Editorial

CLEVERes Engineering
von RNA-Viren

(07.06.2023) Die Analyse und Manipulation von RNA-Viren geht oft mit langwierigen Klonier­arbeiten einher. Schneller ist eine PCR-basierte Strategie aus Basel.
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Es gab Momente, in denen glich die Corona-Pandemie einem Wettrennen zwischen Virus und Wissenschaft. Eine Virusvariante jagte die nächste und niemand konnte sagen, welche Auswirkungen die jeweils neueste Mutation auf das Krankheitsbild einzelner Patienten oder gar den Verlauf der gesamten Pandemie haben würde. Die Beschreibung der Mutationen war dabei für die Forschung noch der leichteste Part. Sequenzieren geht heutzutage schließlich schnell.

Schwieriger ist es, die Auswirkungen lebender Viren zu untersuchen, denn dazu müssen diese erst in Zellkulturen gezüchtet werden. Dass SARS-CoV-2 ein RNA-Genom besitzt, mit rund 30 kb noch dazu ein ziemlich großes, macht die Sache nicht gerade einfacher. Schließlich verwenden Molekular­biologen üblicherweise DNA als Ausgangsmaterial für die Manipulation von Genomen. Um jedoch aus einem umfangreichen RNA-Genom wie dem von SARS-CoV-2 eine durchgängige cDNA zu generieren, sind aufwendige Klonierungen notwendig, die viel Zeit kosten.

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Test an SARS-CoV-2

Thomas Klimkaits Gruppe an der Universität Basel entwickelte eine PCR-basierte Methode, mit der Virus-Forscher schnell und unkompliziert infektions­kompetente Viren in verschiedenen Säuger-Zelllinien erzeugen können. Aufbauend auf einem zuvor publizierten Verfahren (EMBO Reports, 23:e53820) testete das Team die Technik an SARS-CoV-2. Dazu schrieb es die RNA des Virus zunächst in cDNA um und unterteilte das Virusgenom danach in acht Abschnitte (später vier). Upstream der 5‘-untranslatierten Region (5‘-UTR) klonierte die Gruppe einen CMV-Promotor, downstream der 3‘-UTR verschiedene regulatorische Elemente. Mit einer PCR und entsprechenden Primern fügten die Forscher danach überlappende Sequenzen von 100 Basenpaaren in benachbarte cDNA-Fragmente ein, bevor sie diese schließlich ohne weitere Klonierungen in HEK293T-Zellen einschleusten.

Die Rekombination der cDNA-Fragmente erledigten die Zellen für die Forscher, indem sie die überlappenden Enden durch homologe Rekombination zu einer durchgängigen cDNA des gesamten Virusgenoms verbanden. Auch die Transkription der cDNA zu einer viralen Plus-Strang-RNA lief in den transfizierten Zellen wunschgemäß ab. Übertrug die Gruppe den Überstand der transfizierten HEK293-Zellen auf Vero-E6-Zellen, zeigten diese die typischen cytopathischen Effekte, die durch eine Virusinfektion ausgelöst werden. Im Gegensatz zu HEK293-Zellen exprimieren Vero-E6-Zellen ACE2-Rezeptoren, die SARS-CoV-2 als Einfallstor in die Zellen nutzt – der Überstand enthielt also offensichtlich funktionsfähige rekombinante SARS-CoV-2-Viren, die in die Vero-E6-Zellen eindringen und sich in diesen vermehren konnten.

Wie der Wildtyp

Die Infektionsfähigkeit der rekombinanten Viren überprüften die Virologen ebenfalls an Vero-E6-Zellen. Tatsächlich war sie ähnlich ausgeprägt wie bei Wildtyp-Viren. Auch in Aufnahmen mit dem Transmissions-Elektronen­mikroskop unterschieden sich die rekombinanten Viren nicht vom Wildtyp. Sie ließen sich sogar mit handelsüblichen Corona-Schnelltests nachweisen, da die Wissenschaftler auf die Einführung eines fremden Nucleocapsid-Proteins verzichtet hatten.

Um zu verhindern, dass sich die Sequenz bei der PCR oder während der Virusproduktion verändert, optimierten die Baseler das Protokoll. Für die PCR verwendeten sie eine High-Fidelity-Polymerase sowie eine hohe Template-Konzentration. Zudem beschränkten sie die Anzahl der Amplifi­kations­zyklen auf 25 und poolten mehrere Ansätze, bevor sie die Zellen mit der DNA transfizierten. Die Viren selbst erzeugten sie in Zellen, die die TMPRSS2 (die transmembrane Serinprotease Subtyp 2) exprimierten – TMPRSS2 verhindert, dass die für das Eindringen des Virus in die Zelle wichtige S1/S2-Schnittstelle auf dem Spike-Protein von SARS-CoV-2 verloren geht. Die Sorgfalt zahlte sich aus: In acht rekonsti­tuierten viralen Genomen wies Klimkaits Gruppe per Next Generation Sequencing lediglich einen Einzel­nucleotid-Polymorphismus (SNP) nach.

Äußerst flexibel

Als Nächstes untersuchte die Gruppe die Flexibilität der Methode. Variierte sie den GC-Gehalt sowie repetitive Sequenzen an Stellen, die sie zur Rekombination der cDNA verwendete, hatte dies keine Konsequenzen. Auch die Länge der Fragmente spielte lediglich eine untergeordnete Rolle – zwischen 500 bp und 9 kb war alles möglich. Außerdem ermöglicht es die Technik, die Fragmente des Virusgenoms ausgehend von unterschiedlichen Quellen herzustellen und sie untereinander frei zu kombinieren.

Auch genetische Manipulationen sind kein Problem: Durch entsprechende PCR-Primer können Punkt­mutationen, Modifikationen und spezifische Gen-Deletionen in das Virusgenom eingeschleust werden. So führte Klimkaits Gruppe mit entsprechenden Primern die N501Y-Mutation ein, entfernte das ORF3a-Gen oder hängte einen FLAG-Tag an das Virusprotein ORF8 an. Das funktionierte nicht nur reibungslos, sondern auch schnell: Lediglich zwei Wochen vergingen vom In-silico-Primerdesign bis zur Virusernte.

Um Virus-Isolate aus klinischen Proben direkt als PCR-Template verwenden zu können, konstruierte Klimkaits Mannschaft einen Linker der sämtliche nicht-viralen Sequenzen beherbergte, die für die Rekonstitution des Virusgenoms notwendig sind. Mithilfe des Linkers erzeugte sie schließlich innerhalb weniger Tage chimäre Viren, die Sequenzen des ursprünglichen Wuhan-Virus sowie Sequenzen der Omicron-Varianten BA.1 oder BA.5 enthielten. Danach ging das Team noch einen Schritt weiter und generierte direkt aus einem Isolat von Omicron BA.5 eine ORF3a-Deletions­mutante – ganz ohne weitere Klonierung oder DNA-Synthese.

Kein Wunder, dass die Baseler ihrer Strategie den Namen CLEVER (CLoning free and Exchangeable system for Virus Engineering and Rescue) gaben.

Angela Magin

Kipfer E. et al. (2023): Rapid cloning-free mutagenesis of new SARS-CoV-2 variants using a novel reverse genetics platform. bioRxiv, DOI: 10.1101/2023.05.11.540343

Bild: Maya Peters Kostman für das Innovative Genomics Institute




Letzte Änderungen: 07.06.2023