Editorial

Das geht noch besser!

(25.04.2023) Klinische Studien müssen vorab registriert werden. Was für die Medikamentenzulassung Standard ist, fällt deutschen Unis immer noch schwer.
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Zulassungs­behörden wie die Food and Drug Administration (FDA) in den USA, die European Medicines Agency (EMA) auf EU-Ebene oder das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin­produkte (BfArM) in Deutschland verlangen, dass man eine klinische Studie registriert, bevor der erste Proband auf der Matte steht – damit man Hypothesen nicht nachträglich anpassen kann. Überdies vereinfacht die Vorab-Registrierung das Erkennen eines möglichen Publika­tionsbias. Wenn folglich zu einer Therapie deutlich mehr Studien registriert sind als innerhalb eines angemessenen Zeitraums Ergebnisse dazu berichtet wurden, dann stimmt wahrscheinlich irgendetwas nicht.

Seitdem Vorabregistrierung und das Berichten von Ergebnissen auf diese Weise verbindlich sind, hat die Qualität von Medika­menten­studien große Fortschritte gemacht, bestätigt Till Bruckner. Bruckner gründete 2017 die Plattform TranspariMED, die sich für mehr Transparenz rund um klinische Studien einsetzt – zum einen, damit keine Steuergelder verschwendet werden, zum anderen aber auch, um die Gesundheit von Probanden zu schützen und die Patienten­versorgung mit wirkungsvollen Therapien zu verbessern. „Wir sehen sehr viel guten Willen durch das BfArM und das Paul-Ehrlich-Institut hinsichtlich derjenigen Versuche, für die sie zuständig sind“, schaut Bruckner auf die derzeitige Lage in Deutschland.

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Pharmafirmen besser als Unis

Auch in seiner Wahlheimat Großbritannien habe es Probleme gegeben, berichtet Bruckner. Allerdings habe sich vieles zum Positiven entwickelt, indem eine eigene Einrichtung geschaffen wurde, die alle klinischen Studien genau verfolgt: Die Health Research Authority (HRA). Britische Ethik­kommissionen berichten der HRA, welche Studien sie genehmigt haben, und die HRA übernimmt dann die Registrierung und schreibt Studienleiter und Sponsoren an, falls innerhalb einer angemessenen Frist keine Ergebnisse zurückkommen.

Ein ähnliches System auch in anderen Ländern könnte dazu beitragen, nicht nur bei Medikamenten-basierten, sondern bei allen klinischen Studien einem Publikationsbias entgegen­zuwirken. „Um die 20 Prozent werden noch gar nicht registriert“, resümiert Bruckner die ihm hierzu vorliegenden Daten.

Allerdings ist es sehr schwer, einen zuverlässigen Überblick zu bekommen über Studien, die gar nicht erst angemeldet worden sind. Dazu muss man zunächst in Erfahrung bringen, was jede einzelne Ethik­kommission genehmigt hat – und welche dieser Projekte dann tatsächlich in den Studien­registern auftauchen. Immerhin, für die Medikamenten­zulassung kann man sich inzwischen darauf verlassen, dass Studien auch tatsächlich vorab gemeldet werden. „Wenn Sie da als Pharmafirma ankommen würden mit einer Studie, zu der Sie sich erst drei Jahre später Endpunkte ausgedacht und diese registriert hätten, dann würden Sie die Aufsichts­behörden aus dem Raum lachen“, so Bruckner.

