36.000 Proben auf einen Schlag
(25.11.2020) Der NGS-basierte SARS-CoV-2-Test SARSeq aus Wien hinkt ähnlichen Tests zwar etwas hinterher. Dafür scheint er aber einer der ausgereiftesten zu sein.
Die Slowakei hat’s vorgemacht, Südtirol folgte. Jetzt kommt Österreich. Von Massentests erhofft sich die Regierung, das Infektionsgeschehen (wieder) in den Griff zu bekommen und allen noch härtere oder längere Lockdowns zu ersparen. Ein annähernder Kollaps bei der Kontakt-Nachverfolgung mag diesen Plan B befeuert haben.
Billig müssen die Tests sein, und schnell, und da es nur Momentaufnahmen sind, müssen sie wiederholt werden. Zum Herausfischen von Virusschleudern sieht Österreich Antigen-Schnelltests vor. Wie sie logistisch ablaufen sollen, ist zwar noch schleierhaft. Dass die Probennahme von tausenden Menschen funktionieren kann, begründet der Molekularbiologe Ulrich Elling vom Wiener Institute of Molecular Biotechnology (IMBA) in einem Interview im österreichischen Fernsehen aber mit einem einfachen Vergleich: „An Wahltagen schafft man es ja auch“.
Wiener Kollaboration
Ellings Gruppe hätte auch gleich noch die SARSeq-Methode als alternatives Testverfahren zu bieten, die aber (noch) nicht im aktuellen Massentestplan vorgesehen ist. Entwickelt hat er SARSeq zusammen mit Luisa Cochella und Alexander Stark vom benachbarten Research Institute of Molecular Pathology (IMP).
SARSeq (saliva analysis by RNA sequencing) kann bis zu 36.000 Proben über Nacht analysieren. Analog zum klassischen RT-qPCR-Test wird eine RNA-haltige Probe revers transkribiert und per PCR mit Virussequenz-spezifischen Primern amplifiziert. Die PCR-Primer tragen jedoch DNA-Barcodes mit unzähligen Kombinationsmöglichkeiten, so dass individuelle Primer für tausende Proben vergeben werden können. Nach der Amplifikation werden die zusammengeführten Proben im NGS-Apparat sequenziert. Dank des Barcodes lässt sich rückverfolgen, von welcher Testperson ein (Virus-)PCR-Produkt stammt. Mit entsprechenden Primern lässt sich eine Probe neben SARS-CoV-2 auch gleich auf andere Viren, zum Beispiel Influenza A und B testen.
Raffinierte Vorteile
Gegenüber anderen NGS-basierten Testverfahren wie zum Beispiel LAMPSeq, SwabSeq oder LamPORE wartet SARSeq mit zusätzlichen Vorteilen und extra Raffinessen auf. Zum einen akzeptiert die Technik neben Speichel- auch Gurgelproben, spart also die mühsame und unangenehme Entnahme von Abstrichen. Die Forscher testeten die Probenbehandlung auf Kompatibilität mit den Folgeschritten von SARSeq. Dazu erhitzten sie die Proben fünf Minuten bei 95°C, um das Virus unschädlich zu machen und setzten dann die von Feng Zhangs Gruppe am MIT entwickelte QuickExtract-Lösung zu. Diese harmonierte mit den weiteren SARSeq-Schritten genauso gut wie die üblichen RNA-Extraktionsverfahren. Um die Spezifität der RT-PCR zu erhöhen, führte das Wiener Team diese mit zufälligen Hexameren sowie zwei zusätzlichen SARS-CoV-2-spezifischen Primern durch.
Der eigentliche Clou besteht jedoch darin, dass im NGS-Gerät Proben unabhängig von ihrer ursprünglichen Viruskonzentration vorliegen. Stellt man sich vor, Proband A hätte 1.000-mal mehr Viruspartikel als Proband B, so würden seine Reads dominieren, und Proband B am Ende sogar unerkannt bleiben. Aber wie kann man Proben auf ein gleiches Level einstellen? Indem man alle Einzelproben zunächst bis zur Sättigung amplifiziert, und erst mit diesem Material die eigentliche Amplifikation mit den Barcode-Primern durchführt. Letztere haben Bindestellen für das erste Primer-Paar.
Alternative Kontrollen
Wie bei allen Testverfahren muss man natürlich sicher sein, dass ein Negativ-Ergebnis tatsächlich „nicht-infiziert“ bedeutet und nicht etwa auf mangelhafte Probenqualität, Inhibitoren et cetera zurückzuführen ist. Interne Kontrollreaktionen mit den klassischen RPP30-Primern (humane RNAse P) lieferten unspezifische Amplifikationsprodukte, weshalb die Forscher sich nach Alternativen umschauten. Schließlich machten 18S-rRNA-spezifische Primer das Rennen. Sie sind kompatibel mit der gesamten Prozedur aus multipler PCR und NGS.
Noch ein pfiffiges Extra setzte die Wiener Mannschaft um, indem sie die RNA-Proben bei der RT mit einem Schuss synthetischer RNA versetzte. Diese ähnelt der Virus-RNA und wird von den Virus-spezifischen Primern revers transkribiert beziehungsweise später amplifiziert. Die Sequenz der synthetischen RNA weicht jedoch von der eigentlichen Virus-Sequenz ab, so dass die Reads unterscheidbar sind. Ein hohes Verhältnis von 18S-rRNA-Reads zu Reads der synthetischen RNA weist auf eine hohe Probenqualität hin.
Und was würde SARSeq kosten? Mit in-house produzierten Enzymen und den ohnehin am Wiener Biocenter vorhandenen NGS-Apparaten könnte man, so schätzt die Gruppe, mit fünf Euro pro Probe hinkommen.
Andrea Pitzschke
Yelagandula R. et al. (2020): SARSeq, a robust and highly multiplexed NGS assay for parallel detection of SARS-CoV2 and other respiratory infections. MedRxiv, DOI: 10.1101/2020.10.28.20217778
Bild: APA/IMBA/P. Duchek