Editorial

Zerschnippeln oder
Alarm schlagen

(23.01.2023) CRISPR-Cas kann nicht nur DNA schneiden. Über sekundäre Botenstoffe vermittelt es auch komplexe und schnelle Abwehrreaktionen auf Fremd-DNA.
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Gregor Hagelüken (li) und Niels Schneberger

Das adaptive prokaryotische Immunsystem CRISPR-Cas ist vor allem durch seinen Einsatz zur Genom­editierung bekannt geworden. Im Vordergrund steht dabei meist Cas9, eine Nuklease, die DNA wie eine maßgeschneiderte „Genschere“ präzise an bestimmten Stellen schneiden kann. CRISPR-Cas-Systeme sind aber deutlich vielfältiger. Vor allem Typ-III-Systeme können eine komplexe Abwehrreaktion auslösen. So besitzt das beteiligte Cas10-Protein eine Cyclase-Aktivität, mit der es aus ATP zyklische Oligoadenylate herstellen kann. Diese Ringe aus AMP-Bausteinen fungieren dann als sekundäre Botenstoffe, indem sie an Proteine mit einer CARF (CRISPR-associated Rossmann fold)-Domäne binden. CARF-Proteine können unterschiedliche Effektor­funktionen haben, die dann letztlich dazu führen, dass virale RNA entweder direkt zerstört wird oder die Wirtszelle die Infektion anderweitig abwehren oder überstehen kann.

Zwei Forschungsgruppen – eine deutsch-dänische und eine russisch-amerikanische – haben kürzlich einen Katalog von über 100 dieser CARF-Proteine publiziert, deren Funktion in vielen Fällen noch unbekannt ist. Nun hat ein Team um Gregor Hagelüken, Christophe Rouillon und Niels Schneberger vom Institut für Strukturbiologie der Universität Bonn, in Zusammen­arbeit mit weiteren Forscherinnen und Forschern aus Schottland und Deutschland, die Wirkungsweise eines dieser Proteine aus dem thermophilen Bakterium Sulfuri­hydrogenibium sp. YO3AOP1 aufgeklärt.

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Eine Schale voll Botenstoff

CalpL (CRISPR associated Lon protease) besitzt eine für Lon-Proteasen typische katalytische Dyade aus Serin und Lysin. Lon-Proteasen sind unter anderem für den Abbau der Antitoxine aus Toxin-Antitoxin-Systemen bekannt. Die Bonner Forscher konnten CalpL kristallisieren und in der Röntgen­struktur an seinem C-Terminus die Oligoadenylat-Bindestelle nachweisen: Zwei CARF-ähnliche Domänen setzen sich hier zu einer SAVED (SMODS-associated and fused to various effectors domains)-Domäne zusammen, wobei SMODS das Akronym für „second messenger oligonucleotide or dinucleotide synthetase“ ist.

„Bildlich gesprochen sieht die SAVED-Domäne ein bisschen aus wie zwei Hände, die man zu einer Schale formt, um Wasser zu schöpfen“, beschreibt Hagelüken. „Dabei sehen beide Hälften der Schale nicht ganz gleich aus, weshalb wir von Pseudo­symmetrie sprechen.“ Die sekundären Botenstoffe passen dann genau in diese Schale, deren positive Oberflächen­ladung die Bindung der negativ geladenen Oligo­adenylate erleichtert. „Bei Typ-III-CRISPR-Systemen kommen die AMP-Ringe in verschiedenen Größen mit bis zu sechs AMP-Bausteinen vor“, erklärt Schneberger, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Hagelüken und geteilter Erstautor der Publikation. „Wir haben diese getestet und nur für cA4 eine Bindung mit hoher Affinität gefunden.“ Eine Konformations­änderung von CalpL wurde durch diese Bindung nicht ausgelöst.

Analyse mit AlphaFold2

In der Nähe des calpL-Gens befand sich ein weiterer offener Leserahmen, der für ein Protein mit unbekannter Funktion codierte. Die Struktur­analyse mit AlphaFold2 legte nahe, dass dieses Protein – Hagelüken und Schneberger tauften es später CalpT für „Target“ – aus zwei unterschiedlich großen Domänen besteht, die durch einen flexiblen Linker miteinander verbunden sind. Das N-terminale Fragment (CalpT23) hat Ähnlichkeiten zum Toxin des Toxin-Antitoxin-Systems MazE-MazF, besitzt aber nicht dessen Nuklease-Aktivität. Das C-terminale Fragment (CalpT10) weist eine Immunglobulin-Faltung auf. Die Forscher konnten zeigen, dass CalpL und CalpT eine starke Affinität zueinander haben und einen 1:1-Komplex miteinander bilden. Dafür war nur die kleinere Domäne CalpT10 notwendig.

