Editorial

D-Day

Erlebnisse einer TA (26)

Annette Tietz


Die TA

Sagen Sie jetzt bitte nicht, dass Sie das nicht kennen: Man steht morgens auf, alles scheint ganz normal zu sein, und kaum hat man diesen Gedanken fertig gedacht, fängt das Chaos schon an: das Duschhandtuch ist nicht zurechtgelegt, der Kaffeefilter kippt um, das Marmeladenbrot fällt mit der Marmeladenseite auf die frische Hose. Kurz darauf kommt die Zahnpasta dazu. Das sind Tage, an denen möchte man gleich wieder zurück unter die Bettdecke und erst am nächsten Morgen einen neuen Versuch starten. Am liebsten würde man seinen Chef anrufen und darauf hoffen, dass er die Situation sofort versteht und einen an diesem Tag entschuldigt.

Okay, ich habe es noch nicht wirklich versucht, aber ich denke, dieser Plan würde wohl scheitern. Also schleppte ich mich neulich in Richtung Labor und versuchte mir einzubilden, dass es bestimmt nur ein doofer Start in den Tag war und dass es von nun an nur noch besser werden konnte.

Puffer auf Abwegen

Kaum im Labor angekommen, zerplatzte meine Hoffnung wie eine Seifenblase: gleich zu Beginn musste ich feststellen, dass Brad Pitt seiner Aufgabe, die Pufferflaschen einmal wöchentlich zu prüfen und zu füllen, seit langem nicht mehr nachgekommen war. Also suchte ich im Chemikalienschrank nach den Komponenten – natürlich fehlte eine. Ich ließ mich nicht aus der Ruhe bringen und suchte erst mal im Labor nach Alternativen. Schließlich kann man aus so manchem bestehenden Puffer durch Verdünnen ja noch den gewünschten herstellen. Ich ließ mich dabei auch nicht von der riesigen Wasserpfütze auf dem Boden stören, die sich aus einem scheinbar schon seit Stunden lustig vor sich hintropfenden Wasserkanister bildete. Ich versuchte locker zu bleiben und ein Problem nach dem anderen zu lösen.

Da mir das „aquatische“ Hindernis das größere der beiden (ich war erst bei zwei Problemen!) schien, suchte ich zunächst nach Wischtüchern und legte damit den Boden trocken. Wahrscheinlich etwas zu schwungvoll: Die von mir auf dem Boden abgestellte Pufferflasche kullerte plötzlich quer durchs Labor, um dann hinter dem Kühlschrank zu verschwinden. Ein Problem gelöst, kam auch gleich das nächste. Wie sollte ich denn da ran kommen? Bevor ich mich der Rettung der Pufferflasche widmen konnte, musste ich feststellen, dass sich auch die PCR-Maschine in den Boykott mit einreihte. Sie zeigte freudig blinkend an, dass die gestern von mir in fisseliger Kleinstarbeit erstellte PCR seit genau 13 Stunden und 46 Minuten auf 56 °C vor sich hin blubberte. Ich kniff ganz fest die Augen zusammen in der Hoffnung, dass dies Einbildung oder zumindest eine optische Täuschung war und doch alles gut wird. Kleiner Tipp für die Zukunft: hilft nix!

Ich war gerade dabei, etwas unelegant hinter den Kühlschrank zu klettern und meiner Pufferflasche „Ich krieg dich!“ zu versichern, als ein Handwerker in der Tür stand und mich fragte: „Haben Sie einen Schlüssel zum Nachbarlabor? Ich muss da was prüfen!“. Klar hab ich. Der Punkt ging an die Pufferflasche, die es sich in ihrem Versteck gemütlich machte. Gerade als ich mich wieder der sich neu bildenden Pfütze auf dem Boden widmen wollte, rief mich die Bestellzentrale an und erklärte mir, dass das gestern von mir bestellte Reagenz nicht mehr lieferbar sei, da es die Firma X nicht mehr gäbe und erst geprüft werden müsse, ob sie sich nicht vielleicht mit Firma Y zusammen geschlossen hätte zur Firma XY, oder aber auch unter einem neuen, noch unbekannten Namen weiterexistiere. Keine Panik!

Während meine Gedanken noch um X und Y kreisten, stand wieder der Handwerker in der Tür und meinte, er sei jetzt fertig und ich könne die Tür wieder abschließen. Ich wedelte noch kurz mit den Aufwischtüchern in der Gegend rum und versicherte, dass ich das gleich machen würde, woraufhin er auf meine Hose deutete und meinte: „Sie ham da was!“. Okay, es wäre wahrscheinlich ohnehin kein besserer Tag geworden, aber zumindest ein etwas weniger peinlicher Tag ohne Marmelade und Zahnpastaflecken auf der Hose...



Letzte Änderungen: 01.08.2018