Tagungslöwen
Was können Zitationsvergleiche ... nicht unbedingt?
Weichel war Dekan. Und im Moment verfluchte er wieder einmal diesen Job. Ausgerechnet jetzt war er an der Reihe, wo innerhalb kurzer Zeit gleich mehrere Berufungsverfahren laufen mussten. Irgendwie war ihm dieses ganze Ballyhoo jedesmal zuwider.
Der Lehrstuhl für Verhaltensbiologie war nun also dran. Die Fakultät hatte es tatsächlich geschafft ihn zu erhalten, trotz des massiven Abbaus der Verhaltensbiologie sonstwo im Land. Das zum Beispiel, das war etwas, wofür es sich lohnte Dekan zu sein.
Eine dicke Mappe lag nun auf Weichels Tisch. Er blätterte sie durch und stellte fest, dass sein Dekanatsmitarbeiter ganze Arbeit geleistet hatte: Veröffentlichungslisten aller Bewerber waren samt Zitierzahlen fein säuberlich abgeheftet.
Weichel selbst hielt zwar nicht viel von Papermasse und Zitierzahlen als Kriterium für die Qualität eines Lehrstuhlbewerbers, aber einige Kollegen in der Kommission sahen das anders. Zumal die Verhaltensbiologie nicht unbedingt eine Disziplin war, in der Forschungsarbeiten inflationär zitiert würden. Wie auch immer, schaden würde es gewiss nicht diese Daten zu haben, dachte Weichel - und begann den Ordner durchzublättern.
Es dauerte etwa eine halbe Minute, da war ihm doch einer der Kandidaten aufgefallen. Hamsterer war sein Name, Professor war er in den Niederlanden, und das sogar schon eine ganze Weile. "Wahrscheinlich Deutscher, der wieder zurück will, weil seine Kinder hier in die Schule gehen sollen", dachte Weichel.
Seine Publikationsliste jedoch schien imposant. Wo die übrigen Bewerber mit etwa 30 bis 60 Artikeln aufwarten konnten, überflügelte Hamsterer diese lässig mit durchnummerierten 188 Referenzen.
Weichel hatte eigentlich noch gar nicht vor, sich in die Unterlagen einzulesen - aber das musste er sich genauer anschauen. Die Zitierzahlen - na ja, das Gros zwischen ein und zehnmal zitiert. Mehr ist bei Verhaltensbiologen auch kaum zu erwarten, echte Zitations-"Blockbuster" wie in der Krebsforschung oder Mikrobiologie gibt es in dieser Disziplin nicht. Daneben noch knapp zehn Artikel mit mehr als zehn Zitierungen, und etwa 40 mit je keiner. Auch das wohl eher normal.