Editorial

Zellen sortieren mit Geister-Bildern
Produktübersicht: Zellsortierer

Zellsortierer im Überblick pdficon

Noch bestimmen klassische Fluoreszenz-aktivierte Cell Sorter (FACS) das Bild in vielen Durchflusszytometrie-Service-Abteilungen. Neue mikrofluidische Zellsortierer mit ausgefeilter Mikroskoptechnik und lernfähiger Software sind ihnen jedoch auf den Fersen.

In konventionellen Zellsortierern werden Fluoreszenz-markierte Zellen in Flüssigkeits-Tropfen eingehüllt und im Gänsemarsch durch eine Flusszelle geführt, die von mehreren rechtwinklig zur Flusszelle verlaufenden Laserstrahlen beleuchtet wird. Die von den Zellen emittierten Streulicht- sowie Fluoreszenz-Signale fängt eine Photomultiplier-Röhre ein, die sie in elektrische Signale umwandelt und an eine Recheneinheit weitergibt, die letztlich eine Sortier-Vorrichtung steuert.

FACS-Geräte verlesen mehrere zehntausend Zellen pro Sekunde in die richtigen Auffang-Töpfchen und leisten sich dabei kaum Fehler. Diese irre Geschwindigkeit und hohe Präzision hat aber ihren Preis: Die Auflösung beziehungsweise der Informationsgehalt der sortierten Zellen ist ziemlich gering. Der Experimentator erfährt zum Beispiel so gut wie nichts über die genaue Lokalisierung der ausgesandten Fluoreszenz-Signale in der Zelle.

Schnell sortiert aber schlecht aufgelöst

Dazu müsste er sehr hoch aufgelöste Bilder der vorbeifliegenden Zellen schießen. Mit Imaging-Durchflusszytometern ist dies zwar möglich, die Auswertung der Bild-Daten dauert für die Sortierung in Echt-Zeit aber viel zu lange. Bis die Recheneinheit des Imaging-Zytometers die Bilder analysiert und die Daten an die Sortiereinheit weitergegeben hat, sind die Zellen schon längst an der Sortiereinheit vorbeigeflogen.

Von diesem Dilemma ließ sich eine vielköpfige japanisch-US-amerikanische Gruppe um den Physiker und Optik-Spezialisten ­Keisuke Goda von der Universität Tokio jedoch nicht beeindrucken. Seine Mitarbeiter konstruierten einen intelligenten Bild-aktivierten Zellsortierer (IACS), der Zellen im Hochdurchsatz mithilfe hoch aufgelöster Bilder in Echtzeit sortiert und klassische FACS-Geräte ziemlich alt aussehen lässt (Cell 175: 1-11).

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Im intelligenten Bild-aktivierten Zellsortierer werden die Zellen in den Kanälen eines Mikrofluidik-Chips (rechtckige Glasplatte) fokussiert und von einem optischen System (silbernes und schwarzes Objektiv) detektiert. Foto: Keisuke Goda

Die Gruppe kombinierte in dem intelligenten Sorter einen Mikrofluidik-Chip mit einem speziellen Mikroskop sowie einer ausgeklügelten Recheneinheit. Den rechteckigen Mikrofluidik-Chip durchzieht ein winziger Mikro-Kanal, der von einem sogenannten dynamischen Fokussierer an einem Ende des Chips bis zu einem Sortierer am anderen Ende reicht. Die Zellen werden von dem Fokussierer in der Mitte des Kanals ausgerichtet und wandern mit einer Geschwindigkeit von etwa einem Meter pro Sekunde in Reih und Glied aufgereiht zur Sortiereinheit. Dort werden sie durch winzige piezoelektrisch gesteuerte Pumpen in kleine Vertiefungen auf dem Chip geschubst, die als Abfall und Sammelbehälter dienen.

Die Fokussierung und Sortierung der Zellen auf einem mikrofluidischen Chip ist nicht allzu aufregend und inzwischen schon beinahe Standard. Revolutionär neu dagegen ist das sogenannte Frequency-Division-Multiplexed (FDM)-Mikroskop, das kurz nach dem hydrodynamischen Fokussierer platziert ist: Wie eine Hochgeschwindigkeitskamera nimmt es superscharfe Bilder der vorbeiströmenden Zellen auf und leitet die Bilddaten an die Rechen­einheit weiter, die den piezoelektrischen Sortierer steuert.

