Editorial

Schwierige Kommunikation

(28.09.2023) Referenzen angeben, enthusiastische Sprache? Psychologen haben Empfehlungen erarbeitet, wie Wissenschaft effektiv vermittelt werden kann.
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Die Corona-Pandemie hat uns einiges gelehrt. Zum Beispiel, dass Viren immer für eine Überraschung gut sind, wie man sich richtig die Hände wäscht, wie verletzlich unsere Gesellschaft und wie wichtig Kommunikation ist – besonders, wenn es dabei um wissenschaftliche Themen geht.

Bei Letzterem haben viele Virologinnen, Immunologen und Epidemio­loginnen in Pressekonferenzen, Interviews und Talkshows eine gute Figur gemacht. Zu diesem Schluss kam eine Anfang des Jahres veröffentlichte Studie von Sprach­wissen­schaftlerinnen (siehe dazu auch „Plötzlich Politikberater“ auf LJ online). Allerdings tat sich während der Pandemie ein unerwartetes Problem auf: „[…] in der medialen Bericht­erstattung wurde die transparente Kommunikation des Nichtwissens und eines bis dato unvollständigen Wissens­standes genutzt, um die Glaubwürdigkeit und den Nutzen von wissen­schaftlicher Forschung in Frage zu stellen,“ so die Studienautorinnen. Offenheit wurde den kommunizierenden Forschern also zum Nachteil ausgelegt.

Editorial

Sensible Antennen

Der Öffentlichkeit Fakten zu präsentieren, reicht offenbar nicht aus, um das Vertrauen in Wissenschaft und Forscherinnen zu stärken. Wissenschafts­kommunikatoren müssen sich genauso überlegen, wie sie diese Fakten richtig aufbereiten und verpacken. Denn das Publikum hat sensible Antennen. „Communicating research findings to the public in a clear but engaging manner is challenging, yet central for maximizing their societal impact,“ erkennen auch Laura König, Junior­professorin für Public Health Nutrition an der Uni Bayreuth, und Kollegen in einem kürzlich veröffentlichten Preprint an. Die größte Herausforderung sei dabei, wie auch die Linguistinnen bereits erkannten, die Wissenschafts-inhärente Unsicherheit, Komplexität und Vorläufigkeit angemessen, aber wirkungsvoll zu kommunizieren. Wie kriegt man das hin?

Dazu hat sich das Autorenteam über 170 Studien angeschaut, die verschiedene Informations­methoden zu wissenschaftlicher Evidenz, Konzepten oder zur wissenschaftlichen Methode miteinander verglichen. Obwohl die Ergebnisse dieser Studien nicht immer eindeutig waren, leitete das Team elf Empfehlungen für die schriftliche Wissenschafts­kommunikation, also etwa in Blogs, ab.

Einfache Sprache

Punkt Nummer 1: Jargon vermeiden. Statt eines vor Fachtermini nur so strotzenden Textes sollte der Sachverhalt in einfacher Sprache erklärt werden. Sind Fachbegriffe notwendig, kann über ein Glossar nachgedacht werden. Klingt logisch. Aber Forscher aufgepasst!: Leser könnten in Texten von Wissenschaftlern Fachvokabular erwarten. Schreibt ein Forscher nur in einfacher Sprache, so die Studienautoren, könnte der Leser dessen Expertise infrage stellen. Außerdem sollte der Text eine klare Struktur aufweisen mit Absätzen und Zwischen­überschriften.

Wichtig ist es auch, Literatur­nachweise und Quellen zu nennen. Zu viele Referenzen bringen aber wieder die klare Textstruktur durcheinander und könnten so das Verständnis beeinträchtigen. Wie die Forschungs­ergebnisse zustande gekommen sind und welche Methoden dabei zum Einsatz kamen, sollte ebenfalls nicht unerwähnt bleiben – so wird das Vertrauen in die Wissenschaft gestärkt.

Nicht immer ist es vorteilhaft, so das Autorenteam, wissenschaftliche Erkenntnisse in eine schön erzählte Geschichte zu verpacken. „Providing a list of facts seems as effective or even more effective than stories; combining statistical information with a narrative might be more effective than either component alone“.

Eine weitere Empfehlung dreht sich um Aussagen zum Konsensus oder „conflict“. Im Allgemeinen ist es so, dass Konsens zu einem Thema in der wissen­schaftlichen Gemeinde die Wissenschaft an sich eher in ein positives Licht rückt, und so das Vertrauen in Forscherinnen stärkt. Uneinigkeit unter Wissenschaftlern oder gegenteilige Daten werden eher negativ wahrgenommen. „Accordingly, we recommend that conflicting evidence is only presented if it indeed reflects ongoing discussions in the scientific community. Furthermore, the proportion and contextualization of pro and contra arguments or views should accurately reflect the available evidence (‚weight-of-evidence‘).“

Besser neutral

Vorsicht ist ebenfalls geboten bei der Verwendung von Möglichkeits­formen, wie „etwas könnte oder kann passieren“. Diese Formen drücken Unsicherheit aus, und das senkt das Vertrauen der Leserschaft in die Ergebnisse. Dasselbe gilt für die Erwähnung von Limitierungen einer Studie. Kausale Zusammenhänge („Protein X verursacht ...“) sollten hingegen explizit genannt werden.

Insgesamt sollte der Text eher in einem neutralen Ton gehalten sein, sagen König und Co. Aggressive Sprache werde eher negativ aufgenommen, und auch eine zu übertrieben positive oder enthusiastische Ausdrucksweise könnte nach hinten losgehen. Zu guter Letzt: ist die Studie unter Open-Science-Bedingungen gelaufen, sollte das auch so erwähnt werden. Denn insbesondere Replikations­studien erhöhen das Vertrauen in Wissenschaft und Wissenschaftler. Aber: handelt es sich um eine Studie, die nicht repliziert werden konnte, kommt das bei der Leserschaft eher weniger gut an. „We thus recommend being mindful of how to frame the need for and impact of engaging in Open Science practices to avoid undesired outcomes“.

Ein Science Communicator muss also genauestens abwägen, was, wie und wie viel Wissenschaft er der geneigten Leserschaft präsentiert. Laura König et al. empfehlen daher, die Kommunikation auf das jeweilige Publikum und dessen Erwartungen und Bedürfnisse zuzuschneiden. Leichter gesagt als getan.

Kathleen Gransalke

König L. et al. (2023): How to communicate science to the public? Recommendations for effective written communication derived from a systematic review. PsyArXiv, DOI: 10.31234/osf.io/cwbrs

Bild: Pixabay/geralt


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Letzte Änderungen: 28.09.2023