Editorial

Kurzschluss-Reaktion

(30.03.2023) Wenn im Zellkultur-Labor bequemes Forscherhirn auf unsere gewissenhafte TA trifft, dann kann Letztere schon mal außer Kontrolle geraten.
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Heute Morgen komme ich etwas müde, aber meinem Eindruck nach doch motiviert ins Labor. Arbeits­technisch darf ich mich endlich mal wieder in der Zellkultur austoben und stapfe in die selbige. Licht an und los geht’s? Weit gefehlt! Was ist das für ein Surren? Ich mache mich auf die Suche.

Die Sterilbänke schlafen noch und auch die Inkubatoren klacken wie immer. Habe ich vielleicht über Nacht einen Tinnitus entwickelt? Neeee, ich verwerfe diesen Gedanken direkt wieder. Stattdessen sperre ich meine Lauscher noch weiter auf und tatsächlich, da ist sie, die Quelle des surrenden Übels: Eine Vakuumpumpe unter der Sterilbank hat keinen Schlaf gefunden und surrt vor sich hin. Das macht mich stutzig.

Editorial

Warum? Weil wir bei uns im Labor die Zellkultur-Vakuumpumpen über einen Fußtaster steuern, damit sie hin und wieder ihre Ruhe finden. Das soll ihnen ein langes – und mehr oder weniger glückliches – Dasein bei uns ermöglichen. Dieses Exemplar hier aber scheint den Fußtaster einfach zu ignorieren.

Es hilft alles nichts: Ich zwänge mich unter die Sterilbank, um zu schauen, was da los ist. Jauuu, ich glaube es nicht. Da hat sich doch tatsächlich jemand die Mühe gemacht, die Vakuumpumpe kurzzuschließen. Seiner einzigen Funktion beraubt liegt der Fußtaster nun nutzlos in der Ecke rum. Ich weiß nicht, ob ich weinen oder mich über so eine technisch versierte Leistung freuen soll. Wer könnte das gewesen sein?

Ich schalte die heißgelaufene Pumpe aus und gebe dem Fußtaster seine Funktion zurück. Soho, alles wieder gut. Jetzt muss ich aber erst mal mit meinem Zellkultur­kram vorankommen, um die Pumpenfrage kümmere ich mich später. Voll konzentriert sitze ich an der Sterilbank und bepuschel meine Zellen.

Etwas später höre ich Schritte hinter mit. Einer unserer Top-Wissenschaftler betritt die Zellkultur-Arena und startet seine Vorberei­tungen: Sterilbank an, Medium warmstellen usw. Diese Aktivitäten begleitet er mit regelmäßigen Seufzern. Ja, ja, so ein Forscherleben ist schon schwer, denke ich und pipettiere weiter vor mich hin.

„Grumph!“ Oha, jetzt geht’s los. Der Top-Forscher setzt sich an die Sterilbank und fängt sichtlich verärgert an zu forschen. Plötzlich brabbelt und flucht er vor sich hin. Was hat er denn?, denke ich. Dann ist er auch schon unter der Sterilbank verschwunden. Jetzt kann ich mich nicht mehr zurückhalten und frage direkt. „Was machst du da!“ Völlig angenervt entgegnet er: „Die Vakuumpumpe läuft nicht, dabei habe ich sie gerade erst umgebaut!“

„Du warst das! Warum machst du so nen Blödsinn?“, platzt es unkontrolliert aus mir heraus. Mein aufgestauter Ärger der letzten Stunde entlädt sich gen Forscher: „Die Pumpe ist die ganze Nacht durch gelaufen. Kannst froh sein, dass die das überlebt hat! Die Fußtaster haben schon ihren Sinn!“

Sichtlich pikiert krabbelt er wieder auf seinen Stuhl und startet mit seiner Erklärung: „Das ist doch voll nervig mit diesen Fußtastern. Man muss jedes Mal dran denken sie zu drücken, wenn man was absaugen will. Dafür habe ich nicht den Kopf.“ Mittlerweile gereizt – um nicht zu sagen: angepisst – erwidere ich: „Gewöhn dich dran und stell einfach eine kleine Region deines Gehirns für diese hochkomplexe Aufgabe ab! Geräte­lebensdauer geht immer vor bequeme Forscherhirne.“

Grummelnd nimmt er meine Anweisung zur Kenntnis. In weiser Voraussicht ergänze ich meine Tirade um eine Drohung: „Und komm nicht auf den Gedanken, den Fußtaster zu beschweren und so die Pumpe im Dauerbetrieb zu halten!“ Des Forschers Gesicht verfinstert sich noch mehr. Dass das überhaupt noch möglich ist!

Wir wenden uns beide wieder unserer Arbeit zu und nach und nach entspannen sich die grummeligen Gesichtszüge. Frieden und Ruhe ist in die Zellkultur-Arena zurückgekehrt. Die Werkbänke rauschen, die Inkubatoren klacken – nur hin und wieder unterbricht das Surren einer Vakuumpumpe die Stille, ausgelöst über Fußschalter.

Ute Ipe

Bild: Pixabay/Alexas_Fotos


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Letzte Änderungen: 30.03.2023