Editorial

Nix gecheckt

(27.02.2023) Gute Vorbereitung und Organisation sind das A und O im Labor. Da kann auch der wissenschaftliche Nachwuchs noch was von unserer (neuen) TA lernen.
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Wie jeden Werktag betrete ich in den frühen Morgen­stunden das noch im Dunkeln liegende Labor. Ich lasse es im grellen Neonlicht erstrahlen und schaue als Erstes auf meinen To-do-Kalender. Vollkommen informiert und bestens vorbereitet für den Tag starte ich die ersten Geräte, stelle Medium warm usw. Kurzum: Ich mache Dinge, mit denen eine organisierte TA ihren Laboralltag beginnt.

Stopp, da war doch noch was, blitzt es durch das TA-Gehirn: Erstmal Kaffee! Natürlich gehört auch das kleine Schwarze am Morgen zu diesen Dingen.

Nach dem Kaffee und den ersten Experimenten trudelt – früher oder meist eher später – die restliche Labor­mannschaft ein. Damit ist die „Fragestunde“ eröffnet: „Wo finde ich dieses und jenes?“, „Ist das Enzym­pöttchen leer, und falls ja, warum?“, „Und wo um Himmels Willen finde ich Nachschub?“ Offenbar sind nicht alle Mitglieder des Labors so gut vorbereitet und organisiert. Das bringt mich zur heutigen Geschichte.

Editorial

Eines Tages kam eine Jungwissen­schaftlerin empört und mit verzweifeltem Gesichts­ausdruck zu mir. Pflichtbewusst frage ich: „Was ist los? Kann ich dir irgendwie helfen?“

Sie: „Jaaa, die beiden Antikörper-Tubes, die ich genau jetzt für mein Experiment brauche, sind fast leer!“

Ich schaue sie an, gespannt auf das, was da noch kommt. Denn diese Info allein ist zwar durchaus bemerkenswert, erfordert aber erstmal kein Einschreiten meinerseits.

„Der Rest wird wohl nicht reichen! Was soll ich denn jetzt machen?“

Aha, damit kann ich arbeiten! Ich versuche Ruhe und Gelassenheit auszustrahlen und frage sie, ob es möglicherweise noch Nachschub im Storage gibt. Außerdem empfehle ich: „Zentrifugier doch einfach die Antikörper-Röhrchen kurz an, vielleicht geben sie doch noch was her.“

Eine Frage kann ich mir trotzdem nicht verkneifen: „Hast du denn bei deiner Versuchsplanung nicht alle Reagenzien gecheckt, die du brauchst?“

„Doch klar! Ich hab das Experiment vor Kurzem schon einmal gemacht. Heute ist das zweite Mal.“

Das irritiert mich dann doch und ich hake nach: „Also war beim ersten Experiment noch alles ausreichend da, und zwar sowohl vorher als auch nachher!?“

Sie nickt eifrig. „Ja, wirklich.“ Und nach kurzer Pause legt sie nach: „Als ich das Experiment vor zwei Jahren zum ersten Mal gemacht habe, war alles da!“

Meine Ohren rauschen, mein Gehirn versucht verzweifelt diese Information zu verarbeiten. Hat sie wirklich zwei Jahre gesagt?!

Vorsichtig frage ich nach: „Vor zwei Jahren?“

Ein entspanntes „Ja“ fliegt mir entgegen.

Es fällt mir schwer, meine Gesichtszüge zu kontrollieren und nicht mit dem Kopf auf den Tisch zu knallen. Als ich meine Sprache wiedergefunden habe, melde ich Zweifel an: „Ääähm, ‚zwei Jahre‘ ist nicht wirklich vor Kurzem!“

Ungläubige große Augen, wie bei diesen japanischen Manga-Figuren, starren mich auf Wissenschaftlerin-Seite an.

„Also, drei Monate lass ich noch durchgehen, aber alles drüber ist dann schon echt ziemlich lange her“.

Weiterhin keine Reaktion.

Ich teile deshalb meine unendliche TA-Weisheit mit dem akademischen Nachwuchs: „Vielleicht ist es besser, immer direkt vor dem Start eines Experiments die Lage zu checken?!“

Die Jungwissen­schaftlerin schaut zwar nach wie vor irritiert, nickt die gegebenen Informationen dann aber doch ab. Puh, Glück gehabt.

Und ein Happy End gab’s obendrauf. Ruckzuck wird mein Zentrifugations­vorschlag in die Tat umgesetzt und, schau an, es ist tatsächlich ausreichend Antikörper-Lösung im Röhrchen. Yeah, der Tag für die Jungwissen­schaftlerin ist gerettet. Und meiner irgendwie auch.

Was haben wir daraus gelernt: Zeit ist relativ und Versuchs­vorbereitung wird völlig überbewertet!

Ute Ipe

Bild: Pixabay/ElisaRiva


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Letzte Änderungen: 27.02.2023