Editorial

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Produktübersicht: RT-qPCR-Kits

RT-qPCR-Kits im Überblickpdficon

(09.06.2021) RT-qPCR-Kits für reverse Transkription und quantitative PCR sind zwar praktisch, aber auch sehr teuer und derzeit nicht immer leicht zu kriegen. Eine Alternative sind eigene Mastermixe und selbstgereinigte Enzyme.

Als der Molekularbiologe Bob Griffith eines Tages Ende der Achtzigerjahre im Labor der kalifornischen Biotech-Firma Cetus eine PCR ansetzte, war er offensichtlich nicht ganz bei der Sache. Aus Versehen pipettierte er Ethidiumbromid mit in das Reaktionsgefäß, das eigentlich für den späteren Nachweis der PCR-Produkte in einem Agarose-Gel vorgesehen war. Mehr nebenbei erzählte er dies seinem Kollegen Russell Higuchi, als dieser die entstandenen PCR-Produkte bereits auf einem Agarose-Gel analysierte.

Erstaunt stellte Higuchi jedoch fest, dass die Taq-Polymerase offensichtlich nicht vollständig von dem fluoreszierenden Farbstoff inhibiert worden war. Das brachte ihn auf eine Idee: Wenn sich Ethidiumbromid während der PCR zwischen die neusynthetisierten DNA-Stränge einlagert, müsste man den Verlauf der Amplifikation anhand der zunehmenden Fluoreszenz in Echtzeit verfolgen können. Um dies zu prüfen, installierte er zusammen mit dem Cetus-Mitarbeiter Robert Watson eine Videokamera über dem Thermoblock, welche die Änderung der Fluoreszenz in den PCR-Tubes aufnahm.

Wie erwartet verstärkte sich die Fluoreszenz mit jedem Zyklus der exponentiell verlaufenden PCR. Mithilfe einer Template-Verdünnungsreihe sowie einer logarithmischen Darstellung der Exponentialfunktion berechneten die zwei schließlich die Konzentration des eingesetzten Templates. Higuchi und Watson nannten ihre Technik noch kinetische PCR-Analyse. Es dauerte aber nicht lange, bis sich für ihr Verfahren der Begriff quantitative PCR oder kurz qPCR durchsetzte.

Da Ethidiumbromid die PCR-Polymerase doch ziemlich stark ausbremst, wurde es sehr schnell durch andere Fluoreszenz-Farbstoffe ersetzt, etwa SYBR-Green. Ansonsten hat sich am Grundprinzip der von Higuchi und Watson entwickelten Farbstoff-basierten qPCR nicht viel verändert, mit Ausnahme von Laser- und Hightech-bestückten qPCR-Cyclern.

Cetus hatte damals aber noch eine andere Detektions-Technik für die qPCR im Rennen, deren Grundprinzip von David Gelfands Gruppe entwickelt wurde. Gelfand hatte Ende der Achtzigerjahre als Erster die Taq-Polymerase kloniert. Bereits 1991 kam er auf den Gedanken, die 5'-3'-Exonuklease-Aktivität der Taq für ein Proben-basiertes PCR-Nachweisverfahren auszunutzen. Als Probe verwendete er ein am 5'-Ende mit radioaktivem 32Phosphor markiertes Oligo, das innerhalb der Zielsequenz mit dem Template hybridisierte. Wie von Gelfand vermutet, knabberte sich die Taq vom 5'-Ende her durch die Probe und setzte hierdurch mit jedem PCR-Zyklus mehr Radioaktivität frei.

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In ihren ersten qPCR-Versuchen beobachteten Russ Higuchi und seine Kollegen von der Firma Cetus die Zunahme des interkalierenden Farbstoffs noch mit einer CCD-Kamera. Fotos: Russ Higuchi

Lieber Fluorophor als 32P
Mit 32P will man im Labor aber möglichst wenig zu tun haben, und so wurde die radioaktive Markierung der qPCR-Probe einige Jahre später durch ein gequenchtes Fluorophor ersetzt. Bei diesen sogenannten TaqMan-Proben hängt ein Fluoreszenz-Farbstoff am 5'-Ende des Proben-Oligos und wird von einem Quencher-Farbstoff am 3'-Ende daran gehindert zu fluoreszieren. Die 5'-3'-Exonuklease-Aktivität der Taq setzt den Farbstoff im Verlauf der PCR am 5'-Ende jedoch frei, wodurch ein von Zyklus zu Zyklus stärker werdendes Fluoreszenz-Signal entsteht. TaqMan-Proben sind die mit Abstand am häufigsten eingesetzten qPCR-Proben. Mittlerweile kreierten findige Forscher aber einen ganzen Zoo ähnlich funktionierender Oligo-Proben, etwa Molecular Beacons, Scorpion- und Amplifluor-Primer, sowie Snake- oder Lion-Proben.

