Editorial

Mikroben gegen
Waschmaschinen-Muff

(29.08.2022) Anscheinend schützen Bodenbakterien wie Rhizobium Textilien vor schlechten Gerüchen, wenn sie in den Biofilmen der Waschmaschine leben.
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Wäsche soll man bei geringen Temperaturen waschen, heißt es. Das verbraucht weniger Energie, und moderne Waschmaschinen können zudem noch den Wasserverbrauch minimieren. Allerdings: Wenn die Wäsche nach dem Trocknen schlecht riecht, wird man sie wohl erneut in die Trommel stecken; diesmal mit mehr Wasser und bei höheren Temperaturen. Die Idee mit dem Klima- und Ressourcen­schutz geht dann also nach hinten los.

Tatsächlich begünstigen Temperaturen um die 30 Grad Celsius in den Waschmaschinen das Wachstum geruchs­bildender Bakterien. Andererseits gibt es Haushalte, die offenbar keine Probleme mit muffiger Wäsche haben, obwohl sie fast ausschließlich bei niedrigen Temperaturen waschen. Was ist in diesen Haushalten anders? Sind es die Mikro­organismen auf den Textilien und in der Waschmaschine? Kommt es darauf an, wer oder wie viele Menschen im Haushalt leben? Diesen Fragen sind Marc-Kevin Zinn, Hans-Curt Flemming und federführend Dirk Bockmühl von der Hochschule Rhein-Waal sowie der Uni Duisburg-Essen nachgegangen. Aus 359 Haushalten hatten sie Fragebögen rund um das Waschverhalten zurück­bekommen. 48 dieser Haushalte standen den Forschern für mikrobio­logische Analysen zur Verfügung.

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Kinder und Haustiere unschuldig

Das Forschertrio betritt dabei jedoch kein Neuland, denn in ihrer Einleitung gehen sie auf verschiedene voraus­gegangene Publikationen rund um die Untermieter in Waschmaschinen ein. Sie sitzen vor allem in Biofilmen im und am Waschmittelfach und den Gummi­dichtungen. Extrazelluläre Polymere dieser Biofilme schützen die Bakterien vor dem Herauswaschen, und einige Geruchs­übeltäter sind bereits in der Literatur beschrieben, so etwa Moraxella osloensis. Mit diversen Bakterien gab es in der Vergangenheit Laborversuche, in denen man die nasse Umgebung der Waschmaschine simuliert hatte. Als typische chemische Marker für schlechten Geruch konnte man dabei vor allem Disulfide und Indol dingfest machen.

Allerdings, so schreiben die Autoren, fehlten bislang Daten zu den Bakterien-Gemeinschaften in den Biofilmen, die in Waschmaschinen unangenehme Gerüche bilden im Vergleich zu solchen, die keine olfaktorischen Probleme bereiten. Genau das untersuchten die drei Forscher in ihrem Projekt und schauten sich Korrelationen zu den Haushalten an. Einige Teilnehmer bekamen hierzu auch Handtücher ausgehändigt, mit der Vorgabe, sie eine Woche lang zu verwenden und in dieser Zeit nicht zu trocknen oder zu waschen. Jedoch zeigte die Auswertung der Fragebögen keine besonderen Korrelationen zu den Bakterien-Gemeinschaften in Waschmaschine oder auf den Handtüchern. Ob es in einem Haushalt Kinder oder Haustiere gab oder welche Waschmittel die Teilnehmer benutzten, schien keinen relevanten Einfluss auf die Gemeinschaft der Mikro­organismen auszuüben.

Staphylococcus an Gummidichtung

Im Weiteren plattierten die Forscher die Bakterien aus Handtüchern und Biofilmen aus, um sie zu zählen. Natürlich führten sie auch eine metageno­mische Analyse durch, um ein möglichst vollständiges Bild aller Waschmaschinen-Mikroben zu bekommen. Pseudomonas und Staphylococcus tauchten regelmäßig auf, unter den Eukaryoten fanden sich Hefe und andere Pilze. Haushalte mit unangenehmen Gerüchen beherbergten im Schnitt mehr Staphylococcus an den Gummi­dichtungen; doch überraschen­derweise fand man keine einzelnen Arten, die ausschließlich im Zusammenhang mit übel riechender Wäsche präsent sind. Im Gegenteil entdeckte das Team zusätzliche Bakterien-Arten dort, wo die Haushalte gerade nicht über schlecht riechende Wäsche klagten.

