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Genome mit Klick editieren

(20.09.2023) Click-Editoren nehmen umgeschriebene DNA-Templates mit einem Klick an die Leine und integrieren sie an der richtigen Stelle in das Genom.
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Stellen Sie sich vor, CRISPR/Cas wäre nie entdeckt worden. Ohne die Technologie per se auskommen zu müssen, wäre schlimm genug – noch deprimierender ist aber die Vorstellung, auf die vielen kreativen Variationen von CRISPR/Cas verzichten zu müssen. Jüngstes Beispiel dafür ist Click-Editing, bei dem auch die Nuklease Cas mit von der Partie ist. Die Strategie ist dennoch gänzlich neu und könnte mit den Schwachstellen von CRISPR/Cas aufräumen.

Beim Editieren mit CRISPR/Cas wird bekanntlich ein Doppelstrangbruch provoziert. Dieser schließt sich aber nicht immer wie geplant, sondern lässt unkalkulierbare Insertionen oder Deletionen (Indels) zurück. Für die Beseitigung der Bruchstelle sind zelleigene Reparatur­mechanismen zuständig. Wer auf die Homologie-gerichtete Reparatur (Homology-Dependent Repair, HDR) setzt, ist automatisch auch vom Zellzyklus (S- und G2-Phase) abhängig. Basen-Editoren, die aus einer DNA-Nickase bestehen – etwa nCas9, die mit einer Cytosin- oder Adenin-Deaminase-Domäne verknüpft ist – umschiffen dieses Problem. Die Deaminase-Domäne hat aber mit C-zu-T- und A-zu-G-Substitutionen einen recht eingeschränkten Handlungsspielraum.

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Verlässlicheres Enzym

Vielversprechend sind Polymerase-basierte DNA-Editoren, die per guideRNA an die gewünschte Zielsequenz geleitet werden und deren nCas9 mit einer reversen Transkriptase beladen ist. Diese sogenannten Prime-Editoren schaffen kleinere Editier­aufgaben. Statt mit einer reversen Transkriptase könnte man nCas9 aber auch mit einem robusteren, verlässlicheren und flexibleren Enzym bestücken. Genau das hat Benjamin Kleinstivers Gruppe am Massachusetts General Hospital in Boston gemacht und erzeugte damit sogenannte Click-Editoren.

Für das Click Editing nutzt das Team das Klenow-Fragment von E. coli als DNA-abhängige 5‘-3‘-Polymerase (DDP). Es soll an einem Nickase-generierten Einzel­strangbruch werkeln und zur gewünschten Genmanipulation führen. nCas9 müsste dafür die DDP nach dem bewährtem Schema huckepack zum Tatort schleppen. Das reicht für das Editing aber nicht aus, denn die Polymerase benötigt ein Template mit der gewünschten Sequenz. Würde das einzelsträngige DNA-Template einfach nur im Reaktions­ansatz schwimmen, wäre man auf Diffusion und den Faktor Zufall angewiesen. Effektiver wäre es, das Template gezielt an den Tatort zu lotsen.

ClkDNA mit HUH-Endonuklease

Die Bostoner Lösung dieses Problems ist eine einzelsträngige click-DNA-Template (clkDNA), die aus drei kurzen Abschnitten besteht: einer ssDNA Tethering Site, der Polymerase Template (PT) sowie der Primer Binding Site (PBS). Als Protein­komponente fungiert ein Komplex aus nCas9, der DNA-abhängigen DNA-Polymerase sowie einer HUH-Endonuklease (HUH). HUH-Endonukleasen sind sequenz­spezifische, einzelsträngige DNA-Bindungsproteine mit einem Histidin, einem hydrophoben Rest und einem weiteren Histidin (HUH) im aktiven Zentrum.

Kleinstivers Team nutzte die HUH-Endonuklease als Vermittler, die mit einzelsträngiger DNA (ssDNA) einen kovalenten Komplex bildet. Dafür benötigt sie die ssDNA Tethering Site als Erkennungs­sequenz. Bei der Reaktion spaltet die HUH-Endonuklease das Erkennungs­motiv ab und heftet sich kovalent an das 5‘-Ende des verbleibenden Stücks der clkDNA. Sie würde aus der dreiteiligen ssDNA also einen Protein-DNA-Komplex aus dem Fusionsprotein nCas9/DDP/HUH mit den clkDNA-Abschnitten Polymerase Template und Primer Binding Site machen.

