Editorial

Forschungskooperation Deutschland – Israel (1)
Viele Worte, aber wie geht’s weiter?

Karin Hollricher


(21.03.2024) Der fürchterliche Angriff der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hatte tiefgreifende Folgen – auch für die dortige Wissenschaft. Die meisten ausländischen Wissenschaftler verließen das Land, so schnell sie konnten – darunter auch die Stipendiatinnen und Stipendiaten der Minerva-Stiftung GmbH.

Die Minerva-Stiftung ging aus der Minerva GmbH hervor, die 1964 auf Initiative der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) gegründet wurde und aktuell vom deutschen Wissenschaftsministerium finanziert wird. 1973 rief die Stiftung ein Programm ins Leben, das deutschen und israelischen Forschenden ermöglicht, in allen Instituten des jeweiligen Partnerlandes zu arbeiten.

Das fünfzigjährige Jubiläum sollte mit einem Festakt in Israel begangen werden – doch der Hamas-Angriff machte dies unmöglich. Dennoch reiste Max-Planck-Präsident Patrick Cramer Ende November mit einer kleinen Delegation nach Jerusalem. Die Labore standen da längst leer: Die ausländischen Wissenschaftler waren abgereist, viele junge Israelis waren eingezogen worden – die Forschung stand still.

Collage aus deutscher und israelischer Flagge und Laborgegenständen
Illustr.: Adobe Firefly

Doch Cramer kam, um persönlich seine Betroffenheit über die verheerenden Ereignisse und seine Enttäuschung über antisemitische Reaktionen zu erklären. Am 28. November sagte Cramer im Van-Leer-Institut in Jerusalem: „Wir sind heute nach Jerusalem gekommen, um Ihnen zu versichern, dass Sie in diesen dunklen Zeiten nicht allein sind.” Und weiter: „Eines möchte ich ganz klar sagen: Kritik an der Regierungspolitik ist erlaubt. Sie ist Teil unseres demokratischen Gemeinwesens und oft sogar notwendig. Aber: Wir dulden keinen Antisemitismus – und werden das auch nie tun!” […] „Wir alle sind entsetzt über die Opfer des Terrors in Israel und die Opfer des Krieges in Gaza.”

Cramer war der einzige Präsident einer großen Wissenschaftsorganisation, der Israel noch im letzten Jahr besuchte. Im Februar machte sich dann Helmholtz-Präsident Otmar Wiestler auf den Weg. Am Weizmann-Institut sagte er: „In dieser schweren Zeit wollen wir uns solidarisch mit unseren Partnern zeigen und die Stärken unserer Kooperationen unterstreichen, denn Wissenschaft muss und wird immer über Grenzen und Konflikte hinaus agieren.”

Das war schon nach dem Zweiten Weltkrieg so. Zu Zeiten völliger Eiszeit zwischen Israel und Deutschland trafen sich Ende der Fünfzigerjahre Forscher beider Länder nur auf Veranstaltungen in anderen Ländern, sozusagen auf neutralem Boden. Beispielsweise am CERN in Genf. Dessen damaliger Leiter, der Physiker Wolfgang Gentner, der als Widerstandskämpfer frei vom Verdacht einer Nähe zu den Nazis war, und der israelische Chemiker Gerhard Schmidt vom Weizmann-Institut überlegten, wie man eine Annäherung in die Wege leiten könnte.

Zwei deutsche Ausnahmen

Einer offiziellen Einladung folgend reisten schließlich 1959 der damalige MPG-Präsident Otto Hahn und sein Sohn Hanno, ein Kunsthistoriker, zusammen mit Gentner und dessen Frau sowie dem späteren Nobelpreisträger Feodor Lynen nach Israel. Diese Gespräche brachten den Durchbruch für die wissenschaftlichen Beziehungen beider Länder und bereiteten den Boden für die nachfolgende politische Annäherung.

Seither bestehen zwischen der MPG und dem 1949 offiziell gegründeten Weizmann-Institut in Rehovot, nahe Tel Aviv, sehr enge Kontakte. Einen detaillierten Bericht über diese Geschehnisse veröffentlichte vor acht Jahren der Wissenschaftshistoriker Dieter Hoffmann – fünfzig Jahre nachdem Israel und die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen aufgenommen hatten.

Die wissenschaftliche Partnerschaft der beiden Länder wird heute natürlich nicht nur von der Minerva-Stiftung und der Helmholtz-Gemeinschaft getragen, sondern auch von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie weiteren Wissenschaftsorganisationen und bilateralen Forschungskooperationen. Auch zum Europäischen Forschungsrat, dem ERC, bestehen enge Bindungen: Israel ist assoziierter – und mit Anträgen sehr erfolgreicher – Partner im „Horizon“-Förderprogramm.

Alle schickten schriftliche oder telefonisch Hilfsangebote oder publizierten Stellungnahmen, in denen sie den Angriff der Hamas verurteilten. Doch mit Ausnahme von Cramer und Wiestler ließen sich bis Ende Februar keine weiteren Führungspersonen dieser Organisationen in Israel blicken. Übrigens auch kein Leiter der großen Wissenschaftsorganisationen irgendeines anderen Landes, auch nicht der USA – wie der Präsident des Weizmann-Instituts Alon Chen in einem Gespräch mit Laborjournal sagte (das ganze Interview online auf laborjournal.de). Dies frustriere ihn zutiefst. Ebenso wie die antisemitischen Ereignisse an einigen Universitäten, die sich an diesen „Horten der Wissenschaft“ zugetragen haben.

Doch geben wir auf den folgenden beiden Seiten das Wort an eine Forscherin und einen Forscher, die von den schlimmen Ereignissen direkt betroffen sind ...