Editorial

Corona 2024: Was wissen wir (noch nicht) über SARS-CoV-2?

Mario Rembold


(21.03.2024) Impfungen, Long-Covid, ME/CFS und verlorenes Vertrauen: Fünf Forschende teilen mit uns ihren Blick auf COVID-19 – vier Jahre nach Beginn der Pandemie.

Zum Erscheinungstag dieser Laborjournal-Ausgabe ist es ziemlich genau vier Jahre her, dass ein neuartiges Coronavirus Anlauf genommen hatte, um eine weltweite Pandemie einzuläuten. Nur wenige Tage zuvor war es auf den Namen „SARS-CoV-2“ getauft worden. Auch im deutschsprachigen Raum war der Erreger bereits angekommen, doch es sollte noch rund einen Monat dauern, bis die ersten Schulen, Kitas, Restaurants und Kinos geschlossen wurden. Die COVID-19-Vakzine von BioNTech und Moderna noch im selben Jahr brachten den Wendepunkt für ein Zurück zur Normalität. Risiken und Nebenwirkungen: Beleidigungen wie „Impfdrängler“ oder „Impfschmarotzer“ fanden ihren Weg bis in die Polit-Talkshows.

Ängste, Polarisierung, Paper

Inzwischen ist die Pandemie offiziell beendet; die Polarisierung gerade in den sozialen Online-Netzwerken aber bleibt: Die einen warnen vor den Impfungen, während andere die STIKO kritisieren, zu zurückhaltend mit ihren Empfehlungen zu sein. Alles nicht dramatisch, sagen die einen – schließlich kann man nicht ewig mit Maske und auf Abstand durchs Leben gehen. Andere warnen, COVID-19 sei nach wie vor keine Erkältung, sondern eine Multisystem-Erkrankung. Jede wiederholte Infektion schwäche den Organismus weiter und hinterlasse irreversible Schäden: nachhaltige Veränderungen im Immunsystem, Schädigungen der Blutgefäße und Nervenzellen – all das auch nach milden Verläufen.

Corona-Virus im Rückspiegel
Illustr.: Playground.com

Zu jeder Behauptung findet sich immer irgendein Paper als Beleg, oft Preprints, manchmal aber auch in hochrangigen Fachzeitschriften publiziert. Ein Beispiel von vielen ist ein Twitter/X-Fund, wonach jeder Infizierte auf die eine oder andere Art Long-Covid bekäme – mit Link zu einem Blogbeitrag. Dort wiederum führt ein Verweis zu einer Arbeit in Nature Communications. Deren Autoren um Margarita Dominguez-Villar vom Imperial College London hatten Monozyten von COVID-19-Patienten nach milden Verläufen unter die Lupe genommen und beschreiben eine Umprogrammierung, die zu einer gesteigerten Neigung zur Blutgerinnung führt (Nat Commun. doi.org/jrkp). Das alles könnte doch passen zum erhöhten Thrombose-Risiko nach einer COVID-19-Erkrankung.

Im Blogbeitrag sowie auf Twitter/X werden außerdem Vergleiche zu HIV und AIDS gezogen. Schaut man sich allerdings den Diskussionsteil der Originalpublikation an, so steht dort, dass unklar bleibe, in welchem Umfang diese Veränderungen COVID-19-spezifisch seien: „Da die Stimulation durch andere Viren und bakterielle Produkte zu ähnlichen Immun-Phänotypen führt [...], scheint es wahrscheinlich, dass diese Prozesse auch bei anderen moderaten viralen Atemwegsinfekten auftreten so wie es für saisonale Infektionen gezeigt wurde.“ Irgendwo im Spektrum von kompletter Verharmlosung bis zum lustvollen Schüren von Ängsten bleibt also selbst der naturwissenschaftlich informierte Medienkonsument etwas ratlos zwischen Tweets und einer Flut an Publikationen zurück. Eine aktuelle Zahl kurz vor Redaktionsschluss: Mehr als 245.000 Originalartikel mit COVID-19-bezogenen Schlagworten im Titel sind in der Web of Science Core Collection gelistet – Preprints nicht mitgerechnet.

Außer Frage steht, dass jene Langzeitfolgen nach SARS-CoV-2-Infektionen vorkommen können, sogar nach milden Verläufen. Andererseits sorgte im September 2023 ein Artikel für Aufsehen, der auf methodische Schwächen vieler Long-Covid-Studien hinweist und die aktuellen Definitionen kritisiert (BMJ Evid Based Med. doi.org/mkbj). Fehldiagnosen und gesellschaftliche Angst könnten die Folge sein. Unumstritten ist auch diese Analyse von Tracy Høeg et al. aus San Francisco nicht, aber die Beispiele zeigen: Differenzierter wissenschaftlicher Diskurs braucht mehr als 250 Zeichen, und das Abstract eines Papers reicht nicht, um dessen Relevanz einordnen zu können.

