Editorial

Wetten, dass nicht?

Erlebnisse einer TA (42)

Annette Tietz


Die TA

Samstagabend, 20.15 Uhr: Die typische deutsche Familie sitzt mit reichlich Chips und Gummibärchen bewaffnet vor dem Fernseher und lässt sich von dem alternden Blondschopf mit teurem Modegeschmack mit einem „Guten Abend, Friedrichshafen!“ begrüßen. Egal wo man vor seinem Fernseher sitzt. Richtig, es läuft diese bekannte Show. Mehr oder weniger prominente Promis begleiten einen durch den Abend, ab und an unterbrochen von mehr oder weniger originellen Wetten, die einen wieder aus dem Halbschlaf reißen. Das Gute an der Sendung ist: man kann sein Gehirn auf ein Minimum herunterfahren. Im Gegensatz zum Laboralltag: da sollte man nicht den Stand-by-Modus wählen.

Aber wie ich neulich feststellen musste, hat die Laborarbeit auch was von einer Fernsehshow. Okay, ich bin nicht blond, habe keinen ausgefallenen Modegeschmack und bei mir laufen leider keine Promis durchs Labor (das Problem habe ich ja schon ein bis zwei Mal erwähnt). Und ich arbeite auch nicht in Friedrichshafen. Und überhaupt: niemand applaudiert, wenn ich das Labor betrete.

Verlorene Wetten

Trotzdem hatte die letzte Woche ein bisschen was von einer Unterhaltungssendung: Hätte ich gewettet, dass der Drucker es nicht schaffen würde, das zehnseitige Paper zu drucken, ich hätte gewonnen! Denn wenn ich einmal was drucken möchte, empfängt mich mit Sicherheit ein wild blinkender Drucker. Günstigstenfalls fehlt ihm nur Papier.

Ich hätte auch wetten können, dass sich das Analysegerät nach der 45. von 50 Proben in den Feierabend verabschiedet und der Kollege, der sich damit auskennt, gerade auf einem wichtigen Meeting ist oder für die nächsten sechs Monate in Brasilien, was auf das gleiche herauskommt. Die Wette, ob sich die Zellen diese Woche so bilderbuchmäßig geteilt haben wie letzte Woche, und sie somit für den heutigen Versuch reichen würden – die hätte ich verloren.

Als ich am Nachbarlabor vorbeikam, hatten meine beiden Kollegen offenkundig eine andere Wette am Laufen: Herr K. aus U. und Herr B. aus I. wetteten, dass sie es schaffen würden, alle herumstehenden Kisten mit Verbrauchsmaterial in unseren kleinen Vorratsraum zu quetschen. Und das vor 16.30 Uhr. Die Wette war von vorneherein verloren, doch die beiden stapelten verbissen weiter. Schoben Kisten in die Ecke, stapelten sie übereinander und räumten Regale um. Schließlich gaben sie auf. Die Zeit war ohnehin schon längst um. Das war's. Ohne die drei obligatorischen „Ihr habt das aber trotzdem toll gemacht“-Küsschen links-rechts-links standen sie mit hängenden Backen vor dem Chaos.

Unerwarteter Sieg

Kurz bevor ich den Kaffeeraum betrat, schloss ich selbst eine Wette ab: Wetten, dass das Kaffeepulver (wir haben immer noch keine Pad-Maschine! Ach, das wissen Sie schon?) nicht mehr für eine Kanne Kaffee reicht, und die Schere, um eine neue Packung Kaffee aufzuschneiden, ist auch weg. Und wetten, dass nix mehr von dem Kuchen übrig ist, der heute Morgen auf dem Tisch stand?

Die Hand am Türgriff hielt ich inne. Wetten, dass der Mülleimer voll ist und der diensthabende Kollege sich mit den Worten „Ich wusste gar nicht, dass ich dran bin“ rückwärts davonmacht. Ich öffnete die Tür. Ein geputzter, nach Kaffee duftender Raum mit gedecktem Tisch inklusive Kuchen empfing mich. Ich klappte Tür und Mund wieder zu, meditierte kurz über meinem Bauchnabel, überprüfte das Raumschild und wagte einen zweiten Versuch. Ich war tatsächlich im richtigen Zimmer.

Als ich noch darüber nachdachte, worum ich eigentlich gewettet hatte, kam meine Kollegin rein. „Ach da bist du! Ich dachte, ich mach’s uns ein bisschen gemütlich für den Nachmittag und hab mal ’nen Kaffee aufgesetzt. Was schaust’n so?“

Mir jedoch fehlten immer noch die Worte. Alles, woran ich denken konnte, war, dass jetzt nur noch Clooneys George fehlt, der reinspaziert und auf dem Wettsofa Platz nimmt.



Letzte Änderungen: 01.08.2018