Kaum war die qPCR-Technik Mitte der Neunzigerjahre unter Dach und Fach, verknüpfte sie ein Team des kalifornischen Biotechnologie-Pioniers Genentech mit der reversen Transkription (RT) von mRNA zu cDNA und stellte die erste RT-qPCR vor. Ab diesem Zeitpunkt gab es kein Halten mehr. In Windeseile verdrängte die RT-qPCR die damals gebräuchlichen Techniken zur Genexpressions-Analyse, wie zum Beispiel Northern Blots oder Microarrays. Gleichzeitig eroberte sie auch Diagnostiklabore, die sie routinemäßig zum Beispiel für den Nachweis von Pathogenen, Bakterien oder RNA-Viren wie SARS-CoV-2 einsetzen.

Es dauerte dann auch nicht lange, bis die ersten RT-qPCR-Kits auftauchten, die inzwischen zur Grundausstattung vieler Forschungslabore gehören und auch in der klinischen Diagnostik unverzichtbar sind.

Alles in einem Tube

Besonders praktisch sind RT-qPCR-Kits beziehungsweise Mastermixe für die Ein-Schritt-RT-qPCR, bei der reverse Transkription und PCR-Amplifikation gemeinsam in einem Reaktionsgefäß stattfinden. Dazu enthalten die Mischungen neben einer temperaturstabilen DNA-Polymerase auch eine Reverse Transkriptase. In vielen Standard-Kits besteht dieses Enzym-Duo aus der Taq-Polymerase von Thermus aquaticus sowie der Reversen Transkriptase des Moloney-Maus-Leukämie-Virus (MMLV-RT).

Eigentlich kommen sich die beiden Enzyme während des üblichen RT-qPCR-Protokolls nicht in die Quere: Die MMLV-RT synthetisiert zunächst bei 50 Grad Celsius mithilfe des Antisense-Primers eine cDNA des RNA-Templates. Hierfür erhält sie meist einige Minuten Zeit. Danach ist die Taq-Polymerase an der Reihe. In den etwa vierzig Zyklen der qPCR verlängert sie immer wieder die bei etwa 55 Grad Celsius an das cDNA-Template bindenden Primer, wodurch die cDNA amplifiziert wird.

Die Taq hat aber auch eine Template-unabhängige terminale Transferase-Aktivität, mit der sie zum Beispiel ein Adenin an das 3'-Ende von PCR-Produkten anhängt. Für Klonierungstechniken wie die TA-Klonierung ist das ganz praktisch. Bei der RT-qPCR kann die auch bei Raumtemperatur vorhandene terminale Transferase-Aktivität jedoch Probleme verursachen – etwa wenn die Taq vor der eigentlichen qPCR zusätzliche Basen an die Enden der PCR-Primer anfügt. Dann geht im dümmsten Fall ihre Spezifität flöten, wodurch sie auch an zufälligen Stellen mit dem PCR-Template hybridisieren können.

Heißer Start

Viele Hersteller packen deshalb Hot-Start-Taq-Polymerasen in ihre RT-qPCR-Kits, die mit verschiedenen Tricks daran gehindert werden, schon bei niedrigen Temperaturen aktiv zu werden. Zu den Klassikern zählen Hot-Start-Taq-Polymerasen, die bei Raumtemperatur durch eine reversible chemische Modifikation der Seitenketten oder spezifische Antikörper inaktiviert werden. Steigt die Temperatur während des Denaturierungs-Schritts der PCR, werden sie reaktiviert und legen erst danach mit der Verlängerung der Primer los. In beiden Fällen verläuft die Aktivierung aber ziemlich schleppend und kann schon mal eine Viertelstunde dauern. Völlig ohne Zeitverzögerung lassen sich Hot-Start-Taq-Polymerasen hingegen mithilfe von Aptameren aktivieren. Aptamere sind kleine mit speziellen Auswahlverfahren gewonnene Oligonukleotide, die sehr spezifisch über nicht-kovalente Wechselwirkungen an ihre Zielmoleküle binden.