Nachgefragt

Daher sind wir nochmal auf Forschende zugegangen, die während der Pandemie wissenschaftlich, beratend oder im Rahmen von Monitoring-Projekten mit SARS-CoV-2 befasst waren. Einige Namen werden Sie vielleicht noch aus unseren „Corona-Gesprächen“ kennen (siehe das Dossier „Unsere Corona-Gespräche“ auf LJ online - Link). Wir wollten wissen, was der aktuelle Stand der Dinge ist. Was hätte man damals besser machen können, und wo sind Maßnahmen über das Ziel hinausgeschossen? Wie hat sich der Blick auf das Virus verändert, welche Risiken bringt die Infektion auch jetzt noch mit sich? Und: Was ist derzeit noch unklar?

Volker Thiel, Foto: V. Thiel
Auch schon 2002 zählte Volker Thiel zu den ersten Fachleuten, die das damalige SARS-CoV-1-Virus analysieren konnten. Foto: V. Thiel
Pandemie war außergewöhnlich

Beginnen wir mit Volker Thiel, Gruppenleiter am Institut für Virologie und Immunologie an der veterinärmedizinischen Fakultät der Uni Bern: Schon in den 1990er-Jahren publizierte er zu humanen Coronaviren. Während der Pandemie war er in die wissenschaftliche COVID-19-Task-Force der Schweiz eingebunden, um den Bund zu beraten. Inzwischen sei die Pandemie politisch praktisch abgehakt, berichtet uns Thiel: „Ich würde sagen, man bleibt in Teilalarmbereitschaft und versucht, Informationskanäle offenzuhalten. Aber Schnelltests werden leider nicht mehr bezahlt, die Förderungen sind zurückgegangen.“

Die ersten Monate der Pandemie waren geprägt von großer Vorsicht, und es gibt Kritiker, die anmerken, dass man rückblickend auch mit milderen Maßnahmen ausgekommen wäre. Zum Beispiel hätte man gleich auf FFP2-Masken setzen und unter freiem Himmel weniger restriktive Einschränkungen erlassen können. In der Rückschau aber findet Thiel die Entscheidungen von damals nachvollziehbar: „Die Diskussion, die man heute führt, spiegelt nicht immer das wider, was man damals gefühlt hat. Es sind ja reihenweise Menschen gestorben, zum Beispiel in Italien – aber das scheint heute fast vergessen zu sein.“ COVID-19 sei gerade nicht vergleichbar gewesen mit anderen Pandemien. „Es kommt immer wieder mal zu ungewöhnlichen Influenzawellen, aber selbst da gibt es bei neuen Stämmen Teile der Bevölkerung, die schon ähnliche Varianten ‚gesehen‘ haben“, nennt Thiel einen Unterschied zum damals neuartigen Coronavirus. „Viele Leute vergessen, dass das Virus vor allem deshalb so gefährlich war, weil es in der Bevölkerung praktisch keine Immunität gab. Das haben wir in den letzten Jahrzehnten so nicht erlebt!“

Im Prinzip treffe das zwar auch auf SARS-CoV-1 in den Jahren 2002 und 2003 zu, allerdings sei SARS-CoV-2 darüber hinaus viel leichter von Mensch zu Mensch übertragbar gewesen, weil es sich auch in den oberen Atemwegen repliziert. Biomedizinisch habe man den Erreger von Beginn an relativ gut eingeschätzt und mit den Kontaktbeschränkungen auch sinnvolle Maßnahmen ergriffen, um vulnerable Teile der Gesellschaft zu schützen.

Der Nutzen der Impfungen war im Umfeld einer immunologisch naiven Bevölkerung offensichtlich. Inzwischen halten viele Menschen den Piks aber für überflüssig. Thiel sieht das anders: „Wir sind ja immer noch als Beratungsgremium in der Schweiz tätig, und wenn ich von Klinikern höre, dass in diesem Jahr so gut wie kein Patient im Krankenhaus war, der sich frisch hat impfen lassen, sondern dass bei den hospitalisierten COVID-19-Patienten mindestens ein Jahr seit der letzten Impfung vergangen ist, zeigt sich aus meiner Sicht klar, dass die Impfung noch immer einen Mehrwert hat.“

Milde Verläufe ohne Daten

Für die Impfempfehlungen zählt vor allem, wie viele schwere Verläufe verhindert werden können. Schwer ist eine COVID-19-Erkrankung per Definition erst, wenn eine Einweisung ins Krankenhaus notwendig ist. Wer bloß zwei Wochen zu Hause das Bett hütet, gilt als mild erkrankt. „Da stellt sich natürlich trotzdem die Frage, ob man das jedes Jahr braucht“, gibt Thiel zu bedenken. Genau diese „verlorenen Tage“ im Jahr, die zudem belastend sein können, fließen aber nicht oder nur zweitrangig in die Impfabwägungen ein. „Die Fälle der Leute, die nicht arbeitsfähig zu Hause sind, werden heutzutage ja gar nicht mehr erfasst“, bedauert Thiel. „Diese Daten bräuchte man aber, um solch eine Risikoabwägung sauber durchführen zu können.“

