Editorial

Machen, Scheitern, Lernen, Machen

(09.02.2023) Dieser Zyklus führte iOmx Therapeutics zu einer Hochdurchsatz-Screening-Plattform für Checkpoint-Inhibitoren „der nächsten Generation“.
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Gegründet wurde iOmx 2016 als Spin-off des Deutschen Krebs­forschungs­zentrums von Mediziner Philipp Beckhove und Biotechnologe Nisit Khandelwal (im Bild). Wirkstoff-Hauptkandidat OMX-0407 – ein Small Molecule – bindet an die Protein­kinase SIK3 und beschreitet damit einen mecha­nistischen Weg, der von dem bereits etablierter Checkpoint-Inhibitoren abweicht. Nisit Khandelwal, Forschungs­leiter bei iOmx, über Hüte, potenziell schläfrige Neben­wirkungen und Wissenschaft als Kleister.

Herr Khandelwal, bevor wir in Moleküle und Technologien einsteigen, interessiert mich: Warum heißt Ihre Firma iOmx?
Nisit Khandelwal: Das ist eine recht spannende Geschichte, denn iOmx hieß nicht von Anfang an so. Als wir die Idee der Screening-Plattform den ersten Investoren vorstellten, war ihr Name noch ImModutome oder ImModutex. Ich wollte damals, dass der Name das repräsentiert, was unsere Plattform macht, nämlich eine Immun-Checkpoint-Landschaft aufzudecken. Es gibt ein Tumor-Genom, ein Tumor-Proteom, ein Epigenom. Und dann ist da eben noch das immun­modula­torische Profil des Tumors, das Immodutom. Die Technologie nannten wir entsprechend InModutex. ImModutome klang den Investoren aber zu sehr nach Imodium [Anm. d. Red.: Imodium ist ein Durchfall-Medikament]. Das wollten wir nicht.

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Also haben Sie den Namen etwas angepasst?
Khandelwal: Genau. Das I blieb, es steht einfach für Immun­onkologie oder Immun-Checkpoints. Analog zu Genomics, Transcriptomics und so weiter wollten wir die Endung „omics“ übernehmen. Aus Iomics wurde dann iOmx. Das ist schön kurz und klingt nicht wie ein Medikament. [lacht]

Sie erwähnen die Screening-Plattform, das Herzstück von iOmx. Was kann iOTarg?
Khandelwal: Es handelt sich um eine Plattform zur Entdeckung von immun­onkologischen Targets, kurz IO-Targets oder eben iOTarg – in Anlehnung an iOmx. In einfachen Worten geht es um die Frage, welches Gen in einem Tumor dafür verantwortlich ist, die T-Zell-Antwort eines Patienten auszuschalten. Normaler­weise löst das Immunsystem eine Immunantwort auf einen Tumor aus. Manchmal macht es das aber nicht, beziehungsweise die Antwort wird durch Faktoren aus der Tumor­umgebung aktiv unterdrückt. Für die Regulation sorgen die sogenannten Immun-Checkpoints. iOTarg ermöglicht es, jedes Gen in menschlichen Tumorzellen einzeln auf seine Fähigkeit hin zu untersuchen, einen T-Zell-Angriff zu unterstützen oder ihm zu widerstehen. All das machen wir außerhalb des Patienten, aber mit Patienten­material. Damit ist unsere Plattform nächstmöglich am Patienten und stellt die komplexe menschliche Tumorbiologie optimal dar.

Mit der Proteinkinase SIK3 haben sie ein potenzielles Targetmolekül für Checkpoint-Inhibitoren gefunden, welches sich von den klassischen Targets unterscheidet. Denn es sitzt nicht als Rezeptor auf der Zelle, sondern agiert als Kinase in einer Zelle. Damit beschreiben Sie einen neuen mecha­nistischen Weg der Immun­modulation. Gibt es besondere Heraus­forderungen bei solchen Entwicklungen?
Khandelwal: Unsere Plattform arbeitet systematisch, wir stoßen dadurch automatisch auf neue Target-Klassen. Das ist der Sinn eines Screenings – etwas Neues zu finden. Und das ist extrem spannend. Aber natürlich stehen wir immer mal wieder vor Hürden, weil für einige neue Targets schlichtweg die Instrumente fehlen, sie zu untersuchen.

Zum Beispiel?
Khandelwal: Wir haben bereits mit Targets gearbeitet, für die es keine färbenden Antikörper gab. Das erschwert den Umgang mit neuartigen Zielmolekülen und bedeutet deutlich mehr Einsatz. Aber im Erfolgsfall auch einen hohen Ertrag. Und natürlich einen hohen Nutzen für Patienten. Denn mit den neuen Targets kommen weitere Mechanismen der Immun­suppression ans Licht, die zuvor nicht bekannt waren. Die sind für bestimmte Patienten­kohorten relevant, die auf bekannte Medikamente nicht ansprechen. Daher sind neue Targets und Mechanismen eine Bereicherung und wichtig für den zukünftigen Erfolg von Immun­therapien.