Dort nämlich sind regelmäßig Rhizobium, Agrobacterium, Bosea und Microbacterium Teil der mikrobiellen Gemeinschaft – allesamt Bakterien, die sonst in Böden leben. Die Autoren glauben, dass diese Bodenbakterien einen gewissen Schutz vor schlechten Gerüchen bieten. Natürlich stellt sich die Frage, ob nicht umgekehrt die Bodenbakterien einfach dort besser gedeihen, wo es nicht schlecht riecht – und sie gar nicht kausal mit dem „Nicht-Geruch“ in Zusammenhang stehen. „Das können wir nicht ganz ausschließen“, räumt Dirk Bockmühl ein, Leiter der Arbeitsgruppe Hygiene und Mikrobiologie an der Hochschule Rhein-Waal in Kleve. „Generell deuten die Ergebnisse der Principal-Component-Analyse aber darauf hin, dass riechende und nicht-riechende Maschinen zunächst einmal ein ähnliches Mikrobiom haben, mit dem Unterschied, dass nicht-riechende Waschmaschinen zusätzlich bestimmte Bodenbakterien beherbergen.“

Die Principal-Component- oder Hauptkompo­nentenanalyse ist ein statistisches Verfahren, um gemessene Werte – in diesem Fall die Mikroorganismen – als Punkte in einem Koordinaten­system zu plotten. Dabei bilden die Punkte typische Cluster, die man vergleichen kann zwischen (in dieser Studie) Haushalten mit unangenehm riechender Wäsche und solchen ohne schlechte Gerüche. Für Waschmittelfach und Gummi­dichtungen lagen die Cluster für geruchsbildende Gemeinschaften innerhalb der Cluster mit nicht-geruchs­bildenden Gemeinschaften. Dort, wo es nicht riecht, kommen in der Waschmaschine also auch all jene Organismen vor, die sonst in Maschinen mit übel riechender Wäsche leben. Somit liegt nahe, dass irgendetwas dort den Geruch aktiv verhindert.

„Probiotika“ fürs Waschmittelfach?

Speziell Rhizobium, so schließen es die Autoren aus ihren Analysen, trägt wohl wesentlich dazu bei, schlechte Gerüche zu reduzieren. Könnte man also Waschmaschinen-Tabs entwickeln, die aktiv Bodenbakterien in die Biofilme einschleusen? „Das wäre eine faszinierende Vorstellung, die wir sicherlich für die Zukunft erwägen“, so Bockmühl. „Bis so etwas technologisch umsetzbar ist, wird es aber noch eine Menge Arbeit brauchen. Bis dahin bleibt – gewissermaßen als Notlösung – das Bakterien­wachstum zu unterbinden. Wir raten aber zum Öffnen der Waschmaschine und der Einspülkammer nach dem Waschen sowie einer regelmäßigen 60-Grad-Wäsche mit einem herkömmlichen, bleichehaltigen Vollwaschmittel. Der Einsatz zusätzlicher Biozide ist dann nicht notwendig. 90-Grad-Celsius-Waschgänge benötigen sehr viel Energie und sollten daher möglichst vermieden werden.“

Auch wenn es mal schlecht riecht: „Generell ist das Risiko einer Infektion über Wäsche und Waschmaschine als sehr gering einzuschätzen“, beruhigt Bockmühl an dieser Stelle. In Krankenhäusern und Pflege­einrichtungen wird man natürlich weniger tolerant sein gegenüber mikrobiellen Mitbewohnern. Wer aber als gesunder Mensch mit funktionierendem Immunsystem Wäsche wäscht, hat lediglich mit einer „geruchs­ästhetischen Einschränkung“ zu kämpfen. Bis es „Probiotika für die Wäschetrommel“ gibt, darf man also zwischendrin auch mal bei 60 Grad waschen.

Mario Rembold

Zinn M. et al. (2022): A comprehensive view of microbial communities in the laundering cycle suggests a preventive effect of soil bacteria on malodour formation. Microorganisms, 10(7): 1465

Bild: Pixabay/mpkino


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Letzte Änderungen: 29.08.2022