Extrem schnelle Bilder

Das FDM-Mikroskop ist im Grunde ein spezielles konfokales Laser-Scanning-Mikroskop, das extrem hohe Bildfrequenzen von bis zu 16.000 Bildern pro Sekunde erreicht. Um diese hohen Bild-Raten zu erzielen, wird der Anregungs-Laserstrahl des Mikroskops zunächst in zwei Strahlen geteilt. Sogenannte akustische optische Deflektoren splitten die beiden Strahlen anschließend wie einen Kamm in zwei unterschiedliche Frequenzbänder weiter auf. Die zwei Strahlen-Kämme werden danach wieder zusammengeführt und treffen als Strahlengitter auf die Probe. Um die Sache noch komplizierter zu machen, wird zudem auch noch die Amplitude der beiden Strahlen-Kämme moduliert.

In Godas intelligentem Bild-aktivierten Cell Sorter fällt das Strahlengitter im rechten Winkel auf die vorbeirauschenden Zellen und erzeugt ein verzerrungsfreies Bild jeder einzelnen Zelle. Gleichzeitig wird über die Vorwärts-Streuung des Lichts die Geschwindigkeit der Zellen gemessen und an die Sortier­einheit übermittelt, die daraus den perfekten Sortierzeitpunkt berechnet.

Ohne superschnelle Recheneinheit, die die Bild-Daten praktisch in Echtzeit an die Sortiereinheit weiterleitet, würde aber auch das FDM-Mikroskop nicht viel bringen. Die Gruppe um Mastermind Goda hat deshalb alles aufgeboten, was moderne Computer-Hard- und Software derzeit hergeben.

Über ein 10 ­Gbps-schnelles Netzwerk, das auf dem Internetprotokoll (IP) basiert, schlossen seine Computerspezialisten einen Computerprozessor (CPU) mit einem Graphikprozessor (GPU) sowie einem auch in konventionellen Cell Sortern üblichen Field-Programmable-Gate-Array (FPGA) zusammen.

Anschließend programmierten sie die ganze Chose mit einer lernfähigen Software, die die Bild-Daten innerhalb von 32 Millisekunden auswertet und ohne weitere Verzögerung an den Piezo-Sortierer schickt.

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Ein neuentwickelter japanischer Zellsortierer detektiert und sortiert Zellen anhand von Geister-Bildern, die eine spezielle Optik aufnimmt. Foto: Sacco Fujishima

Wer mit einem Zellsortierer in Cell landen will, muss aber schon ein bisschen mehr vorweisen können als nur eine Konzeptstudie. Als Demonstrations-Objekte für den zellbiologischen Härtetest des Sorters suchte sich Godas Mannschaft Chlamydomonas reinhardtii sowie humane Blutplättchen (Thrombozyten) aus.

Keine schlechte Wahl, wenn man Reviewer beeindrucken will: Grünalgen sind ein heißes Thema bei der biologischen Produktion von Wasserstoff und die Analyse humaner Blutbestandteile macht sich auch immer gut.

Mutanten ins Töpfchen

Tatsächlich sortierte das IACS-Gerät im Handumdrehen seltene Mutanten aus einer C. reinhardtii-Population, deren sogenannter Kohlenstoff-Konzentrations-Mechanismus (CCM) gestört ist. Über Eingriffe in den CC-­Mechanismus versuchen Bioingenieure, die Photo­synthese in Grünalgen zu optimieren – Godas Cell Sorter könnte die Suche nach interessanten Mutanten deutlich beschleunigen.

Im zweiten Test sollte das Gerät aktivierte Thrombozyten beziehungsweise Thrombozyten-Aggregate in Blutproben aufspüren, die Vorboten kardiovaskulärer Erkrankungen sind. Auch diese sortierte der IACS-Sorter sehr schnell und präzise aus dem Blut der Probanden heraus.