Weltkarte mit COVID-19-Stempel, Illustr.: P. Linforth/Pixabay
Kein Geheimnis: Nichts prägte die Welt über die letzten Jahre mehr. Illustr.: P. Linforth/Pixabay

Doch welche Langzeitfolgen hat eine SARS-CoV-2-Infektion über die akute Phase hinaus? Thiel hat hierzu an Studien mitgewirkt und unter der Federführung französischer Kollegen zum Beispiel am Hamstermodell herausgearbeitet, dass Geruchsverlust und Neuroinvasion wohl voneinander unabhängige Phänomene sind (Nat Commun. doi.org/mkbk). Natürlich lassen sich solche Ergebnisse aus der Grundlagenforschung nicht direkt auf die Epidemiologie in der menschlichen Bevölkerung übertragen. Thiels Resümee zu den Erkenntnissen rund um Long-Covid fällt daher zurückhaltend aus: „Es wird einige Jahre dauern, bis man da durchblickt.“

Verlorenes Vertrauen

Besorgt zeigt sich Thiel über den Diskurs mit der Bevölkerung. Menschen hätten Schwierigkeiten, korrekte Informationen von Fake News zu unterscheiden. „Ich kann mir schwer vorstellen, dass wir bei einer weiteren Pandemie einen ähnlichen Zusammenhalt haben wie beim ersten Lockdown. Wir müssen aufarbeiten, wie es zu dieser gesellschaftlichen Polarisierung kommen konnte, und wie wir die Glaubwürdigkeit wiederherstellen können.“

Unglücklich äußert sich Thiel auch darüber, dass derzeit kaum Daten zu SARS-CoV-2-Infektionen erfasst werden. „Das ist momentan ja fast zum Erliegen gekommen. Aktuell sind wir im Blindflug, und ich befürchte, dass wir Schwierigkeiten hätten, eine neue gefährliche Variante früh zu entdecken.“

Apropos Varianten: An deren Überwachung war in Österreich Ulrich Elling beteiligt, Arbeitsgruppenleiter bei der österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Eigentlich forscht Ellings Gruppe an genregulatorischen und epigenetischen Mechanismen. Zur Corona-Varianten-Überwachung sei er gekommen wie die Jungfrau zum Kinde, verriet er uns im Corona-Gespräch vor gut einem Jahr (LJ 12/2022 ab Seite 14 - Link). Die besondere Expertise seines Teams in der Genomik und der Transkriptomik und damit einhergehend der von den Österreichern entwickelte PCR-Test für große Probenmengen SARSeq (Nat Commun. doi.org/gp9h5k) führte schließlich zur Zusammenarbeit mit den österreichischen Gesundheitsbehörden bei der Varianten-Überwachung. Inzwischen habe man das Projekt aber komplett an die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) übergeben, so Elling zum aktuellen Stand.

Ulrich Elling, Foto: IMBA
Der Genetiker Ulrich Elling überwachte die SARS-CoV-2-Varianten in Österreich. Foto: IMBA

„Wir sehen, dass die Varianten-Überwachung insgesamt dramatisch reduziert wurde“, fasst Elling zusammen und nennt Daten der letzten Halbjahre aus der Sequenz-Datenbank GISAID: „In der ersten Hälfte des Jahres 2022 wurden ganze 4,7 Millionen Sequenzen zu SARS-CoV-2 in GISAID hochgeladen, im zweiten Halbjahr noch 2,3 Millionen. 2023 waren es in der ersten Jahreshälfte 890.000 Sequenzen und in der zweiten 475.000.“

Schlechtwetterkleidung

Neue Varianten werde man auch jetzt noch entdecken, ist sich Elling sicher, schränkt aber ein, dass lokale Vorhersagen nur noch schwer möglich sind. „Konkret hat man das Ende letzten Jahres bei JN.1 gesehen, also einer Pirola-Variante. Es war eben nicht mehr möglich, vorherzusagen, ob der Peak vor oder nach Weihnachten kommen würde.“ Ganz allgemein stellt sich da die Frage, ob solch eine Prognose überhaupt noch von Relevanz ist. Wenn ohnehin keine Maßnahmen mehr verordnet werden, gleicht das eher einer Wettervorhersage. „Sie können zwar das Wetter nicht ändern, aber Sie können Ihre Kleidung anpassen“, entgegnet Elling. „Seit dem Sommer hat sich angedeutet, dass es in der Vorweihnachtszeit zu einer sehr hohen Welle kommen würde. Laut der Abwasserdaten war diese Welle doppelt so hoch wie alles, was wir bisher gesehen haben.“

