Allein, aber nicht einsam
(25.05.2023) Wirkstoff-Entwicklung ist ein Projekt für viele kluge Köpfe. Dass man sowas auch fast alleine stemmen kann, beweist Hanna Harant mit Pivaris Bioscience.
Hanna Harant ist Gründerin, Geschäftsführerin und einzige Mitarbeiterin des Wiener Biotech-Start-ups Pivaris Bioscience. „Ich habe zwar allein gegründet, ich bin aber nicht allein“, erzählt sie und verweist auf ihre Kooperationspartner und Unterstützer. Zusammen mit den Instituten für Virologie der Universitäten Freiburg und Duisburg-Essen sowie der Medizinischen Universität Graz arbeitet Pivaris Bioscience an antiviralen Peptiden, die hauptsächlich gegen DNA-Viren eingesetzt werden sollen. Auch die Erfahrung aus ihren bisherigen Anstellungen half Harant bei ihrem Unterfangen.
Bereits während ihrer Dissertation beschäftigte sie sich mit der Entdeckung neuer Wirkstoffe. „Nach meiner Doktorarbeit habe ich dann einige Jahre bei Novartis in Wien im Bereich Drug Discovery gearbeitet“, erinnert sie sich. Schon kurz danach begann die Biotechnologin nebenberuflich an eigenen Projekten zu tüfteln. Hauptberuflich war sie zu der Zeit als Wissenschaftlerin bei der Wiener Ingenetix GmbH tätig. Für ihre eigenen Projekte konnte Harant die Laborräume ihres damaligen Arbeitgebers nutzen. Nach etwa 10 Jahren bei Ingenetix wird Harants Drang nach etwas Eigenem jedoch unwiderstehlich: „Im Jahr 2017 habe ich dann ein Einzelunternehmen gegründet, das ich 2019 in die Pivaris GmbH umgegründet habe“, erklärt Harant. Die Umgründung sei notwendig gewesen, um Förder- und Investorengelder einwerben zu können.
Nichts geschenkt
Dieser Prozess war nicht trivial und vor allem teuer, wie die Biotechnologin schildert: „Für Unternehmen fallen natürlich zum einen laufende Kosten, diverse Steuern und Gebühren an, zum anderen benötigt eine GmbH Stammkapital“.
Doch auch nach der Gründung stand die Finanzierung der frisch gegründeten Firma nicht auf den stabilsten Füßen. „Anders als für universitäre Einrichtungen sind Förderungen für privatwirtschaftliche Unternehmen immer an Eigenleistungen gekoppelt“, erläutert sie. „Das ist natürlich auf der einen Seite verständlich, wenn man aber noch nichts hat, was man direkt verkaufen kann, kommen da erhebliche Kosten auf einen zu.“ Dadurch sei die Gründung insbesondere für junge Gründungswillige oft nicht zu stemmen. Doch auch ein weiterer Umstand erweist sich als Nachteil, wie Harant schildert: „Investoren erwarten in der Regel eine klassische Teamstruktur bei Biotech-Unternehmen. Wenn man das, so wie ich, nicht bieten kann, schwindet das Interesse leider schnell.“
Kein Eintritt für Viren
Die Biotechnologin hat jedoch Glück, denn sie kann weiterhin die Laborräume ihres früheren Arbeitgebers Ingenetix nutzen. Unter dessen Dach werkelt sie zusammen mit ihren Kooperationspartnern derzeit unter anderem am Lead-Kandidaten TAT-I24. Dieser fungiert hauptsächlich als Entry-Inhibitor für DNA-Viren wie etwa das Herpes-simplex-Virus oder das Cytomegalievirus.
Diese Viren sind von besonderer Brisanz, da sie über lange Jahre versteckt im Körper schlummern und dann, etwa bei einer Immunschwäche, wieder ausbrechen können. „Das Peptid wirkt in den frühen Phasen der Virusinfektion. Es reduziert den Eintritt des Virus in die Zelle und kann auch die Transkription viraler Gene verhindern“, beschreibt die Biotechnologin die Wirkweise von TAT-I24. Gegenwärtig konzentriert sie sich darauf, die physikochemischen Eigenschaften des Wirkstoffs zu optimieren. „Das Peptid soll systemisch verabreicht werden. Dafür muss ich sicherstellen, dass es keine Aggregate bildet oder immunogen ist.“
Perspektivisch soll TAT-I24 als Breitband-Wirkstoff gegen DNA-Viren vor allem zur Prävention einer Reaktivierung eingesetzt werden. Zwar gäbe es bereits antivirale Wirkstoffe gegen diese Viren, jedoch sei auch hier die Resistenzbildung ein großes Problem.
Unbedingt dranbleiben
Anders als für viele Unternehmen, die antivirale Wirkstoffe entwickeln, wirkte sich die Corona-Pandemie negativ auf Harants Unternehmen aus. „Mit dem Beginn der Corona-Pandemie war es für mich schwierig, externe Förderung zu erhalten. Ich konnte mich aber mit molekularbiologischen Dienst- und Beratungsleistungen über Wasser halten und ein Kooperationsprojekt mit der Medizinischen Universität Graz beginnen“, erklärt sie.
Seit 2023 erhält die Pivaris Bioscience GmbH nun wieder eine Forschungsförderung und die Biotechnologin kann sich voll auf die Entwicklung ihres Wirkstoff-Kandidaten konzentrieren. Als nächster Meilenstein soll dieser 2024 im Tiermodell getestet werden. Für die weitere Entwicklung von TAT-I24 sei auch der Aufbau eines Teams angedacht. Forschung wie die von Pivaris Bioscience sei bitter nötig, findet Harant, und schließt mit einem Appell: „Ich habe das Gefühl, jetzt nach Corona will keiner mehr etwas von mikrobiellen Erkrankungen wissen. Es ist aber wichtig dranzubleiben, denn durch die klimatischen Veränderungen und die zunehmende Weltbevölkerung wird es erneut zu gefährlichen Virusinfektionen kommen.“
Tobias Ludwig
Bild: Pixabay/Bru-nO
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