Editorial

Entwicklung neuartiger RNA-Therapeutika - Zu viel erhofft oder doch glänzende Zukunft?

Karin Hollricher, Laborjournal 11/2023


(10.11.2023) Vor 25 Jahren wurde das weltweit erste RNA-Therapeutikum zugelassen. Trotz etlicher Rückschläge kamen inzwischen weitere hinzu, und die Pipelines der Biotech-Firmen sind prall gefüllt mit neuen potenziellen RNA-Wirkstoffen.

1956 zeigten Alexander Rich und David Davies am National Institute of Mental Health in Bethesda, USA, dass auch RNA eine Doppelhelix bilden kann. Nicht einmal fünfzig Jahre später wurde das erste RNA-Therapeutikum zugelassen: Fomivirsen, ein Antisense-ssDNA-Oligonukleotid. Wer genauer nachschaut, wird jedoch zu seiner Überraschung feststellen, dass dieses Antisense-Oligonukleotid (ASO) ein DNA-Molekül ist: Es enthält Thymin und nicht Uracil. Dennoch zählt dieses Molekül zu den RNA-Therapeutika, weil es seine pharmakologische Wirkung über die Manipulation einer zellulären RNA ausübt.

In der RNA-Therapeutika-Szene wird intensiv geforscht und auch die Pipelines der Biotech-Firmen, die sich auf RNA-Wirkstoffe spezialisiert haben, sind voll. Zirkuläre RNAs, die stabiler sind und somit wirksamer als die linearen Formen, könnten das „nächste große Ding” werden (Nature 622: 2-24). Auch den sich selbst amplifizierenden RNA-Molekülen prophezeit man eine spannende Zukunft, vor allem zur Behandlung chronischer Erkrankungen.

Im Schatten von mRNA

Keine Zukunftsmusik, sondern schon heute im Einsatz sind Therapien für seltene Erkrankungen, die auf ASOs und siRNAs (small interfering RNAs) basieren: Acht in Europa, 13 in den USA, zwei weitere wurden inzwischen zurückgezogen. Dennoch sind diese Wirkstoffklassen nicht wirklich populär. Im Fokus der Aufmerksamkeit stehen vielmehr Therapeutika mit codierender mRNA – in erster Linie die Impfstoffe gegen SARS-CoV-2. Weitere Vakzine sind in der Entwicklung, und ein Impfstoff gegen Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) wurde auch schon zugelassen.

In diesem Artikel soll es aber um ASOs, siRNAs und Aptamere gehen, da von diesen Molekülarten bereits Wirkstoffe verfügbar sind oder waren.

Das ASO Fomivirsen wurde zur Behandlung von Augeninfektionen mit dem Cytomegalie-Virus entwickelt. Dieses Virus machte vor allem AIDS-Patienten schwer zu schaffen. Dank neuer antiviraler Medikamente sind Cytomegalie-Virus-Infektionen bei diesen Patienten aber kein großes Thema mehr. Fomivirsen wurde deshalb vom Markt genommen. Das ASO hybridisiert mit einer Virus-RNA. Auf solche Hybride ist die zelluläre RNAse H spezialisiert, sie zerstört die RNA-Anteile. Dadurch wird das ASO wieder frei und kann sich um die nächste RNA kümmern.

Ab 2016 wurden weitere ASOs zugelassen. Entwickelt wurden diese zur Behandlung seltener Erkrankungen, etwa Duchenne-Muskeldystrophie, Spinale Muskeldystrophie, erbliche Transthyretin-Amyloidose (hATTR) und familiäres Chylomikronämie-Syndrom, eine Störung des Fettstoffwechsels. Die neueren therapeutischen Oligonukleotide enthalten etliche stabilisierende Modifikationen (siehe hierzu den Infoam Ende dieses Artikels).