Auf solch eine Welle vorbereiten könne man sich zum Beispiel durch Maskenempfehlungen und gezielte Impfkampagnen. Elling denkt dabei an niederschwellige Angebote. Zwar wird man die Impfgegner damit nicht erreichen, doch ein Großteil der Bevölkerung versäumt einfach, sich um einen Arzttermin zu kümmern – und plötzlich steckt man mitten in der Erkältungssaison. „Ich weiß, dass die Durchimpfung dort viel besser ist, wo die Influenza-Impfung am Arbeitsplatz angeboten wird“, nennt Elling ein Beispiel und wünscht sich mehr Möglichkeiten im Alltag. „Ich habe bei meinem Studium in Amerika erlebt, dass im Supermarkt geimpft wurde.“

Ebenso gehört zur Vorbereitung das Vorhalten von Medikamenten, mahnt Elling. „Das ist in Österreich diesmal komplett schiefgegangen, denn das sehr gute Virostatikum Paxlovid war nicht im ausreichenden Maße vorrätig und vergriffen, als die Welle hier ihren Höhepunkt erreichte.“ Erschwerend komme hinzu, dass die Krankenhäuser nicht nur mehr Patienten, sondern auch große krankheitsbedingte Personalausfälle hätten. „Die Kliniken werden also von zwei Seiten in die Zange genommen.“

Ein generelles Umdenken wünscht sich Elling in Sachen Lufthygiene. „Wir alle finden sauberes Trinkwasser selbstverständlich, und niemand von uns trinkt aus einem fremden Glas, ohne eine Hemmung zu überwinden. Aber wenn wir gemeinsam am Tisch sitzen, atmen Sie die ganze Zeit meine Luft und ich Ihre.“ Wirkungsvolle Luftfilteranlagen vor allem in Großraumbüros könnten jedoch verhindern, dass ganze Teams parallel ausfallen.

Virusstammbaum

Auch wenn die Unterschiede zwischen den SARS-CoV-2-Linien derzeit klinisch kaum relevant sind, so beobachtet man seit Beginn der Pandemie ein Virus, das neu in die menschliche Population vorgedrungen ist. „Im Prinzip war das letzte Jahr komplett dominiert von den verschiedenen XBB-Varianten und deren Nachkommen, die allesamt Omikron zuzurechnen sind“, stellt Elling fest und ist sich sicher, dass sich Omikron in einer chronisch kranken, immungeschwächten Person entwickelt hat. Elling betont aber, dass eine Immunevasion im individuellen Patienten nicht zwingend auch mit einem Vorteil in der gesamten Bevölkerung einhergeht. Innerhalb dieser viel diverseren Immunität müsse sich eine Variante dann nämlich erneut als immunevasiv durchsetzen.

BA.2.86 oder Pirola sei zunächst gar nicht klar im Vorteil gewesen, weil die Menschen bereits mit ähnlichen Varianten infiziert waren. Dann aber kam eine zusätzliche Mutation hinzu, die ausschlaggebend war, um den neutralisierenden Antikörpern zu entkommen. „Diese eine Zusatzmutation hin zu JN.1 hat die Geschwindigkeit noch mal verdoppelt.“ Pirola hatte aber einen anderen evolutionären Startpunkt, weil es gewissermaßen in aller Ruhe in einem immunschwachen Umfeld zunächst die anderen Mutationen etablieren konnte.

Zwar kenne man nicht den Patienten Null, aber Elling nennt Indizien, warum es diese Person geben muss: „BA.1 und BA.2 tauchten im November 2021 fast zeitgleich auf und sind so nahe miteinander verwandt, dass ein Zufall ausgeschlossen ist. Das Spannende bei Pirola ist, dass es zwar zusätzliche Mutationen gegenüber BA.2 hat, aber auch vier Mutationen von BA.2 fehlen. Solch eine Reversion von vier Mutationen ist statistisch sehr unwahrscheinlich. Eine plausible Erklärung besagt daher, dass Pirola aus derselben Person hervorgegangen ist, aus der auch BA.1 und BA.2 stammen.“

Die Welle durchtauchen

Elling wünscht sich, dass gerade Menschen mit hohem Krankheitsrisiko besser auf sich achtgeben und bestätigt, dass die Maske im öffentlichen Raum nach wie vor sehr wirkungsvoll ist. „Ich bin sogar am besten geschützt, wenn die meisten anderen keine Maske tragen“, wirft er ein und erläutert dann seine auf den ersten Blick widersprüchliche Aussage: „Wenn die Welle vor der Tür steht und alle die Infektion vermeiden, dann schieben wir die Welle nur auf. Ist die Zustimmung zum Masketragen aber erodiert, kann ich als Einzelner die Infektionswelle gewissermaßen durchtauchen. Leider sehen wir aber, dass vulnerable Gruppen diese Strategie nicht für sich angenommen haben.“

Auch Impfauffrischungen vor der Welle können beim „Durchtauchen“ helfen, was aber wiederum eine gute Prognose voraussetzt, wann die Welle anrollt. „In meinen Augen sind wir jetzt in der Vorbereitung für die nächste COVID-19-Welle – und sollte der kommende Sommer wieder ruhig sein und Corona saisonal werden, wird diese Welle umso höher.“