SIK3 ist ja nicht nur als neues Ziel für Checkpoint-Inhibitoren spannend. Offenbar spielt es auch in der Schlaf­regulierung eine Rolle. Was für Folgen hat das für eine Krebsbehandlung?
Khandelwal: Kinasen sind evolutionär hochkonserviert und modulieren über nachgeschaltete Komponenten teils viele Transkriptions­faktoren. Für Mitglieder der SIK-Familie [SIK steht für salt-induced kinase; Anm. d. Red.] wie SIK3 kennen wir Verbindungen zum Fettstoff­wechsel und eben dem zirkadianen Rhythmus. Die Schlafasso­ziation stammt aus Experimenten mit Drosophila. Ob und wie das beim Menschen auftritt, werden wir sehen. Dennoch ist das Phänomen natürlich interessant und wir werden in den klinischen Studien mit dem SIK3-Inhibitor die Schlafmuster unserer Probanden auf jeden Fall gut beobachten. Wir dürfen allerdings nicht vergessen, dass wir auch Krebspatienten im Endstadium behandeln. Da gehören Schlaf­störungen sicherlich nicht zu den schwer­wiegendsten Neben­wirkungen einer Therapie. Generell treffen wir bei unserer Entwicklungs­arbeit immer wieder auf interessante wissen­schaftliche Entdeckungen. Wir müssen dann abwägen zwischen wirtschaftlichen Interessen und der akademischen Neugierde, dem wissen­schaftlichen Hut.

Können Sie in einer Firma wie iOmx weiterhin ab und zu den wissen­schaftlichen Hut aufsetzen?
Khandelwal: Oh ja! Ich denke, das muss Teil meines Jobs als Forschungs­leiter bleiben. Zumal wir ein Industrie-erfahrenes Management-Team haben, das die unterneh­merischen und wirtschaftlichen Themen immer klar im Blick hat. Aber als Gründer gibt es bei mir selbst manchmal einen Kampf zwischen dem wissen­schaftlichen und dem strategischen Hut. [lacht] Ich lerne und entwickle mich weiter, zumal ich – nach meiner wissen­schaftlichen Karriere – das erste Mal ein Unternehmer bin. Das ist manchmal ein Zyklus von Machen, Scheitern, Lernen, Machen. Es ist notwendig, Wissenschaft und strategisches Denken zu vereinen. Wenn aber unterneh­merische Strategie zum alleinigen Entscheidungs­träger wird, wird das im Hinblick auf Innovationen nicht funktionieren. Also, lassen Sie es mich so sagen: Bei mir herrscht ein gesunder Wettbewerb zwischen den beiden Hüten, sie ko-existieren friedlich.

Sie sind von der akademischen Forschung direkt in die Firmen­gründung „gestolpert“, wenn ich das so sagen darf [mehr zur Entstehungs­geschichte von iOmx erfahren Sie im Artikel „Auf anderen Wegen“ aus dem aktuellen LJ-Magazin]. Gestartet sind Sie zu zweit, knapp sieben Jahre später beschäftigt iOmx rund 45 Mitarbeiter, Tendenz steigend. Nun sprechen Sie von Machen und Lernen, aber auch vom Scheitern. Haben Sie es bereut, iOmx gegründet zu haben?
Khandelwal: Nein, überhaupt nicht. Eines der Dinge, die mir bei iOmx am Herzen liegen, ist klar die Wissenschaft. Das ist wie das Baby, das man als Gründer zur Welt bringt und das man fördern möchte. [lacht] Während dieser Reise hatten wir stets ein fantastisches Team. Ich freue mich, von freundlichen, leiden­schaftlichen und brillanten Menschen umgeben zu sein, von Gleich­gesinnten, die ihr Ego beiseite schieben und perfekt zusammen­arbeiten können. Auch ihretwegen komme ich jeden Tag gern zu Arbeit. Klar, manchmal herrschen Druck und Anspannung, etwa wenn Investoren auf Fristen pochen. Trotzdem – es gibt hier schon einen iOmx-Spirit, mit dem Team als Funken und der Wissenschaft als Kleister, der alles zusammenhält.

Die Fragen stellte Sigrid März

Lesen Sie mehr über iOmx im aktuellen Laborjournal-Magazin (1-2/2023), etwa wie iOmx sein aktuelles Haupttarget, die Serin-Threonin-Proteinkinase SIK3, beinahe übersehen hätte.

Steckbrief iOmx Therapeutics
Gründung: 2016
Sitz: Martinsried
Mitarbeiter: rund 45
Produkt: Hochdurchsatz-Screening-Plattform für Checkpoint-Inhibitoren iOTarg

Bild: iOmx (2)


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Letzte Änderungen: 09.02.2023