Die Duchenne-Muskeldystrophie nehmen die ASOs Eteplirsen, Golodirsen und Casimersen (Serapta, USA) und Viltolarsen (NS Pharma, Japan) ins Visier. Die Moleküle induzieren allerdings nicht die Zerstörung der Dystrophin-mRNA, sie verändern vielmehr das Splicing der prä-mRNA. Einen Verlust von Exons erzeugen Casimersen (Exon 45), Eteplirsen (Exon 51) sowie Golodirsen und Viltolarsen (beide Exon 53). Auf diese Weise kann (weitgehend) funktionales Dystrophin synthetisiert werden.

Ein ASO, das ebenfalls das Splicing einer prä-mRNA modifiziert, ist Nusinersen. Allerdings sorgt dieses Molekül bei Patienten mit spinaler Muskeldystrophie dafür, dass ein Exon erhalten bleibt. Bei den Betroffenen ist das Gen SMN1 defekt, das zusammen mit seinem Allel SMN2 für das Protein Survival Motor Neuron (SMN) codiert. Das SMN2-Protein ist jedoch nicht aktiv, weil infolge einer Punktmutation das Exon 7 aus der SMN2-prä-mRNA herausgeschnitten wird. Nusinersen verhindert den Verlust des Exons 7, sodass ein Protein entsteht, das die Funktion des ausgefallenen SMN1 weitgehend übernehmen kann.

Das zuletzt in den USA zugelassene ASO Tofersen zielt auf die RNA der Superoxid-Dismutase 1. Dieses Enzym steht im Verdacht, amyotrophe Lateralsklerose auszulösen. Das von Ionis Pharmaceuticals (Carlsbad, USA) entwickelte Tofersen reduziert die Menge des Biomarkers Neurofilament light chain (NfL). Ob sich damit auch das Fortschreiten der tödlichen Erkrankung verzögern lässt, muss sich noch erweisen.

Mittlerweile befinden sich auch ASOs in klinischen Prüfungen, die bei häufig auftretenden Erkrankungen helfen sollen. Als Spezialist für RNA-Therapeutika hat Ionis Pharmaceuticals (Carlsbad, USA) etliche Oligonukleotide sowohl gegen seltene als auch häufige Erkrankungen in klinischen Studien. Zu Letzteren gehört Tonlamersen, das zur Behandlung des resistenten Bluthochdrucks verwendet werden soll. Es kann die RNA von Angiotensinogen (AGT), einer wichtigen Komponente der Blutdruckregulation, aus dem Verkehr ziehen. Ionis prüft auch das Molekül Fesomersen, das die Synthese des Faktors XI blockiert. Es soll das Risiko senken, durch Thrombosen ausgelöste Infarkte und Schlaganfälle zu erleiden. Außerdem entwickelt die Firma antivirale Oligonukleotide, wie beispielsweise Bepirovirsen gegen chronische Hepatitis-B-Infektionen. Bepirovirsen ist bereits in der Phase 3 der klinischen Prüfung, die von GlaxoSmithKline geleitet wird.

Lipoprotein-Senker

Das ASO Pelacarsen von Ionis Pharmaceuticals und Novartis (Basel, Schweiz) hat es ebenfalls in eine Phase-3-Studie geschafft. Es bindet an die mRNA des Apolipoproteins A, kurz Lp(a). Letzteres gilt als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ist medikamentös aber bisher nur wenig beeinflussbar – im Gegensatz zu LDL-Cholesterin. Bei Personen mit erhöhten Lp(a)-Spiegeln sank dieser Wert durch Pelacarsen im Mittel um 80 Prozent auf fast normale Werte. In der aktuellen HORIZON-Studie soll untersucht werden, ob sich dieser Effekt tatsächlich auf das Risiko für kardiovaskuläre Probleme auswirkt.