Carsten Watzl, Foto: C. Watzl
Seit 2013 ist Carsten Watzl auch als Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie tätig. Foto: C. Watzl

Nachgefragt haben wir auch bei Carsten Watzl, Leiter des Forschungsbereichs Immunologie am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung der TU Dortmund (IfADo). Grundsätzlich blickt Watzl gelassen auf die aktuelle Lage und sieht den Wendepunkt bei den Impfungen. „Dadurch haben wir eine große Immunität in der Bevölkerung erreicht“, schaut er erleichtert zurück und stellt weiter fest: „Das Virus hat sich mittlerweile natürlich auch verändert – Omikron ist weniger gefährlich als noch die früheren Varianten.“ Trotzdem betrachtet er COVID-19 nicht als gewöhnlichen Schnupfen, sondern sieht in Sachen Symptomatik eher Parallelen zur Influenza. „Das bedeutet, es gibt nach wie vor Risikogruppen, die wir durch regelmäßige Impfung schützen müssen.“

Impfung nicht falsch

Bei den Impfungen bedauert Watzl die Missverständnisse, die bei einem Großteil der Bevölkerung hängen geblieben sind. „Man hätte von Anfang an deutlicher betonen müssen, dass das Ziel der Impfung nicht das Verhindern der Infektion ist, sondern das Vermeiden einer schweren Erkrankung – und das schaffen wir eben sehr gut.“ Zu den STIKO-Empfehlungen stellt Watzl klar: „Der Grund, warum die STIKO bei den unter 60-Jährigen ohne Vorerkrankungen keine Auffrischung empfiehlt, liegt darin, dass der klare Nutzen nicht deutlich genug messbar ist. Wenn Sie sich aber trotzdem einmal im Jahr impfen lassen, wählen Sie umgekehrt sicher nicht das höhere Risiko.“

Watzl sieht aber auch kein Problem darin, auf die Impfung zu verzichten, sofern man nicht unter die Impfempfehlung fällt. „Ich glaube nicht, dass man da eine Fehlentscheidung treffen kann, aber eine Impfung einmal im Jahr ist aus immunologischer Sicht unbedenklich.“ Dabei streitet er nicht ab, dass auch eine Impfung mit gewissen Risiken verbunden ist. „Im europäischen Vergleich kommen die meisten Meldungen zum Post-Vac-Syndrom aus Deutschland, daher glaube ich, dass wir das Problem hier ein bisschen überschätzen.“ So dürfe nicht jedes zeitliche Zusammenfallen vom Auftreten einer Krankheit mit einer Impfung als Kausalität verstanden werden. Die Zahl der an Multipler Sklerose neu Erkrankten hat laut Watzl zum Beispiel nicht zugenommen, seitdem die Corona-Impfungen eingesetzt werden. „Das macht einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und einer danach auftretenden MS-Erkrankung eher unwahrscheinlich.“ Seltene impfbezogene Nebenwirkungen wie Myokarditis seien hier wahrscheinlich von höherer Relevanz.

„Es ist aber richtig, dass ein Faktor für die Entstehung einer Autoimmunerkrankung die Aktivierung des Immunsystems sein kann“, bestätigt Watzl. Demnach ist eine Impfung hier also ein Risikofaktor. „Andererseits ist die Immunreaktion durch eine Impfung aber deutlich regulierter und zielgerichteter als während einer Infektion.“

Fallzahlen verschiedener SARS-CoV-2-Varianten in Deutschland seit 2020
Von SARS-CoV-2 sind weltweit etwa 40 „Variants of Concern“ (VoC) und „Variants of Interest“ (VoI) bekannt. In Deutschland haben sich Menschen vor allem mit den Omikron-Varianten 21K, 21L und 22B infiziert. Mitte 2023 wurde das systematische Monitoring durch genetische Sequenzierung jedoch abgeschafft. Corona-Mutationen ließen sich ab dann nicht mehr nachvollziehen. Illustr.: CoVariants.org

Biblische Verfehlungen

Viele Sorgen, die zu Beginn der Pandemie geäußert wurden, kann Watzl entkräften. Eine davon ist die fast biblisch anmutende immunologische Erbsünde: Der erste Kontakt mit einem Antigen sorgt für ein Immungedächtnis zu exakt diesem Epitop. Mutiert ein Erreger und infiziert den Betroffenen erneut, so werden vor allem jene Immunzellen auf den Plan gerufen, die die ursprüngliche Version erkannt hatten. Man bleibt auf diese erste Erfahrung gewissermaßen auf ewig festgelegt.

