Editorial

Das Recht am Peer Review

(21.04.2023) Wie wäre es, wenn die Gutachter frei über die Verwertungsrechte an den von ihnen verfassten Peer Reviews verfügen könnten?
editorial_bild

Nette Geschichte, die Pandelis Perakakis von der Universidad Complutense in Madrid dazu auf seiner Website über den Kollegen Angel Correa vom Brain, Mind & Behaviour Research Center der Universität Granada notiert hat. Dieser hatte von einem Elsevier-Editor die Einladung erhalten, ein eingereichtes Manuskript für eines ihrer Journals zu begutachten. Correa schrieb zurück, dass er dies gerne tun würde — allerdings unter einer Bedingung: Würde das Paper am Ende zur Veröffentlichung akzeptiert, sollte das Journal seinen Review in der gleichen Ausgabe mit veröffentlichen — als „Kommentar“ oder wie auch immer, aber auf jeden Fall frei zugänglich via Open Access.

Correa lieferte auch eine Begründung dafür. Als Wissenschaftler im Staatsdienst habe er entschieden, seine Arbeitszeit nicht völlig selbstlos in das Interesse von Journals zu investieren, die privatwirtschaftliche Zwecke verfolgen.

Editorial

Pflicht zum Peer Review?

Der Editor antwortete daraufhin zunächst schnippisch, dass er Correas Entscheidung, nicht mehr am Scientific Process teilzunehmen, sehr bedauere. In einer zweiten Mail schob er jedoch nach, dass er nach seiner Auffassung gerade als Staatsbediensteter die Verpflichtung habe, der Peer-Review-Anfrage nachzukommen. Dies nicht nur, weil auch seine Institution dafür zahle, dass dessen Verlag einen ordentlichen Peer-Review-Prozess organisiert und durchführt — sondern weil die Wissenschaftsgemeinde schlichtweg auf diese Art funktioniere. Schließlich erwarte er ja auch, dass seine Paper von Peers begutachtet werden.

Correa bemühte daraufhin zunächst einige Höflichkeitsfloskeln, um dann zu folgendem Schluss zu kommen: „Ich denke, es würde meiner Selbstverpflichtung zu Open Science auch Genüge tun, wenn ich als Autor des Peer Reviews die Rechte daran behalte, so dass ich diesen selbst veröffentlichen kann — vorausgesetzt natürlich, das Manuskript wird veröffentlicht. Geben Sie mir also bitte bescheid, ob Ihr Journal in diesem Fall die Verwertungsrechte bei mir, also dem Autor des Reviews, belässt.“

Eine Antwort darauf blieb bis heute aus.

Ralf Neumann

(Illustration via OpenAI's DAll-E2)

Weitere Artikel zum Thema "Peer Review im Wandel":

 

- Der Peer Review ist tot, ...

... lange lebe der Peer Review! Für eine echte Reform des Peer-Review-Prozesses müssen wir Wissen­schaftler auch bei uns selbst Dinge verändern ...

 

Künstlich-intelligente Wissenschaftsbegutachtung

Maschinelle Sprachverarbeitung und neuronale Netzwerke versprechen, Peer-Review-Verfahren zu beflügeln und von menschlichen Schwächen zu befreien. Evaluieren sie eventuell sogar wissenschaftliche Qualität effizienter? 

 

- Mainstream-Falle Peer Review

Peer Review funktioniert nur, wo es auch wirkliche Peers gibt. Aber kann das in den Wissenschaften überhaupt nahtlos der Fall sein? Gibt es tatsächlich immer und überall „ebenbürtige Experten“? …

 



Letzte Änderungen: 17.04.2023