Editorial

Nanoturbine aus DNA-Origami

(08.11.2023) Forschende basteln aus DNA-Origami eine winzige Turbine, die wie ein Motorprotein elektrochemische Energie in mechanische Arbeit umwandelt.
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Die Rotoren moderner Wind­energie­anlagen werden immer größer und erreichen inzwischen Durchmesser von über 250 Metern. Sie treiben riesige Generatoren an, die die Windenergie in elektrische Energie umwandeln. Genauso spektakulär, aber mit bloßem Auge nicht zu erkennen, sind biologische Nanoturbinen, die wie ihre riesigen Pendants Energie in mechanische Arbeit konvertieren. Zu den prominentesten Vertretern gehören F0F1-ATP-Synthasen, die die Energie eines elektro­chemischen Potenzials in eine Drehbewegung des F0-Motorproteins überführen. Das rotierende F0-Motorprotein dreht den mit ihm verbundenen F1-Komplex, der schließlich die ATP-Synthese katalysiert.

Forschende versuchten immer wieder solche biologischen Nano­turbinen nachzubauen und verwendeten dazu natürliche oder synthetische Komponenten. Um die molekularen Turbinen in Bewegung zu setzen, mussten sie aber immer noch von außen eingreifen, beispielsweise durch Änderungen von Temperatur, Licht oder Richtung eines elektrischen Feldes.

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Simple Herstellung

Eine Gruppe um Cees Dekker (Delft University of Technology, Niederlande), Hendrik Dietz (Technische Universität München) sowie Aleksei Aksimentiev (University of Illinois at Urbana-Champaign, USA) scheint diese Probleme gelöst zu haben. Das Team konstruierte mithilfe von DNA-Origami eine biologische Nano­turbine, die einem vertikalen Windrad mit senkrecht angeordneten Rotorblättern ähnelt.

Die Nanoturbine ist aus dreißig, jeweils durchschnittlich 72 Basenpaaren langen DNA-Helices aufgebaut. Ihre Achse besteht aus sechs parallel angeordneten Helices. Acht weitere Helices bilden jeweils eines der drei vertikalen Rotorblätter, die sich leicht geneigt um die Achse winden. Die Turbine ist etwa 25 Nanometer hoch, der Durchmesser beträgt ebenfalls 25 Nanometer. Die Herstellung der Turbine aus DNA-Origami ist recht simpel: Das Team erhitzte dazu eine DNA-Lösung in einem Puffer (5 mM Tris, 1 mM EDTA, 5 mM NaCl, 20 mM MgCl2) auf 65 Grad Celsius und ließ sie langsam auf Raumtemperatur abkühlen.

Für das Turbinen-Design verwendeten die Forschenden das Open-Source-Tool cadnano, mit dem sich auch komplizierte Konstruktionen aus DNA-Origami realisieren lassen. Die Gruppe ordnete zum Beispiel die Helices der Turbinenblätter so an, dass sie sich entweder links oder rechts um die Achse winden. Damit verlieren sie zwar ihre Symmetrie – die durch die Windung entstehende Chiralität verleiht ihnen jedoch eine kontrollierbare Drehrichtung.

Turbinen in Membranporen

Mit der Konstruktion der Nano­turbine war es aber noch nicht getan. Sie benötigte ein „Turbinengehäuse“, in dem sie sich kontrolliert drehen kann. Die Forschenden bauten die winzigen Turbinen in die 50 Nanometer weiten Poren einer Silicium­nitrid-Membran ein. Damit sie während des Andockens in der Membranpore nicht auf der gegenüberliegenden Seite wieder hinausschlüpfen konnten, platzierte das Team ein 300 Nanometer langes parallel zur Membran­oberfläche orientiertes DNA-Bündel an einem Ende der Turbinenachse. Das DNA-Bündel diente aber nicht nur als Verankerungspunkt. Es simulierte auch eine Beladung der Turbine – und lieferte nach der Markierung mit einem Fluoreszenzfarbstoff an einem Ende des DNA-Bündels auch ein Fluoreszenzsignal, mit dem sich die Drehbewegung messen ließ.

Nach diesen Vorarbeiten platzierten die Forschenden die mit Nanoporen durchsetzte Membran als Trennwand in eine Flusszelle und füllten beide Kompartimente mit 50 mM NaCl-Puffer. In eines der Kompartimente (cis-Kompartiment) füllten sie die DNA-Lösung mit den DNA-Origami, aus denen sich die Nano­turbinen falten sollten. Danach erhöhten sie im trans-Kompartiment die Konzentration des Puffers auf 3M NaCl. Die winzigen Turbinen diffundierten hierdurch in Richtung der Membran und fädelten sich mithilfe der DNA-Bündel langsam in die Poren ein. Die Energie für die Drehbewegung erhielten sie aus dem Ionengradienten. Je nach rechts- oder linksgerichteter Anordnung der Rotorblätter drehten sie sich mit oder gegen den Uhrzeigersinn.

Salzkonzentration dreht Richtung um

Die Nanoturbinen lassen sich aber auch durch Anlegen einer Transmembran-Spannung in Bewegung setzen. Die Forschenden füllten hierzu beide Kompartimente mit 50 mM NaCl-Puffer und gaben in eines die DNA-Lösung hinzu. Nach dem Anlegen einer Spannung (100 mV) wanderten die Turbinen in die vorgesehenen Nanoporen und begannen sich zu drehen. Kehrte das Team die Spannung um, bewegten sie sich von den Poren wieder in Richtung der Pufferlösung.

Zur Überraschung der Gruppe hing die Drehrichtung, der von der Spannung angetriebenen Turbinen von der NaCl-Konzentration ab. In 3M NaCl rotierten sie andersherum als in 50 mM NaCl. Die Forschenden verfolgten das Phänomen, indem sie die Salzlösung langsam titrierten. Die Umkehr der Rotationsrichtung stellte sich bei einer NaCl-Konzentration von 0,5 M bis 1 M ein. Der Erklärungsversuch des Teams ist eher etwas für hartgesottene Physiker: Die Forschenden vermuten, dass sich die veränderte Salzkonzentration auf das elektro­phoretische Anisotropie­verhältnis auswirkt, das letztlich die Drehrichtung der Nanoturbinen vorgibt.

Andrea Pitzschke

Shi X. et al. (2023): A DNA turbine powered by a transmembrane potential across a nanopore. Nat Nanotechnol, DOI: 10.1038/s41565-023-01527-8.

Bild: Cees Dekker Lab/SciXel



Letzte Änderungen: 08.11.2023