Mit einer passenden guideRNA wird der Komplex an die gewünschte Stelle im Genom geleitet. Dort schneidet nCas9 auf dem Nicht-Ziel-Strang (NTS), worauf sich die entstandenen Strangenden etwas aufdröseln. An den NTS bindet die mit einer passenden Sequenz designte Primer Binding Site (PBS) des oben beschriebenen Komplexes. Die Bruchstelle ist so gelegt, dass nur die PBS hybridisiert. Die restliche ssDNA, also das weiter 3‘ anhängende Polymerase Template baumelt zunächst einzelsträngig herum, mit HUH am 5‘-Ende. Dieser Zustand dauert aber nicht lange, denn die DNA-abhängige-Polymerase arbeitet sich in Gegenwart von dNTPs von der Primer Binding Site vor und füllt das Einzelstrang-Template zum Doppelstrang auf. Die ursprüngliche Bruchstelle des Einzelstrangs wird immer weiter zurückgedrängt. Nach der endgültigen DNA-Reparatur ist die gewünschte Sequenz in den wieder intakten Doppelstrang integriert.

Variieren und optimieren

Kleinstivers Mannschaft hat das Click Editing in HEK293-Zellen durchexerziert. Dazu transfizierte sie die Zellen mit einem Click-Editing-Plasmid (codiert HUH-nCas9-DPP-Fusion) sowie Plasmiden, die guideRNA und dreiteilige clkDNA codierten. Nach drei Tagen extrahierten die Forschenden die genomische DNA und sequenzierten sie. Je nach Zielgen (DNMT1 und RNF2) lag die Editier-Rate bei 3,33 beziehungsweise 0,18 Prozent. Die Click-Editing-Technik hatte also grundsätzlich funktioniert, doch es bestand noch reichlich Luft nach oben. Platzierte das Team die gRNA nicht neben, sondern innerhalb der gewünschten Editierregion, beobachtete es eine 18-fach höhere Editier­effizienz und deutlich weniger Indels. Offensichtlich führte der Positionswechsel dazu, dass die gRNA nach dem Editieren nicht erneut an die DNA binden konnte.

Nach vielen weiteren Optimierungs­runden war klar, dass die Bostoner offenbar von Beginn an auf die richtigen Pferde gesetzt hatten. Die von ihnen eingesetzten HUH (aus PCV2, porzines Coronavirus) und DDP (EcKlenow) waren durch andere Enzyme nicht zu toppen. Daher blieb die Gruppe bei dieser Konstellation und werkelte stattdessen an der clkDNA. Da Letztere ein simples Oligonukleotid ist, das sich rasch und billig synthetisieren lässt, testeten die Forschenden zahlreiche Kandidaten im 96-Well-Format. Dabei variierten sie die Länge der Primer Binding Site (6 bis 20 Nukleotide) und die der Polymerase Template (9 bis 20 Nukleotide). Die optimale Länge hing vom Zielgen und dem konkreten Editier-Wunsch ab. ssDNAs mit der besten Editier­effizienz versah die Gruppe mit einer 3‘-Phosphorothioat-Kappe, um die Stabilität zu erhöhen.

Und wie sieht es mit den allseits gefürchteten Off-Target-Effekten aus? Das Team editierte drei Zielgene mit Click-Editoren sowie SpCas9. Anschließend sequenzierte es die DNA und analysierte 29 potenzielle Off-Target-Abschnitte. Im Gegensatz zu SpCas9 fand die Gruppe mit den Click-Editoren verschwindend wenige Off-Target-Indels. Off-Target-Edits traten überhaupt nicht auf.

Andrea Pitzschke

Ferreira J. et al. (2023): Click editing enables programmable genome writing using DNA polymerases and HUH endonucleases. bioRxiv, DOI: 10.1101/2023.09.12.557440.

Bild: Pixabay/FreeFunArt




Letzte Änderungen: 20.09.2023