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Publizieren Editoren allzu leicht im eigenen Journal?

(08.12.2023) Journal-Editoren sind aktive Wissenschaftler – und müssen auch selbst veröffentlichen. Offenbar tun sie dies auffällig häufig im „eigenen“ Journal.
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Veröffentlichungen sind das Brot des Wissenschaftlers. Doch wer bestimmt, was veröffentlicht wird? In erster Linie die Editoren der betreffenden Forschungsblätter.

Über diese schreiben jetzt die fünf Autoren eines Artikels mit dem Titel „Gender inequality and self-publication are common among academic editors“ (Nat. Hum. Behav. 7, 353-64) folgendes:

„Die Editoren spielen in diesem Prozess eine Schlüsselrolle, da sie das letzte Wort darüber haben, was veröffentlicht wird – und somit den Kanal kontrollieren, über den Wissenschaftler Prestige und Anerkennung erhalten. Darüber hinaus gehören die Herausgeber selbst zu den wissenschaftlichen Eliten, die von ihrer Community als Experten auf ihrem Gebiet anerkannt sind.“

Editoren seien auf diese Weise nicht nur die „Gatekeeper“ der Wissenschaft, sondern suchen vielmehr selbst aktiv nach Möglichkeiten zur Veröffentlichung, führen die Autoren weiter aus. Schließlich arbeite die überwiegende Mehrheit von ihnen als aktive Forscher. Und da die Bewertung von Wissenschaftlern in hohem Maße von bibliometrischen Ergebnissen abhänge, stünden sie selbst unter einem gewissen Zwang, weiterhin eigene Originalarbeiten zu veröffentlichen.

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Editoren bevorzugt?

Und wo tun sie das? Oftmals in den von ihnen herausgegebenen Zeitschriften. Was fast genauso oft zu Kontroversen führt. Denn wie die Autoren schreiben:

„Solche Kontroversen werden durch die Möglichkeit angeheizt, dass die Beiträge der Editoren bevorzugt behandelt werden.“

Und dies könne man durchaus als „Missbrauch des wissenschaftlichen Publikationssystems“ werten. 

Um ein möglichst umfassendes Bild zu bekommen, analysierten die Autoren die Publikationsdaten von etwa 20.000 Editoren aus allen möglichen Disziplinen – und kamen am Ende zu folgenden Ergebnissen:

"Wir stellen fest, dass 24 Prozent der Editoren mindestens ein Zehntel ihrer Beiträge in der von ihnen herausgegebenen Zeitschrift veröffentlichen. Die Prozentsätze von Editoren, die mindestens ein Fünftel ihrer Arbeiten (12 Prozent) oder sogar ein Drittel ihrer Arbeiten (6 Prozent) in ihrer eigenen Zeitschrift publizieren, ist allerdings noch beträchtlich. Bei den Chief-Editoren sind diese Prozentsätze noch höher. Konkret veröffentlichen 32 Prozent von ihnen mehr als ein Zehntel ihrer Beiträge in der von ihnen herausgegebenen Zeitschrift; 19 Prozent veröffentlichen dort mindestens ein Fünftel und 11 Prozent gar ein Drittel ihrer Beiträge."

Wie viel ist zu viel?

Wühlt man sich noch weiter in die Abbildungen des Artikels (Fig. 13 und 14), so findet man für Biologie und Medizin die folgenden Prozentsätze für 10 beziehungsweise 20 Prozent Publikationen im „eigenen“ Journal:

— Biologie: Editoren 28 bzw. 14 Prozent / Chief-Editoren 31 bzw. 20 Prozent

— Medizin: Editoren 31 bzw. 20 Prozent / Chief-Editoren 46 bzw. 27 Prozent

Die Frage jedoch, ob diese Quoten zustandekommen, weil Editoren in ihren Journals besser Einfluss auf die Begutachtung ihrer Manuskripte nehmen können, lässt die Studie offen. Dazu schreiben die Autoren lediglich:

"Diese Ergebnisse werfen natürlich die Frage auf: Wie viel Selbstveröffentlichung sollte als zu viel angesehen werden? […] Wenn man jedenfalls aus den jüngsten Skandalen, in die Editoren verwickelt waren, etwas lernen kann, dann dass sie die Macht ausnutzen können, die sie genießen. Nehmen wir nur die Tatsache, dass Chief-Editoren in großem Umfang in dem von ihnen herausgegebenen Journal veröffentlichen und zugleich für das Management des Begutachtungsprozesses aller eingereichten Beiträge verantwortlich sind – einschließlich ihrer eigenen. Für einen Außenstehenden mag es nicht klar sein, wie mit deren Artikeln umgegangen wird, um den offensichtlichen Interessenkonflikt zu umgehen."

Transparenz ist gefragt

Auch hier landet man also ganz am Ende wieder bei einer Forderung, die auch aus mehreren anderen Gründen schon lange gestellt wird: Macht das Begutachtungssystem transparenter!

Ralf Neumann

(Illustr.: enago.com)

 

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Letzte Änderungen: 07.12.2023