Editorial

Wie kriege ich mein Paper von den Räubern zurück?

(20.01.2023) Oh Schreck – das Journal, in dem mein letztes Paper erschien, hat sich als Raubjournal entpuppt! Was soll ich nur tun? …
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Stellen Sie sich vor, durch unglückliche Umstände ist ein feines Manuskript aus Ihrer Gruppe in einem dieser unsäglichen Raubjournale gelandet. Klar, Sie werden sagen: „Nie! Niemals kann mir das passieren!“ Das hoffen wir natürlich für Sie. Aber bekanntlich ist der Teufel ein Eichhörnchen – und wer weiß schon, ob nicht während Ihres Sabbaticals ein ahnungsloser Mitarbeiter ... Oder so ähnlich ...

Lassen wir uns also einfach mal gedanklich auf dieses Szenario ein: Ungewollt ist Ihr Paper bei einem Raubjournal erschienen – das Kind liegt also im Brunnen. Wie kriegen Sie es da jetzt wieder heraus? Denn dass Sie es da wieder heraus haben wollen, ist klar. Zwar wirbt „Ihr“ Raubjournal damit, dass es in den einschlägigen Literaturdatenbanken wie Web of Science und Co. enthalten ist – aber das ist glatt gelogen. Und da „Ihr“ Raubverlag zudem auch keine müde Sekunde darauf verwendet, dass die veröffentlichten Artikel – beispielsweise via Suchmaschinenoptimierung (SEO) – möglichst leicht online auffindbar sind, stellen Sie mit Erschrecken fest: Ihr Paper ist so gut wie unsichtbar! Und wenn es kaum jemand registriert, wie soll es dann angemessen gewürdigt und zitiert werden?

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Es gibt keinen Königsweg

Klarer Fall, also: Sie wollen das Paper zurückziehen. Doch der Verlag steckt Ihren Anfragen und Bitten zum Trotz einfach den Kopf in den Sand. Null Reaktion! 

Was könnten Sie jetzt tun? Das Manuskript einfach noch mal bei einem seriösen Journal einreichen? Immerhin schreiben die „Räuber“, dass alle Artikel unter Crea­tive-Commons-Lizenz verfügbar sind – womit wenigstens kein Urheberrecht verletzt würde. Aber würden Sie unabhängig davon mit einer derartigen Doppelveröffentlichung nicht die gängige Publikationsethik verletzen? Wohl schon.

Vielleicht wäre dies allerdings nicht ganz so schlimm, wenn Sie das Paper zusätzlich auf einem Preprint-Server zur Verfügung stellen. Klar doch – wie der Name schon sagt, nehmen die in aller Regel nur Manuskripte, bevor sie von einer Zeitschrift angenommen werden. Aber vielleicht, in solch einem Fall ... ?

Sie sehen, es gibt keinen Königsweg, auf dem Sie Ihre wertvolle Forschungsarbeit den Klauen eines Raubverlags wieder entreißen können. Momentan bleiben wohl nur „kreative Lösungen“. 

Ralf Neumann

(Illustr.: iStock / sesame)

 

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Letzte Änderungen: 20.01.2023