Auch der in einer Phase-3-Studie angekommene Wirkstoffkandidat Olpasiran von Amgen (Thousand Oaks, USA) adressiert Lp(a) – es ist jedoch ein siRNA-Molekül. Zur Erinnerung: siRNAs vermitteln die RNA-Interferenz (RNAi), die Zellen nutzen, um Gene abzuschalten. siRNAs sind 20 bis 24 Nukleotide lange dsRNA-Moleküle mit einer speziellen 3D-Struktur und beidseitigen 3’-Überhängen. Sie werden vom zellulären Enzym DICER erkannt, das die Stränge voneinander trennt. Der Passenger-Strang wird abgebaut, die Guide-RNA landet im RISC-Komplex. Bindet sie eine komplementäre Zielsequenz, wird diese durch das Enzym AGO2 zerstört. Zielmoleküle können sowohl mRNAs als auch miRNAs sein. Sechs siRNA-Therapeutika wurden bisher zugelassen, vier davon kommen von Alnylam (Cambridge, USA). Der erste war Givosiran (siehe dazu auch den Artikel „Wirkstoff des Monats: Givlaari“ in Laborjournal 9/2020 auf Seite 53 oder auf LJ online - Link).

Wie ASOs adressieren auch siRNAs überwiegend seltene Erkrankungen, etwa akute hepatische Porphyrie, primäre Hyperoxalurie und hATTR. Doch mit Inclisiran gibt es nun auch erstmals ein RNA-Therapeutikum, das bei einem eher häufigen Befund helfen soll – ein zu hoher Cholesterinspiegel. Allerdings wird der Lipidsenker nur bei bestimmten Formen der Hypercholesterinämie verordnet. Ziel von Inclisiran ist die mRNA des Proteins PCSK9, das in der Leber am Abbau von LDL-Rezeptoren beteiligt ist. Durch die Inaktivierung der mRNA können die Lipide besser in die Zellen aufgenommen werden, was den LDL-Blutspiegel senkt (siehe dazu auch den Artikel „Wirkstoff des Monats: Inclisiran“ in Laborjournal 6/2021 auf Seite 39 oder auf LJ online - Link).

Ein ganz anderes und besonders häufig auftretendes Problem versuchte man mit dem siRNA-Molekül Tivanisiran zu behandeln: trockene Augen und damit verbundene Entzündungen. Tivanisiran (Sylentis, Spanien) ist eine siRNA gegen den Rezeptor TRPV1. Ins Auge getropft unterdrückt sie die Synthese des Rezeptors. TRPV1 ist ein Kalziumkanal, der in den Zellen der Hornhaut und der Augenlider sitzt. Er moduliert die Entzündungsreaktion. Wenn das Auge zu wenig Tränenflüssigkeit bildet, wird der Kanal schneller erregbar, was letztlich zu Entzündung, Schmerzen und Sehverlust führt. Die Resultate der Phase-3-HELIX-Studie waren leider nicht ausreichend überzeugend, auch wenn der Wirkstoff bei den Probanden Schmerzen reduzieren konnte. Aptamere, die ähnlich wie Antikörper funktionieren, tauchen bisher nur in einem einzigen zugelassenen Wirkstoff auf, nämlich in Pegaptanib, der von EyeTech Pharmaceuticals entwickelt und an Pfizer lizenziert wurde. Pegaptanib hemmt den Wachstumsfaktor VEGF. Bei der feuchten Makuladegeneration regt VEGF im Auge die Neubildung von Blutgefäßen an und erhöht die Durchlässigkeit der dortigen Blutgefäße, was langfristig zur Erblindung führt. Pegaptanib wurde in den USA 2004 zugelassen, befindet sich allerdings nicht mehr auf dem Markt, weil es andere Therapieoptionen gibt.

Obwohl inzwischen fast zwanzig Jahre vergangen sind, hat kein weiteres Aptamer die Marktreife erreicht. Der frühere Enthusiasmus ist Ernüchterung gewichen. Immerhin, ein paar Aptamere sind in klinischen Studien. Beispielsweise wird das Aptamer BT200 von Guardian Therapeutics (Lexington, USA) zur Behandlung verschiedener Blutgerinnungsstörungen in fünf Phase-2-Studien geprüft. Das Berliner Unternehmen TEM Pharma entwickelt das Aptamer NOX-A12 zur Behandlung des Glioblastoms, einer sehr aggressiven Form von Hirntumoren. In einer Pressemitteilung vom 10. Oktober 2023 berichtet die Firma, dass eine Kombination von NOX-A12, Bestrahlung und einem anti-VEGF-Molekül die 18-Monate-Überlebensrate von Glioblastom-Patienten von fünf Prozent (Bestrahlung und Chemotherapie) auf fünfzig Prozent steigern konnte. Ohne den VEGF-Inhibitor lag dieser Wert bei immerhin noch zwanzig Prozent. TEM Pharma will nun weitere klinische Studien durchführen.