Und tatsächlich seien die Pharmafirmen entgegen ihrem oftmals schlechten Ruf in der öffentlichen Wahrnehmung hier sehr zuverlässig geworden. Problemkind ist vielmehr die akademische Forschung, oder, wie es Bruckner in einem Vortrag auf den Punkt bringt: „Universities perform worse than pharma.“ Denn wer eine akademische Laufbahn anstrebt, ist anderen Zwängen unterworfen: Viel publizieren, und das möglichst hochrangig – da kann eine begonnene klinische Studie mit mauen Zwischen­ergebnissen schon mal im Sande verlaufen. Auch Studienleiter, die das Institut verlassen, in den Ruhestand gehen oder versterben, hinterlassen Datensätze, die die Nachfolger mitunter nur schwer zuordnen können. „Wir als TranspariMED halten niemals individuellen Forschern vor, dass sie irgendetwas böswillig falsch gemacht haben“, betont Bruckner an dieser Stelle. „Aber wir werfen den Unis sehr wohl vor, wenn sie keine Übersicht haben über das, was unter ihrem Dach abläuft.“ Universitäten sollten dafür sorgen, dass die Forschung im eigenen Haus den ethischen Standards genügt.

In der Schublade versteckt

Ein weiterer Punkt betrifft die Art und Weise, wie Wissenschaftler ihre Ergebnisse berichten. Die Zulassungs­behörden prüfen die Berichte zu den vorab registrierten Studien, um die Sicherheit und Wirksamkeit eines Medikaments zu beurteilen. Sie kontrollieren aber nicht, ob diese Ergebnisse auch öffentlich zugänglich gemacht werden.

Bruckner verweist hier auf eine Erhebung aus dem Jahre 2008, die damals im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde (358(3): 252-60). Da einer der Autoren damals bei der FDA tätig war, hatte man Zugriff auf alle Dokumente, die für die Zulassung von zwölf Antidepressiva hinzugezogen worden waren. Insgesamt hatten mehr als 12.000 Probanden an diesen Studien mitgewirkt. Die Frage war nun: Welche dieser Daten, die der FDA vorlagen, waren auch in Fachzeitschriften publiziert? „Da hat man dann gesehen, dass ein großer Teil fehlte – vor allem die negativen Daten“, so Bruckner.

Ende März veröffentlichte Daniel Strech, Arbeits­gruppen­leiter am QUEST Center for Responsible Research am Berlin Institute of Health, mit seiner Gruppe ein interaktives Dashboard, um die Performance hinsichtlich Registrierung und Reporting klinischer Studien von 35 universitäts­medizinischen Zentren in Deutschland nachzu­vollziehen. Die Methodik erläutert das Team mit Erstautorin Delwen Franzen in einem Artikel bei PLoS Medicine (20(3): e1004175).

Nicht akzeptabel

In das Dashboard eingeflossen sind Daten zu Studien, die zwischen 2006 und 2018 registriert worden waren. Zusammenfassend berichten die Autoren über einen positiven Trend. Für das Register ClinicalTrials.gov stellen sie fest: Registrierten klinische Forscher 2006 nur 33 Prozent ihrer Studien im Voraus, so lag dieser Anteil ein Jahrzehnt später bei 75 Prozent. Beim Deutschen Register Klinischer Studien (DRKS) stieg der Anteil in einem vergleichbaren Zeitfenster von null auf 79 Prozent. Ein Report der Studien­ergebnisse innerhalb von zwei Jahren erfolgt in rund 40 Prozent der Fälle. Fünf Jahre nach Studienende sind in knapp 70 Prozent der Fälle die Ergebnisse auffindbar.

Fazit: Vieles hat sich verbessert, und bei der Medika­menten­zulassung funktioniert das Registrieren und Berichten der Studien inzwischen wohl zuverlässig. Den deutschen Universitäten hingegen bleibt viel Spielraum nach oben. „Ich glaube, der Status quo ist nicht nur ‚nicht perfekt’, sondern eigentlich ‚nicht akzeptabel’“, findet Strech. Dabei sei der Zeitaufwand für das Registrieren eigentlich überschaubar. „Das sind am Ende vielleicht zwei oder drei Stunden Zeit, wenn man sich mit jemandem zusammensetzt, der darin bereits erfahren ist.“

Mario Rembold

Dieser hier gekürzte Artikel erschien zuerst in ausführlicher Form in Laborjournal 4/2023.

Bild: Dall-E2


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Letzte Änderungen: 25.04.2023