Die Befürchtung damals: Eine Impfung gegen den SARS-CoV-2-Wildtyp könnte das Immunsystem unflexibel machen für spätere Varianten, die sich dann dauerhaft durchsetzen. „Es ist schon korrekt: Wenn ich mich mit einem angepassten Impfstoff auffrischen lasse, erzeuge ich keine neue Immunreaktion gegen diese Variante, sondern rege die Immunzellen an, die das alte Spike-Protein erkannt haben“, bestätigt Watzl. „Von denen werden aber jene ausgewählt, die besonders gut auch auf die neue Variante passen.“ Damit entstehe aber gerade eine breit gefächerte Spezifität. „Inzwischen gibt es Daten zu den an XBB.1.5 angepassten Vakzinen, und man konnte zeigen, dass die Leute, die sich damit haben impfen lassen, mittlerweile sogar Antikörper produzieren, die auch SARS-CoV-1 erkennen.“ Diese immunologische Breite schaffe man aber auch durch eine Infektion, ergänzt Watzl.

Kommen wir von der Sünde zur Schuld – gemeint ist die „Immunschuld“, also ein Hashtag, unter dem ebenfalls wilde Meinungen im Netz kursieren. „Unser Immunsystem ist kein Muskel, der sich abbaut, wenn er längere Zeit nicht benutzt wird“, beruhigt Watzl. „Sie dürfen also gerne mal die eine oder andere Infektion auslassen.“ Man macht sich also nicht „schuldig“, wenn man sich vor einem Erreger schützt – und das Immunsystem degeneriert dadurch auch nicht. Dann nennt Watzl das große Aber: „Die Immunität gegenüber bestimmten Viren frische ich mir alle paar Jahre auf. Hat meine Immunität abgenommen, bin ich irgendwann wieder anfällig für diese Infektion.“

Wer also über längere Zeit Infektionen meidet, wird auch für mehrere Erreger wieder anfälliger. „Wenn ich irgendwann aufhöre, Maske zu tragen, kann es eben passieren, dass ich mehrere Infektionen hintereinander bekomme – und das ist eben letztes und auch noch dieses Jahr bei vielen Menschen der Fall gewesen. Wer nun glaubt, sein Immunsystem liege komplett danieder und habe so sehr unter dem Masketragen gelitten, den kann ich beruhigen: Nein, das Immunsystem hat bloß die spezifische Immunität gegen einige Erreger verloren, aber das gehört zur ganz normalen Funktionsweise unseres Immunsystems.“

Besonders genau hingeschaut

Was sagt der Immunologe zu den Warnungen, dass selbst milde Verläufe mit den Omikron-Varianten bei Geimpften messbare Veränderungen im Immunsystem hinterlassen und Viren mitunter bis hinein in die Endothelien oder gar das zentrale Nervensystem nachweisbar sind? „Ich glaube, da haben wir bei Corona natürlich auch besonders genau hingeschaut“, ordnet Watzl diese Beobachtungen ein. „Auch andere Viren können ja bei einzelnen Menschen weitere Organe infizieren.“ Bei solchen Studien, die zeigen, wozu SARS-CoV-2 prinzipiell in der Lage ist, fällt tatsächlich auf, dass die Daten häufig aus Zellkulturexperimenten stammen oder aus Patienten, die schwer erkrankt in einer Klinik behandelt wurden.

Für die Pauschalbehauptung, dass jede weitere SARS-CoV-2-Infektion kumulativ Schäden verursache, sieht Watzl derzeit keine Belege. Im Gegenteil weist er darauf hin, dass man sich damit ja die eigene Immunität wieder auffrischt. „Deshalb wird ja auch die Wahrscheinlichkeit, dass etwas entgleist, immer geringer – aber sie ist natürlich nicht null“, betont Watzl. Zu den Arbeiten, die Veränderungen im Immunsystem finden, gibt Watzl zu bedenken, dass hier longitudinale Vergleichsdaten zu anderen Infektionen fehlen. Man kann also nicht schlussfolgern, dass gerade SARS-CoV-2 nun besonders gefährlich sei. „Inwieweit so eine Veränderung dann etwas Schlimmes ist oder vielleicht im Gegenteil sogar adaptiv, das bleibt ja bei diesen Studien auch immer mal dahingestellt.“

Natürlich wirbt Watzl nicht dafür, leichtfertig Infektionen zu riskieren. Um SARS-CoV-2 aber komplett aus dem Leben herauszuhalten, sieht er nur zwei Optionen: „Entweder müssten Sie sich so oft impfen, dass ich das selbst als Immunologe nicht mehr gutheißen kann, oder Sie müssten sich weiterhin sozial so einschränken, dass ich auch das nicht als verhältnismäßig ansehe.“

ME/CFS-Patient in Bett, Foto: Lea Aring/Dtsch. Gesellschaft für ME/CFS
Die verheerendste Langzeitfolge von COVID-19: Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS). Etwa die Hälfte der Long-Covid-Patienten erfüllt nach einem halben Jahr Erkrankungsdauer die Diagnosekriterien für ME/CFS. Foto: Lea Aring/Dtsch. Gesellschaft für ME/CFS