Kam nun der Botenstoff cA4 hinzu, spaltete die Protease CalpL das Zielprotein CalpT an einer Schnittstelle zwischen seinen beiden Domänen. Notwendig hierfür war die bei allen CalpT-Homologen konservierte Aminosäure A195. Wurde bei CalpL das katalytisch aktive Serin in der Protease­domäne ausgeschaltet, blieb CalpT dagegen intakt. Da die Bindung der Oligoadenylate keine Konformations­änderung von CalpL hervorrief, muss der Protease-Mechanismus irgendwie anders aktiviert werden. Von SAVED-Effektor­proteinen des verwandten CBASS-Systems (cyclic oligonucleotide-based antiphage signaling system) war bekannt, dass die Bindung der Botenstoffe eine Oligomeri­sierung auslöst. Dies konnte nun auch für CalpL bestätigt werden.

Ein weiterer Bindungspartner

Die nächste Frage war, wie es mit CalpT nach der Spaltung weitergeht. An dieser Stelle kam ein weiteres Protein ins Spiel, das im gleichen Operon wie CalpL und CalpT codiert wird: CalpS. Seine Sequenz hat Ähnlichkeit zur ECF-Familie der Sigmafaktoren, die die Transkription als Reaktion auf extrazelluläre Stress­bedingungen regulieren. Die Software AlphaFold2 schlug vor, dass CalpL, CalpT und CalpS in einem 1:1:1-Komplex aneinander binden – CalpL an CalpT10 und CalpS an CalpT23. Diesen Dreierkomplex konnten die Wissenschaftler tatsächlich nach Expression in E. coli nachweisen. Außerdem konnten sie zeigen, dass CalpS ohne Bindungspartner an die α- und β-Untereinheit der E.-coli-RNA-Polymerase bindet und somit vermutlich wirklich ein Sigmafaktor ist.

Die Bindung von CalpT blockiert CalpS wohl auf ähnliche Weise wie Anti-Sigmafaktoren die Bindung ihrer Gegenspieler an die RNA-Polymerase verhindern. Erst auf ein Signal hin wird der Sigmafaktor freigesetzt. So wird beispielsweise Sigma E von E. coli dadurch befreit, dass sein Membran-ständiger Bindungspartner RseA durch Intramembran-Proteolyse gespalten und später durch andere Proteasen vollständig abgebaut wird. Auffallend ähnlich zerfällt CalpT nach seiner Spaltung in zwei Domänen, von denen die größere an CalpS gebunden bleibt. Möglicherweise kommen im Folgenden weitere Proteasen zum Einsatz, um CalpS vollends zu befreien.

Schnelle Reaktion durch Proteasekaskade

Signalkaskaden aus Proteasen sind häufig in Situationen aktiv, in denen schnell auf äußere Stress­faktoren reagiert werden muss. Einen ähnlichen Nutzen hat wohl auch die bakterielle Calp-Kaskade wie Schneberger zusammenfasst. „Durch die Calp-Kaskade gibt es einen direkten Weg zwischen der Detektion von fremder DNA zum Transkriptions­apparat der Zelle. Wir denken, dass die Zelle damit ihren Stoffwechsel schnell auf ein Abwehr­programm umstellen kann.“

Als Nächstes wollen die Forscher klären, welche Gene von CalpS aktiviert werden. Grundsätzlich sei eine schaltbare Protease wie CalpL auch ein nützliches biotechno­logisches Werkzeug, wirft Hagelüken einen Blick in Richtung mögliche Anwendungen. „Vielleicht könnte man die Calp-Kaskade nutzen, um über ein Typ-III-CRISPR-System Mutationen im Genom einer Zelle zu erkennen und dann über die CalpL-Protease eine Reaktion auszulösen. Wir sind schon sehr gespannt, welche Anwendungen Forschende sich einfallen lassen werden.“

Larissa Tetsch

Rouillon C. et al. (2022): Antiviral signaling by a cyclic nucleotide activated CRISPR protease. Nature, DOI: 10.1038/s41586-022-05571-7

Bild: Pixabay/AlexanderStein & Uni Bonn (2)


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Letzte Änderungen: 23.01.2023