Editorial

Vier auf einen Streich

(23.08.2023) Flüssigchromatografie-Systeme haben meist nur eine Säule. Ein neues Open-Source-System reinigt Proteine auf vier parallel arbeitenden Säulen.
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Sie haben gerade ein Zellextrakt auf die Affinitäts­säule aufgetragen, um ein Protein zu reinigen. Viel effizienter wäre es jedoch, mehrere Proben in einem Abwasch bearbeiten zu können. Stellen Sie sich vor, vier Säulchen stünden nebeneinander und Sie könnten jeweils separate Wasch- oder Elutions­lösungen durch diese laufen lassen, um unterschiedliche Proteine mit den einzelnen Säulen zu reinigen. Meist will man ja nicht nur mit einem einzigen Protein arbeiten, sondern mit verschiedenen Proben beispielsweise Interaktions­studien, Kompetitions­assays oder ähnliche Experimente durchführen. Da wäre es praktisch, die hierzu nötigen Proben ohne große Verrenkungen oder Nachtschichten gleichzeitig in einem Durchlauf gewinnen zu können. Mit einem automatischen Open-Source-Protein­reinigungs­system mit vier Kanälen, das Rafael Gómez-Sjöbergs Gruppe am Chan Zuckerberg Biohub in San Francisco konstruiert hat, ist dies tatsächlich möglich. Das aus elektronischen Komponenten und Teilen aus dem 3D-Drucker hergestellte System ist mit Produktions­kosten von circa 13.000 Euro nicht ganz billig – dafür erhält man aber auch ein komplexes System mit Touchscreen-Bedienung, das in der Premiumklasse angesiedelt ist.

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Flaschen, Schläuche, Racks und Touchscreen

Die Einkaufsliste und den Zusammenbau der verschiedenen Bauteile beschreibt das Team in dem bioRxiv-Manuskript en detail, und auch die zur Steuerung des Geräts benötigte Software stellt es „Open Source“ bereit. Die einzelnen Komponenten sind an einem maßgeschneiderten Alu-Gestell (HxBxL: 65 cm, 57 cm, 37 cm) fixiert beziehungsweise daran platzierbar. Halterungen für Säulchen, Probengefäße et cetera sind aus dem Kunststoff Acetal gefertigt, Acryl würde durch Lösungsmittel wie zum Beispiel Ethanol oder Isopropanol brüchig werden. Auf den ersten Blick sieht das Instrument aus wie eine aufgeschnittene HPLC-Anlage: Es ist mit Flaschen bestückt, von denen dünne Schläuche abgehen, enthält Säulen sowie Racks für Probengefäße und einen Touchscreen zur Bedienung.

Bis zu acht Puffer können parallel verwendet und beliebig auf vier nebeneinander stehende Säulen geleitet werden. Von den acht Puffer-Flaschen führt jeweils ein Schlauch zu einem gemeinsamen Achter-Drehventil. Wird ein bestimmter Puffer angesaugt, teilt ihn der nach dem Drehventil angeordnete „Flow Splitter“ auf. Vom Flow Splitter gehen vier kurze Schläuche ab, einer für jede Säule.

Drei Dreiwege-Ventile pro Säule

Vor jede Säule ist ein separat steuerbares Dreiwege-Ventil positioniert, gefolgt von einer Peristaltik­pumpe und einem weiteren Dreiwege-Ventil, um den Flüssigkeits­zufluss kontrollieren zu können. Die Ventile sind als Magnetventile ausgelegt, die sich öffnen, wenn ein Strom fließt. Insgesamt sind zwölf Stück verbaut, nämlich drei pro Säule. Beim ersten Ventil sind die drei Wege: Probeneingang, Puffereingang sowie Ausgang zu einer Peristaltik­pumpe. Von der Peristaltik­pumpe führt der Schlauch weiter ins zweite Dreiwege-Ventil, das die empfangene Flüssigkeit entweder auf die Säule oder in einen gemeinsamen Sammelbehälter entlädt. Am Säulenausgang geht es weiter über einen Gegendruck-Regulator in das dritte Dreiwege-Ventil. Dieses kann die von der Säule empfangene Flüssigkeit entweder in den Abfallbehälter oder in den Fraktionen-Sammler lenken. Hierfür stehen wahlweise mit einem austauschbaren Rack je zehn 1,5-Milliliter- oder je zehn 5-Milliliter-Gefäße bereit, die gemeinsam mit vier 50-Milliliter-Gefäßen positioniert werden können.

Im Betrieb werden prinzipiell alle vier Säulen angesteuert. Soll eine Säule nicht verwendet werden, wird die Flüssigkeit statt auf die jeweilige Säule direkt in den Abfallbehälter geleitet. Ganz ähnlich funktioniert auch das Sammeln der Fraktionen.

Vier bis 21 ml pro Minute

Als Steuerkomponenten des Geräts dienen eine eigens von der kalifornischen Gruppe designte Leiterplatte, ein Spannungs­regulator sowie ein Raspberry-Pi-Mini-Computer. Die Bedienung erfolgt über den Touchscreen. Wer den Bauplan abarbeitet, kann mit der vorgegebenen Software am Touchscreen verschiedene Parameter einstellen. Technisch Versierte können die Software auch direkt an ihre Wünsche anpassen. Das Protein­reinigungs­system arbeitet je nach gewähltem Innenschlauch-Durchmesser mit Flussraten von vier bis 21 Milliliter pro Minute.

Nachdem die Forschenden mit einer PBS-Lösung sichergestellt hatten, dass die Fließraten über zwei Stunden hinweg konstant bleiben, reinigten sie Proteine auf vier parallel installierten HisTrap-Säulen. Zuerst verwendeten sie viermal die selbe Probe (SARS-CoV-2-Spike-Protein aus transfizierter Zellkultur), dann vier verschiedenen Proteine (monoklonale Antikörper sowie Kaninchen­serum für polyklonalen Antikörper). Welche Fraktionen aufgefangen werden sollten, bestimmte das Team in Vorversuchen. In Eluaten aus ein bis zwei Säulenvolumina befanden sich für alle vier Protein­isolierungen über 95 Prozent des gesamt eluierten hochreinen Proteins.

Damit der Gegendruck regulierbar bleibt, sollten Proben vor dem Auftragen unbedingt filtriert werden, betont die Gruppe. Viskose Proben zu laden, ist möglich, dauert aber je nach Probe unterschiedlich lange. Hierfür haben Gómez-Sjöberg und Co. eine Pause-Option in ihrem System vorgesehen.

Andrea Pitzschke

Puccinelli R. et al. (2023): Open-source milligram-scale, four channel, automated protein purification system. bioRxiv, DOI: 10.1101/2023.08.09.552685

Bild: David S. Goodsell/RCSB PDB (CC-BY-4.0) & Pixabay/OpenClipart-Vectors (Putzfrau)




Letzte Änderungen: 23.08.2023