Long-Covid ist nicht gleich Long-Covid, erklärt Carmen Scheibenbogen, die Leiterin der Immundefekt-Ambulanz an der Berliner Charité: Long-Covid bezeichnet postvirale Symptome, die länger als vier Wochen andauern.Das Kriterium für Post-Covid ist erfüllt, wenn ein Patient länger als zwölf Wochen nach der Infektion noch beeinträchtigt ist. Insbesondere unter das Label Long-Covid fallen recht typische Beschwerden, die man vor der Pandemie auch nach gewöhnlichen Erkältungen kannte – wie mehrwöchiger Reizhusten, Müdigkeit, Verstimmung und auch geringere körperliche Belastbarkeit. Die meisten dieser Beschwerden mögen lästig sein, verschwinden aber nach einigen Wochen wieder. Und sie sind auch nicht COVID-19-spezifisch.

Ein sehr konkretes Krankheitsbild aber ist die Myalgische Enzephalomyelitis, auch bekannt als Chronic Fatigue Syndrome und daher abgekürzt als ME/CFS. Tatsächlich steckt dahinter weder eine Erschöpfung im alltäglichen Sinne noch eine Depression, gegen die soziale Kontakte und sportliche Betätigung heilungsfördernd sind. Im Gegenteil verstärken körperliche oder emotionale Anstrengungen die Erschöpfung, was auch mit Symptomen wie Fieber und Schmerzen einhergehen kann. Es gibt unterschiedliche Schweregrade bis hin zu Menschen, die das Bett nicht mehr verlassen können (siehe auch „Patienten und Forscher im Schattenreich“ in LJ 5/2022 ab Seite 14 - Link - sowie „Die Macht der Namen“ auf LJ online - Link).

Carmen Scheibenbogen, Foto: S. Baar/Charité
Für ihre Verdienste um die Erforschung von ME/CFS und die Behandlung Betroffener wurde Carmen Scheibenbogen im September 2022 der Bundesverdienstorden verliehen. Foto: S. Baar/Charité
Vielfältige ME/CFS-Ursachen

In Deutschland gilt Carmen Scheibenbogen als federführende Expertin bei der Erforschung von ME/CFS. Als wesentlicher Krankheitsfaktor werden Autoantikörper diskutiert. Typisch ist eine vorangegangene Infektion, häufig mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV). Durch die Pandemie hat die seit Jahrzehnten bekannte, aber klinisch weitgehend ignorierte Erkrankung nun erstmals größere öffentliche Aufmerksamkeit bekommen, denn auch SARS-CoV-2 kann ME/CFS auslösen.

Fest steht, dass die Zahl der ME/CFS-Diagnosen während der Pandemie deutlich anstieg, wobei die Krankheit vor 2020 durch ihr Schattendasein wiederum unterdiagnostiziert war und daher ein aussagekräftiger Vergleich schwierig bleibt. Gegenüber anderen Viren sticht SARS-CoV-2 bezüglich ME/CFS nach aktueller Datenlage aber nicht hervor. „Es gibt eine Studie zu postinfektiösen Folgen, die zeigt, dass das Risiko nach COVID-19 nicht höher ist als nach anderen schwereren Atemwegsinfektionen“, verweist Scheibenbogen auf eine aktuelle Veröffentlichung englischer Forscher (EClinicalMedicine. doi.org/mkbn) und schlussfolgert: „Dass wir jetzt deutlich mehr Long-Covid-Betroffene haben, liegt an den hohen Infektionszahlen. Das Risiko, nach einer EBV-Infektion an ME/CFS zu erkranken, ist mit fünf bis zehn Prozent höher als nach einer Infektion mit SARS-CoV-2.“

Zum Risiko wiederholter Infektionen stellt Scheibenbogen fest: „Wir sehen in unserer Ambulanz Patienten, die auch erst nach der zweiten oder dritten SARS-CoV-2-Infektion an ME/CFS erkranken. Wir haben aber keine eigenen Daten zum Risiko.“ Tatsächlich findet man Studien, denen zufolge die meisten Betroffenen erst nach erneuter Infektion an Long-Covid erkrankt waren. Ob man diese Beobachtung umgekehrt als höheres Risiko ab der zweiten Infektion interpretieren kann oder ob nicht vielmehr eine besondere Auswahl der Probanden zu diesem Effekt führt, dürfte vorerst ungeklärt bleiben. Hinzu kommt, dass in diesen Studien ME/CFS meistens im Long-Covid-Sammelbecken untergeht und man wohl häufig Äpfel mit Birnen vergleicht.

Andererseits infizieren sich Menschen zumindest derzeit in deutlich kürzeren Abständen mit SARS-CoV-2 als mit den meisten anderen Viren. Allein durch diese höhere Frequenz ergeben sich natürlich mehr Gelegenheiten für eine immunologische Entgleisung. Hier besteht also noch Forschungsbedarf.