Für Hot-Start-Polymerasen entwickelte Aptamere binden nur bei Raumtemperatur an das Enzym. Erreicht die Temperatur circa 45 Grad Celsius, lösen sie sich sofort von der Polymerase und geben ihre Aktivität frei. Der Trick mit den Aptameren funktioniert auch mit der Reversen Transkriptase. Diese kann bei Raumtemperatur ebenfalls nicht ganz stillhalten und nutzt dabei auch unerwünschte RNA-Abschnitte als Template. Verhindern lässt sich dies mit einer sogenannten Warm-Start-RT, die erst von der Leine gelassen wird, wenn sich die blockierenden Aptamere bei 45 Grad Celsius von ihr verabschieden.

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Statt viel Geld für RT-qPCR-Kits auszugeben oder in Zeiten von Corona ausverkauften RT-qPCR-Kits hinterherzurennen, kann man die zwei benötigten Enzyme auch in E. coli exprimieren und danach über eine Affinitätssäule reinigen. Foto: Bin He

In Zeiten von Corona sind viele One-Step-RT-qPCR-Kits aber nicht nur sehr teuer, sondern auch knapp. Kein Wunder, bei den unzähligen auf der RT-qPCR basierenden SARS-CoV-2-Tests, die inzwischen einen großen Teil der für die Herstellung der Kits benötigten Enzyme und Chemikalien verschlingen. Im Gegensatz zu Diagnostiklaboren, die auf zugelassene, zielspezifische RT-PCR-Kits und Mastermixe angewiesen sind, gibt es für akademische Forscher und Labore eine sehr günstige und nicht allzu aufwendige Alternative: Sie können die benötigten Mastermixe, einschließlich Taq-Polymerase und Reverser Transkriptase einfach selbst herstellen.

Eine sehr detaillierte Anleitung dazu veröffentlichte zum Beispiel die Gruppe von Xavier Darzacq und Robert Tjian an der University of California in Berkeley (Curr. Protoc., 1, e130). Tjians Team konzipierte das Protokoll, zusammen mit einer einfachen RNA-Extraktions-Technik, für den Nachweis von SARS-CoV-2. Man kann es aber auch problemlos auf RT-qPCRs für generelle Forschungszwecke übertragen.

Die Sache ist im Grunde ziemlich simpel und wäre sicher ein schönes Projekt für Fortgeschrittenen- oder Mitarbeiter-Praktika. Die Taq-Polymerase wird als His-getaggtes Protein in E. coli exprimiert und zunächst mithilfe einer Ni-NTA-Säule und danach mit einer Heparin-gefüllten Flash-Chromatographie-Säule gereinigt. Mit Formaldehyd kann man die Taq anschließend sogar in eine Hot-Start-Taq umwandeln. Die von dem Formaldehyd verursachten Vernetzungen blockieren das Enzym bei Raumtemperatur, lösen sich jedoch während des Denaturierungs-Schritts der PCR bei 95 Grad Celsius wieder auf. Ganz ähnlich verläuft die Reinigung der MMLV-Reversen-Transkriptase, die ebenfalls als His-getaggte Variante in E. coli exprimiert und danach mit einer Ni-NTA-Säule vorgereinigt wird. Den Feinschliff erhält die MMLV-RT jedoch in der anschließenden Kationen-Austauschchromatographie.

Eigener Mastermix

Auch die Herstellung des Mastermixes für die Ein-Schritt-RT-qPCR ist kein Hexenwerk. Die kalifornische Gruppe nennt ihn Basic Economical Amplification Reaction mix oder kurz BEARmix. Er enthält im Wesentlichen Tris-HCl, KCl und MgCl2, jede Menge Trehalose, ein bisschen DTT und EDTA, DNA- und RNA-freies Wasser sowie die obligatorischen dNTPs. Taq und MMLV-RT werden in einem hundertfachen BEARmix gelöst, der aliquotiert und dann bei -20 Grad Celsius eingefroren wird.

Schritt für Schritt und mit allen nötigen Volumen- oder Konzentrationsangaben beschreibt die Gruppe schließlich, wie man den BEARmix mit den darin gelösten Taq und MMLV-RT für die Proben- oder Farbstoff-basierte RT-qPCR einsetzt. Und wer keinen qPCR-Cycler hat, erhält als Bonus auch noch eine Anleitung, wie man die Konzentration der detektierten SARS-CoV-2-RNA mit einem normalen Thermocycler und einem Gel-Imager bestimmen kann.

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(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 6/2021, Stand: Mai 2021, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 09.06.2021