Vermarktung mit Start-up

Wie nicht anders zu erwarten, gründete Goda Ende letzten Jahres mit einem Teil seiner Mitstreiter ein Start-up (CYBO), das den IACS-Zellsortierer kommerzialisieren soll. Goda und Co. waren aber nicht die einzige japanische Gruppe, die 2018 mit einem neuartigen Zellsortierer Furore machte. Auch das Team des Bioingenieurs Hiroyuki Noji von der Universität Tokio präsentierte einen neuentwickelten Cell Sorter (Science 360: 1246-51).

Geister-Detektor

Die Technik von Nojis Sorter ist ziemlich abgefahren: Die Imaging-Einheit des Geräts erzeugt Geister-Bilder und nutzt diese für die Steuerung der Sortiereinheit. Das Ganze nennt sich deshalb auch Geister-Zytometrie.

Wie in Godas Sortierer ist auch im Geister-Zellsortierer ein recht konventioneller Mikrofluidik-Chip verbaut. An einem Ende des Chips werden die Zellen mithilfe eines dreidimensionalen hydrodynamischen Fokussierers auf Linie gebracht, am anderen wartet ein piezoelektrisch gesteuerter Aktuator auf die Zellen, der sie in das passende Auffang-Töpfchen bugsiert. Interessanter ist, was in der Geister-Detektions-Einheit passiert, die auf halbem Weg zwischen Fokussierer und Piezo-Aktuator liegt. Auf diesem Abschnitt huschen die Fluoreszenz-markierten Zellen über ein völlig unregelmäßig angeordnetes ortsfestes Beleuchtungs-Feld, das wie ein leuchtender Mini-Irrgarten aussieht. Durch diesen genialen Trick werden die Fluorophore in den vorbei­fliegenden Zellen an jedem Punkt des Irrgartens unterschiedlich stark angeregt.

Ein Photomultiplier registriert sowohl die Fluoreszenz-Intensitäten der angeregten ­Fluorophore als auch die Licht-Intensität des Beleuchtungs-Feldes und wandelt die Signale in einen elektrischen Strom um. Trägt man die aufsummierten Intensitäten gegen die Zeit in ein entsprechendes X,Y-Koordinatensystem ein, so erhält man eine sogenannte Multiplexe Temporäre Wellenform (MTW), welche die Intensitäts-Verteilung mathematisch exakt beschreibt.

Gutes Maschinen-Gedächtnis

Im Geister-Imaging-Modus geht die Recheneinheit des Geister-Sortierers den umgekehrten Weg und rekonstruiert aus Intensitätsverteilung und MTW-Gleichung ein reales zweidimensionales Bild der Zellen.

Nötig ist die Wiederherstellung aber nicht: Die intelligente lernfähige Software erkennt die Zellen auch ohne Bilder, allein anhand ihrer spezifischen temporären Wellenformen, und sortiert sie danach. Dazu muss man im Vorfeld lediglich verschiedene Zelltypen durch den Mikrofluidik-Chip jagen, um die Software zu trainieren.

Das Maschinengehirn merkt sich die Wellenformen der verschiedenen Zellen und spürt sie auch in einem wilden Zelldurcheinander zuverlässig auf. Noijs Mannschaft setzte den Geister-Sorter zum Beispiel ein, um Krebszellen (MCF-7) aus mononukleären Zellen des peripheren Bluts (PBMC) mit einem Durchsatz von 10.000 Zellen pro Sekunde herauszufischen. Der Sorter ließ sich dabei auch von zusätzlichen von der Gruppe zugefügten MIA PaCa-2-Zellen nicht beirren, die sich kaum von MCF-7-Zellen unterscheiden.

Klar, dass auch Nojis Team ein Start-up (ThinkCyte) gründete, um die Idee zu vermarkten. Mal sehen, wann der Zellsortierer der japanischen Geister-Jäger soweit ist.

Natürlich gibt es aber auch noch die guten alten FACS-Geräte. Sie finden sie in der Tabelle auf den nächsten beiden Seiten.

Zellsortierer im Überblick pdficon


(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 05/2019, Stand: April 2019, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 08.05.2019