ME/CFS-Hilfe nur nach Corona

Die Impfung als Risikofaktor für ME/CFS-ähnliche Symptome ist im Vergleich zur Infektion gering, bestätigt auch Scheibenbogen. „Wir haben einzelne Patienten gesehen, die einen direkten zeitlichen Zusammenhang zwischen Impfung und ME/CFS-Erkrankung berichteten. Ich vermute, dass dieselben Risikofaktoren verantwortlich sind, ob man nach einer Infektion oder Impfung erkrankt.“ Scheibenbogen stellt die beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) eingegangenen rund 1.500 Meldungen nach Impfung einer Zahl von 2,5 Millionen Post-Covid-Fällen nach SARS-CoV-2-Infektion gegenüber und betont, dass eine Impfung das Long-Covid-Risiko sogar um etwa die Hälfte reduziert. „Das ist inzwischen durch viele Studien belegt.“

Dass ME/CFS durch COVID-19 nun mediale Aufmerksamkeit bekommt, hilft den Betroffenen aber nur bedingt. „Die meisten Long-Covid-Ambulanzen kümmern sich nicht um ME/CFS-Erkrankte nach anderen Infektionen, und daher haben diese Patienten in der Versorgung weiterhin kaum Anlaufstellen.“

Saskia Trump, Foto: T. Rafalzyk
Als stellvertretende Leiterin der Arbeitsgruppe Molekulare Epidemiologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin erforscht Saskia Trump epigenetische Mechanismen, die für die frühe Prägung der Krankheitsentstehung verantwortlich sind. Foto: T. Rafalzyk
RSV gefährlicher als SARS-CoV-2

Saskia Trump schließlich leitet die Gruppe Epigenetik an der Berliner Charité. Sie interessiert sich für das Immunsystem von Kindern und die Mechanismen, die bei respiratorischen Erkrankungen eine Rolle spielen, und erläutert uns, was aktuell über die Risiken für Kinder bekannt ist. So war Trump an einer Publikation zum kindlichen angeborenen Immunsystem beteiligt, das SARS-CoV-2 in den oberen Atemwegen in Schach hält (Nat  Biotechnol. doi.org/gmhrms). Senior-Autorin Irina Lehmann hatte bereits 2021 in einem Corona-Gespräch mit uns über diese Publikation gesprochen (siehe LJ 10/2021 ab Seite 24 - Link).

Das Immunsystem der Kinder kann mit vielen Viren besser umgehen, auch wenn der Erreger auf ein naives Immunsystem trifft. Zum Beispiel sitzen in den Epithelzellen der Nasenschleimhaut mehr Leukozyten als bei Erwachsenen. Und auch für SARS-CoV-2 zeigte sich, dass Kinder nur selten schwere Verläufe erleiden. Vor allem im Hinblick auf die milden Varianten besteht kein erhöhter Anlass zur Sorge um Kinder, bestätigt auch Trump. Im Vergleich sei etwa das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) deutlich gefährlicher: „RSV führt bei kleinen Kindern zu Krankenhausaufenthalten mit teilweise schweren Verläufen – so etwas beobachten wir bei Omikron fast nicht.“

Daher findet auch Trump die Impfempfehlung der STIKO sinnvoll, die Kinder nur dann einschließt, wenn besondere individuelle Risiken bestehen. „Gesunde Kinder müssen nicht geimpft werden; es spricht aber auch nichts dagegen“, resümiert Trump. Sie betont aber, dass eine Impfung bei Kindern kaum geeignet sei, um anfällige Erwachsene zu schützen. „Die Impfung selbst wirkt sich kaum auf Infektiosität und Übertragbarkeit aus, sondern eher auf den individuellen Krankheitsverlauf“, stellt sie klar.

Ist man also beim Schutz der Kinder und mit den Schulschließungen damals über das Ziel hinausgeschossen? „Im Rückblick ist es leicht, Kritik zu üben, vor allem, wenn wir von den teils schwerwiegenden Folgen der Lockdowns auf einige Kinder wissen“, erklärt sie. „Aber wir müssen ja das Wissen zum damaligen Zeitpunkt berücksichtigen.“ Sie erinnert daran, dass Kinder tatsächlich hohe Viruslasten ähnlich denen Erwachsener mit sich tragen können, und dass auch solche Überlegungen mit in die Abwägungen einfließen mussten. Trump findet es daher nicht angebracht, im Nachhinein Entscheidungen zu kritisieren, für die es damals plausible Gründe gab.

Über die psychischen Auswirkungen der Pandemie haben wir außerdem mit Andreas Meyer-Lindenberg, dem Direktor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim, gesprochen. Im Interview erklärt er, welchen Einfluss Pandemie-bedingte Änderungen des Sozialverhaltens auf die menschliche Psyche haben. Er sagt: „Wir haben die Effekte auf junge Menschen unterschätzt“. Das ganze Gespräch lesen Sie auf LJ online (Link).