Editorial

Eine Rejection müsste
gar nicht schlimm sein

(09.02.2024) Manchmal dauerte es lange, bis große Erkenntnisse von den Reviewern als solche erkannt wurden. Heute kann man mit dem Publizieren nicht so lange warten.
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Was würden Forscher antworten, wenn man sie fragte, was das Schlimmste sei, dem sich jeder in seinem Forscheralltag stellen müsse?

Von Mitarbeitern mit falschen Banden oder duplizierten Schnittbildern über‘s Ohr gehauen zu werden? Ganz übel – aber dafür, dass sich dem jeder stellen müsse, (hoffentlich) zu selten.

Und „Rejections“? Damit dürfte man zumindest nicht total daneben liegen. Die Erfahrung, dass man das hart erarbeitete Manuskript schnöde abgelehnt zurückbekommt, macht wohl tatsächlich jeder, der länger in der Forschung bleibt. Die meisten dürften sie sogar öfter machen – „zu oft!“, wie sie wohl selber sagen würden.

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Legendäre Ablehnungen

Warum aber ist eine „Rejection“ so schlimm? Gehen wir mal davon aus, dass die Gutachter keine echten Fehler im Manuskript gefunden haben – dann muss eine Ablehnung wohl bedeuten: Nicht gut genug, zu uninteressant, nix wirklich Neues,...

Klar, das kratzt am Selbstwertgefühl. Muss es aber nicht wirklich. Denn es könnte gut auch umgekehrt sein: Nicht das Manuskript, vielmehr die Gutachter waren nicht gut genug. Beispiele dafür, dass ebendiese bisweilen blind sind für die wahre Bedeutung großer und wichtiger Paper, gibt es genug: Barbara McClintocks springende Gene, Günther Blobels Signalpeptide,... Legendär auch Lynn Margulis‘ Paper zur Formulierung der Endosymbiontentheorie, das laut eigener Aussage 15-mal abgelehnt wurde, bevor es letztlich im Journal of Theoretical Biology erschien (Bd. 14(3):255-74).

Und dann wäre da noch Joachim Messing (hier schrieben wir mal ein Rätsel über ihn). Sein 1982er-Paper zur Entwicklung der pUC-Plasmide wurde von Nucleic Acids Research abgelehnt, in Gene (26(1): 101-6) sammelte es nachfolgend über 6.000 Zitierungen.

"Langer Atem" geht nicht mehr

Noch krasser sein 1981er-Manuskript zur Entwicklung des Shotgun-Sequenzierkonzepts: PNAS lehnte es tatsächlich mit der Begründung ab, es sei „zu trivial“ – woraufhin das Paper schließlich in Nucleic Acids Research (9(2): 309-21) erschien. Craig Venter machte das Konzept danach zu der Massen-Sequenzierstrategie schlechthin – was Messing am Ende unter anderem den israelischen Wolf Prize 2013 einbrachte.

Eine „Rejection“ müsste also erstmal gar nicht schlimm sein. Müsste, wohlgemerkt – wenn einem in dem asthmatischen Forschungsklima von heute doch nur der nötige „lange Atem“ gelassen würde.

Neuerdings helfen da zwar Preprints, doch die zählen aufgrund fehlender Begutachtung ja noch immer nicht als vollwertige Publikation.

Ralf Neumann

(Foto: AdobeStock / DragonImages)

 

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Letzte Änderungen: 07.02.2024