und der T4-DNA-Polymerase (T4pol). Letztere verfügt neben ihrer Polymerase-Aktivität auch über eine 3‘->5‘ Exonuklease-Aktivität, wodurch Blunt Ends entstehen. Ein SpCas-T4Pol-Fusionsprotein sollte also zu häufigeren 1-bp-Deletionen führen.

Probe aufs Exempel

Nach diesen Vorarbeiten charakterisierte Lus Mannschaft die durch die beiden Frame-Editoren eingefügten Mutationen. Hierfür verwendete sie sgRNAs für zwanzig verschiedene Regionen im Genom von HEK293T-Zellen. Next Generation Sequencing gab dann Aufschluss über die Art der eingefügten Mutationen.

Bei fünf der zwanzig getesteten sgRNAs erhöhte der iFE die Häufigkeit von 1-bp-Insertionen signifikant – im Schnitt um das 1,8-Fache verglichen zur Editierung mit SpCas9 allein. Gleichzeitig reduzierte sich die Frequenz anderer Mutationen, zum Beispiel größeren Insertionen oder Deletionen. Die eingefügte Base befand sich fast immer vier Basenpaare aufwärts der PAM-Sequenz, an der Cas9 schneidet. Dies bestätigte, dass POLB eine Insertion einfügt, indem es den von SpCas9 erzeugten Überhang auffüllt.

Wie sah es bei 1-bp-Deletionen aus? Mit der Hälfte der getesteten sgRNAs führte der dFE zu einer signifikanten Häufung von 1-bp-Deletionen – im Schnitt um das 2,6-Fache verglichen zur Editierung mit SpCas9. Zudem waren andere Mutations­arten seltener, ähnlich wie beim iFE.

Varianten bestimmen Präzision

Mit den beiden Frame-Editoren lassen sich also gezielt 1-bp-Indels einfügen. Doch wie effizient arbeiten sie? Die Gruppe beobachtete keine signifikante Veränderung der On-Target-Mutationsrate verglichen mit dem klassischen SpCas9-System. Dies deutete darauf hin, dass die Effizienz ausschließlich durch die Aktivität der Cas9-Nuklease bestimmt wird.

Neben der Effizienz ist jedoch auch die Präzision ein entscheidendes Kriterium für ein Genom-Editierungs-System. Das Forschungs­team fand eine ähnliche Off-Target-Frequenz für Frame-Editoren und die SpCas9-Nuklease. Es testete auch zwei weitere Cas9-Varianten, die eine höhere Präzision aufweisen als SpCas9: High Fidelity Cas9 (HiFi Cas9) und LZ3 Cas9. Frame-Editoren mit diesen Cas9-Varianten wiesen weniger Off-Target-Effekte auf. Lu und Co. empfehlen daher bei sgRNAs, die mit einem hohen Risiko für Off-Target-Mutationen einhergehen (was sich mit diversen Online-Tools vorher­sagen lässt), Frame-Editoren mit einer der Hoch-Präzisions-Cas9-Varianten zu verwenden.

Pathogene Verschiebungen

Frameshift-Mutationen machen lediglich 0,07 Prozent der Einträge in der Single Nucleotide Polymorphism Database des NCBI aus. Betrachtet man ausschließlich pathogene Mutationen, so erhöht sich der Anteil jedoch auf 34 Prozent. Zu diesen zählt auch eine Mutation im RAI1-Gen, die das Smith-Magenis-Syndrom verursacht. Mit einer gezielten 1-bp-Deletion versuchte das US-Team in einem Proof-of-Principle-Experiment, diese pathogene Frameshift-Mutation zu korrigieren. Die hierzu nötigen sgRNAs für den dFE designte es mit dem gängigen Tool inDelphi. Verglichen mit SpCas9 erhöhte der dFE die Häufigkeit von 1-bp-Deletionen um das 2,3-Fache, was auf eine effizientere Korrektur der pathogenen RAI1-Frameshift-Mutation hindeutet.

Lu et al. sehen Frameshift-Editoren daher als vielversprechende neue Genediting-Werkzeuge, die man etwa in Gentherapien einsetzen könnte, um Frameshift-Mutationen präzise und effizient zu korrigieren.

Mihaela Bozukova

Nakade S. et al. (2022): Frame editors for precise, template-free frameshifting. bioRxiv, DOI: 10.1101/2022.12.05.518807

Bild: Nakade et al.




Letzte Änderungen: 11.01.2023