Editorial

Wenn die Industrie deine
Forschung finanziert, ...

(27.10.2023) ... dann gerät man mitunter in Abhängigkeiten, die der Entwicklung einer akademischen Karriere im Wege stehen können.
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Money makes research go round – so wird manchmal der Musical-Klassiker von Liza Minelli aus dem Film „Cabaret“ abgewandelt. Was gemeint ist, ist klar: Nur wer ordentlich Fördermittel von Dritten einwerben kann, wird in der heutigen Bioforschung nennenswerte Ergebnisse produzieren können. Und nur wer ordentlich Ergebnisse produziert und veröffentlicht, wird eine nennenswerte Forscherkarriere hinlegen können.

Kommen die Drittmittel aus öffentlichen Quellen oder Stiftungen, ist man nach der Bewilligung des Antrags in aller Regel ziemlich frei in Gestaltung und Durchführung des Projekts. Wird das Projekt hingegen von einem Industriepartner finanziert, sieht die Sache oftmals anders aus.

Beispielsweise werden erst einmal umfangreiche Verträge gemacht, wie mit den erzielten Ergebnissen zu verfahren sei. Darin ist dann etwa festgehalten, dass der Forscher sämtliche Resultate zunächst dem Industriepartner vorzulegen habe, damit dieser vor Veröffentlichung prüfen kann, was er davon möglicherweise patentrechtlich schützen möchte.

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Karriereleiter-Probleme

Und wenn das Unternehmen – nach Patentanmeldung oder auch nicht – endlich grünes Licht für die Ver­öffent­lichung der Daten gibt, will es natürlich auch noch das entsprechende Manuskript vor der Einreichung bei einem Journal prüfen, um darin Änderungen vornehmen oder zumindest vorschlagen zu können.

Auf diese Weise kann schon mal erhebliche Zeit vergehen, bis die Forscherinnen und Forscher zu ihren teilweise dringend benötigten Veröffentlichungen aus dem Projekt kommen. Was vor allem für diejenigen zum Problem werden kann, die auf der Karriereleiter noch ein paar Sprossen zu nehmen haben.

Öfter schon haben wir von solchen oder ähnlichen Fällen im Rahmen von Industrie-finanzierten Projekten gehört. Neu hingegen war für uns, was jemand in einer schon etwas älteren Umfrage über das Vorgeplänkel einer Pharma-finanzierten klinischen Studie berichtete (J. Empir. Res. Hum. Res. Ethics 1(1): 43-50). Die Umfrage zitiert sie oder ihn sinngemäß folgendermaßen:

Der Druck steigt

„In einer bestimmten Studie, an der ich beteiligt bin, geht es um ein Medikament, das die Nebenwirkungen gewisser Strahlungen abschwächen soll. Die Firma, die das Medikament herstellt, will eine gewisse Kontrollgruppe nicht in die Studie aufgenommen haben – und wird sie nicht finanzieren, wenn diese Kontrollgruppe doch eingeschlossen werden sollte.

Ich weiß ja auch, dass so etwas ständig passiert. Das läuft eben so! Aber natürlich liegt das auch daran, dass die Regierung nicht genug Geld aufbringen kann, um all die klinische Forschung zu finanzieren, die durchgeführt werden müsste.

In dieser Studie ist die Forschungsleiterin allerdings eine befristet angestellte Assis­tenz­professorin. Schon jetzt haben die Verhandlungen mit dieser Arzneimittelfirma sie viel Zeit gekostet, sodass es für sie immer enger wird, die potenziellen Studienergebnisse noch für ihre anstehende Bewerbung auf eine feste Anstellung nutzen zu können. So wird der Druck, dem Unternehmen nachzugeben, wahrscheinlich irgendwann zu groß für sie. Schließlich hätte sie die Studie schon vor Monaten beginnen können, wenn sie einfach gesagt hätte: »Klar, gebt mir das Geld – und ich tue alles, was Sie wollen.«“

Unschöne Zwickmühle

Das heißt, das Unternehmen macht seine Finanzierung erstmal nicht vom Umgang mit den Ergebnissen der Studie abhängig, sondern stellt schon im Vorfeld ganz konkrete Bedingungen an deren Design. Und diese scheinen zumindest nach Ansicht der Forschungsleiterin, die die Studie ursprünglich konzipiert hat, so gestaltet, dass der objektive wissenschaftliche Wert der Studie klar ge­schmä­lert wird.

Puh, eine ganz schöne Zwickmühle, in die man auf solche Art geraten kann. Ganz abgesehen davon, dass ergebnisoffene und robuste Wissenschaft sowieso anders funktioniert.

Ralf Neumann

(Foto: iStock / Sezeryadigar)

 

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Letzte Änderungen: 26.10.2023