Endlich finanziert scheint eine Studie mit dem Aptamer BC 007 zu sein, einem Hoffnungsträger zur Behandlung von Patienten mit Long-Covid (siehe dazu auch den Artikel „Aptamer mit Globuli?“ in Laborjournal 10/2023 ab Seite 36 oder auf LJ online - Link)

Kleine Moleküle bestehen zwar nicht aus RNA, können aber zelluläre RNAs adressieren – etwa der Splicing-Modulator Risdiplam, der das Splicing der SMN2-prä-mRNA verändert. Er wurde 2021 in Europa zugelassen. Die Prüfung von Branaplam, einem zweiten Kandidaten mit dem gleichen Wirkprinzip, wurde allerdings wegen Sicherheitsbedenken gestoppt. Risdiplam scheint selektiver und somit weniger Off-Target-toxisch zu sein.

RNA-Antibiotika

Wenn sie gegen krankheitserregende Bakterien gerichtet sind, können RNA-Moleküle auch wie Antibiotika wirken. „Es gibt zahlreiche Beweise dafür, dass ASO-Medikamente verschiedene Bakterien effektiv eliminieren können, einschließlich nachgewiesener Wirksamkeit in Tiermodellen. Dennoch müssen noch viele grundlegende Fragen beantwortet werden, damit diese Technologie ihr wahres Potenzial für eine präzise Bearbeitung des Mikrobioms entfalten kann,” schreibt der RNA-Spezialist Jörg Vogel, Direktor am Helmholtz-Institut für Infektionsforschung in Würzburg in Molecular Microbiology (doi: 10.1111/mmi.14476). Die Frage, ob programmierbare, Spezies-spezifische RNA-Antibiotika das Resistenzproblem lösen können, ist aber noch nicht beantwortet. Vogel ist sich dennoch sicher und prognostiziert im EMBO Journal (e114760): „[...]In naher Zukunft erwarten wir Fortschritte in allen Bereichen der RNA-Medizin – die möglichen Vorteile für Patienten sind zu groß, um sie zu ignorieren.”




Stabilisierung, Formulierung und Selektivität von RNA-Therapeutika

Stabilisierung

Modifikationen können RNA-Moleküle vor angriffslustigen Nukleasen schützen. Heute kennt man weit über 150 natürliche RNA-Modifikationen – und weiß von den meisten nicht, wofür sie gut sind. Eine Ausnahme ist Pseudouridin (ψ). Die gerade erst mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichneten Katalin Karikó und Drew Weissman entdeckten, dass diese Base den Angriff des Immunsystems auf RNA-Therapeutika verhindern kann.

Dennoch waren es vor allem Chemiker und die von ihnen entwickelten synthetischen stabilisierenden Modifikationen, die den Einsatz von RNA-Therapeutika erst möglich machten. Die Palette reicht von der Substitution einzelner Atome im Phosphatgerüst der Nukleinsäuren über das Addieren chemischer Gruppen an die Ribose bis zum Ersatz des Zuckers durch Analoga.

Zur Standardausrüstung von kurativen RNA-Molekülen gehört heute die 2’-O-Methylierung. Man nennt solche Moleküle auch 2’-Methoxyethyl-RNA oder 2’-MOE-RNA. Überraschenderweise trägt diese chemische Veränderung nicht nur zu einer erhöhten Stabilität, sondern auch zu besserer Affinität und Spezifität bei. Vollständig resistent gegen Exo- und Endonukleasen sind Locked Nucleic Acids (LNAs). Sie enthalten eine Brücke zwischen dem 2’-Sauerstoff der Ribose und dem 4’-Kohlenstoff.

