Editorial

Licht setzt
Einzelmoleküle frei

(27.09.2023) Ein mit Licht zerteilbares Protein und raffinierte Fusionsproteine ermöglichen es, einzelne Proteine in Cytosol oder Plasmamembran zu entlassen.
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„Und los!“ Moleküle von jetzt auf gleich, zeitlich und räumlich eng definiert zu manipulieren, ist die Intention optogenetischer Techniken. Mit dem passenden Lichtpuls zwingen sie photo­responsiven Proteinen eine konkrete Änderung der Funktion auf. Die sanfte Wellenlänge und die kurze Dauer des Lichtpulses ziehen die Zellen nicht in Mitleidenschaft. Enzym­aktivitäten, Interaktionen, aber auch die Lokalisation von Molekülen lassen sich mit optogenetischen Methoden steuern. Das optogenetische Lichtsignal aktiviert jedoch alle Proteine, die eine passende lichtsensitive „Antenne“ tragen und in Reichweite liegen – selbst auf engem Raum können das Tausende sein.

Die Beobachtung einzelner Moleküle nach einem optogenetischen Signal war bisher nur mit sehr speziellen Mikroskopen möglich (siehe „Was nie ein Mensch zuvor gesehen hat“, vom 11.7.2023 auf LJ online). Helge Ewers Gruppe an der Freien Universität Berlin hat jedoch zusammen mit Forschenden aus Heidelberg, Hamburg sowie den Universitäten Alberta (Kanada) und Tokio eine optogenetische Methode entwickelt, mit der man in lebenden Zellen funktionale Einzelmoleküle freisetzen kann.

Editorial

Ein großes und ein kleines Stück

Die wichtigste Komponente des Systems ist das Photocleavable Protein (PhoCl), das unter violetter Bestrahlung in zwei Teile zerfällt. Robert Campbells Gruppe an der University of Alberta hatte PhoCl 2017 vorgestellt (Nat Methods, 14(4): 391-4). Zusammen mit seiner ehemaligen Postdoc Xiaocen Lu war er auch in Ewers Team mit von der Partie. Dass PhoCl nach einem kurzen Stimulus mit einer Wellenlänge von 405 Nanometern in ein großes N-terminales sowie ein winziges C-terminales Stück auseinanderbricht, ist eine willkommene Eigenschaft – ein C-terminal fusioniertes Wunschprotein würde nach dem Photocleavage nur wenige zusätzliche Aminosäuren tragen. Entsprechend gering wäre die Gefahr, Funktion oder Verhalten des Proteins zu beeinträchtigen. Die Expression eines derartigen Fusionsproteins würde aber hinsichtlich der Beobachtung und Manipulation von Einzelmolekülen nicht viel bringen. Zudem wäre es für einige Anwendungen eher suboptimal, wenn die Fusionsproteine in der Zelle herumschwimmen würden und ungewollte Interaktionen und Kompetitionen eingingen.

Es ist eine weitere Kontrollinstanz in Form einer reversiblen Verankerung nötig. Die Gruppe konstruierte dazu dreiteilige Fusionsproteine: N-terminal platzierte sie ein Golgiapparat-Protein, gefolgt von PhoCl und dem C-terminalen Wunschprotein. Zellen, die das Konstrukt exprimieren, häufen das Fusionsprotein zunächst im Golgiapparat an. Auf ein Lichtsignal hin spaltet sich das Wunschprotein zusammen mit dem winzigem PhoCl-Rest ab. Das Wunschprotein findet seine übliche Destination, unbeeinflusst von dem kleinen PhoCl-Anhängsel. Das Golgi-Protein bleibt mit dem restlichen Stück von PhoCl am Golgiapparat verankert.