Auch der Ersatz von Ribosen durch MorpholinRinge wirkt stabilisierend. An den Phosphatgruppen der Nukleinsäuren ersetzt man Sauerstoffatome durch Schwefelatome oder Stickstoff-Methyl-Verbindungen (Phosphordiamidat). Moleküle, die sowohl MorpholinRinge als auch ein Phosphordiamidat-Gerüst enthalten, bezeichnet man als Phosphordiamidat-Morpholino-Oligomere (PMOs). Durch besondere Stabilität zeichnen sich auch Gapmere aus. Das sind Chimären aus einem DNA-Molekül, das von zwei RNA-Sequenzen flankiert wird. Viele der heute zugelassenen oder in Prüfung befindlichen Wirkstoffe sind Gapmere.

Formulierung

Nanopartikel haben sich als brauchbare „Zusteller“ für RNA-Therapeutika erwiesen. Durch die mRNA-Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 sind insbesondere Lipidnanopartikel (LNP) in den Fokus gerückt. LNPs bestehen aus Lipiden oder Polymeren beziehungsweise aus Mixturen solcher Moleküle. Die Impfstoffe von Moderna und BioNTech/Pfizer sind in LNPs verpackt, die jeweils vier verschiedene Fettmoleküle enthalten: pegylierte Lipide für die Stabilisierung, Phospholipide und Cholesterin für die Struktur sowie ionisierbare Lipide. Die Ladung der ionisierbaren Fette lässt sich durch den Umgebungs-pH einstellen: positive Ladung fördert die Aufnahme der RNA in die LNPs, die Neutralisierung dieser Lipide, beispielsweise im Blutplasma, verbessert die Aufnahme der LNPs in die Zellen.

„Die Verwendung von ionisierbaren Lipiden geht allerdings zulasten der Stabilität und Lagerbarkeit”, erklärt Olivia Merkel von der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Ein Ziel der LNP-Forschung ist daher, Partikel zu entwickeln, die auch bei Raumtemperatur stabil sind.

Selektivität

ASOs, siRNAs und auch Aptamere lassen sich nicht an- und ausschalten. Bis sie in der Zelle abgebaut werden, sind sie ständig aktiv. Sollen sie ihre Wirkung nur in bestimmten Zelltypen entfalten, kann man ihre Aktivität mit Riboswitches gezielt steuern. Diese RNA-Elemente sitzen in den 5’-Untranslatierten Regionen von mRNAs. Sie binden kleine Liganden und regulieren ihre eigene Expression. Mit künstlichen Riboswitches könnte man siRNAs genau dann anschalten, wenn der passende RNA-Biomarker in einer Zelle vorhanden ist.

Eine Alternative sind Conditionally Activated siRNAs (CASis) (Mol. Ther. Nucl. Acids 27, 797-809). CASis bestehen aus drei RNA-Molekülen: einer siRNA, einer Sensor-RNA sowie einer Core-RNA, die zur Hälfte mit der siRNA, zur anderen Hälfte mit der Sensor-RNA hybridisiert und auf diese Weise die beiden anderen RNAs zusammenhält. Diese Struktur wird nicht von Dicer-Enzymen angegriffen, die siRNA ist also im Off-Status. Die RNAi-Aktivierung erfolgt über ein Strang-Displacement. Enthält die Zelle eine zum Sensor komplementäre RNA, verdrängt diese den Sensor-Strang. Nukleasen zerstückeln den Teil der Core-RNA, da dieser nun einzelsträngig ist. Zurück bleibt eine doppelsträngige siRNA – und der Gen-Knockdown kann beginnen. Ausschalten lässt sich dieses Konstrukt aber nicht mehr.

Eine Option, nur bestimmte Zelltypen mit RNA-Therapeutika anzusteuern, ist die Ligand-Conjugated Antisense (LICA) Technologie. Sie kombiniert ein ASO mit einem Liganden, der eine hohe Spezifität für einen Oberflächenrezeptor hat. Sehr häufig werden RNA-Wirkstoffe mit N-Acetylgalaktosamin (GalNAc) verknüpft. Dieses bindet einen Rezeptor, der besonders oft auf der Oberfläche von Leberzellen vorkommt. So kann man den Wirkstoff ziemlich spezifisch in Hepatozyten einschleusen.