Grüne Punkte in der Plasmamembran

Um das Wunschprotein verfolgen zu können, fusionierten es die Forschenden C-terminal mit dem Grünfluoreszierenden Protein (GFP). Mit den Fusions­konstrukten transfizierten sie CV1-, HEK293T- sowie CHO-K1-Zellen. Zunächst spielte Ewers Mannschaft die Strategie mit einem löslichen cytosolischen Protein durch. Sie nutzte das Golgi-Trans­membran­protein TMEM115 als Golgi-Anker und fusionierte es mit PhoCl sowie dem GFP-markierten Fibroblasten-Wachstumsfaktor FGF2 (TMEM-PhoCl-FGF2-GFP). Vor der Bestrahlung war die rote Fluoreszenz von PhoCl das Hauptsignal, das vom Golgi-ständigen GFP überlagert wurde. Erwartungsgemäß tauchten nach kurzer Bestrahlung mit Licht von 405 Nanometern grüne Signale des abgespaltenen FGF2-GFP im Cytosol auf. Kurz danach erschienen in der Plasmamembran grüne Punkte. Auch das war zu erwarten, denn FGF2 hat einen eigenwilligen Sekretionsweg. Das freigelassene FGF2 verhielt sich ganz natürlich und wanderte so, als sei es gerade frisch und ohne jede „Verunstaltung“ synthetisiert worden.

Das gleiche Spiel funktionierte auch mit nicht-löslichen Proteinen. Die Gruppe setzte dafür das Trans­membran­protein mScarlet-CD4 ein, für die Verankerung nutzte sie das im Golgiapparat ansässige Retrieval Protein-1 (RER). Den Weg von mScarlet-CD4 verfolgten die Forschenden mit der Internen Total­reflexions­fluoreszenz­mikroskopie (TIRF). Dass sich mScarlet-CD4 tatsächlich ordnungsgemäß in die Plasmamembran eingefügt hatte, beobachtete das Team in lebenden Zellen mit Antikörpern gegen mScarlet, die mit dem Farbstoff Alexa Fluor 647 (AF647) markiert waren.

Menge manipulierbar

Eine interessante Beobachtung machten die Forschenden, als sie die UV-Bestrahlung variierten: Die Menge an mScarlet-CD4, die freigesetzt und in die Plasmamembran eingebaut wurde, konnten sie mit der Lichtstärke manipulieren. Bei konstanter Lichtstärke und hoher Expression fanden sie mehr Moleküle in der Plasmamembran.

Als Nächstes nahm sich die Gruppe vor, funktionale Ionenkanäle in der Plasmamembran von Zellen zu rekonstituieren. Die Forschenden verwendeten für die Experimente den BK-Kanal, einen spannungs­abhängigen, calcium­sensitiven Kaliumkanal aus vier identischen Untereinheiten. Das Konstrukt bestand aus einem FLAG-markierten BK, der mit PhoCl und TMEM fusioniert war (FLAG-BK-YFP-PhoCl-TMEM). Nach der Bestrahlung mit Licht von 405 Nanometern tauchten auch hier die Signale von AF647-gekoppelten anti-FLAG-BK-Antikörpern an der Zelloberfläche auf. Die Kanal-Monomere hatten den Weg zur Plasmamembran gefunden und sich dort korrekt formiert. Dies bestätigten auch elektrophysiologische Messungen.

Die Technik funktionierte auch mit Volumen-Regulierten Anionen-Kanälen (VRACs), die von LRRC8-Proteinen gebildet werden. Die hexameren VRACs enthalten verschiedene LRRC8-Proteine, zu denen aber immer mindestens eine LRRC8A-Unterheit gehört, die mit LRRC8B-E-Untereinheiten Heteromere bildet. Das Team exprimierte LRRC8E-GFP und LRRC8A-PhoCl-TMEM in HEK-Zellen, denen die VRACs fehlten. Nach der Expression der Konstrukte bildeten sie jedoch wieder VRACs, die auf einen hypotonischen Schock normal reagierten.

Mit der neuen Strategie lassen sich auch Signalwege wiederherstellen. Die Gruppe reaktivierte mit ihr T-Lymphoblasten mit gestörter Signalleitung zum Interleukin-1-Rezeptor. Die hierzu nötige Kinase IRAK4 setzten die Forschenden mit einem Lichtimpuls aus einem IRAK4-mScarlet-PhoCl-TMEM-Fusionsprotein frei.

Andrea Pitzschke

Kashyap P. et al. (2023): An optogenetic method for the controlled release of single molecules. bioRxiv, DOI: 10.1101/2023.09.16.557871

Bild: Pixabay/geralt



Letzte Änderungen: 27.09.2023