Editorial

Blackbox Biogasanlage

(09.10.2023) Bei der Produktion von Biogas arbeiten Bakterien und Archaeen Hand in Hand. Ein wichtiger Mitspieler gehört zu einer ganz neuen Bakterien-Ordnung.
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Biogas besteht vor allem aus Methan (CH4) und Kohlendioxid (CO2) – es wird unter anderem aus Nahrungs­mittel­resten, Grünabfall, Klärschlämmen oder Gülle durch anaerobe Fermentation gewonnen. Als Endprodukt eines Nahrungs­mittel­kreislaufs ist Biogas eine nachhaltige Alternative zu fossilem Erdgas. Die genaue Zusammensetzung der an der Biogassynthese beteiligten Mikrobiota war bis vor Kurzem jedoch noch relativ unbekannt. Nun hat ein internationales Team unter Beteiligung von Forschenden der Technischen Universität Dresden und der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg Licht ins Dunkel gebracht und seine Ergebnisse in zwei Preprints auf bioRxiv veröffentlicht.

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Biogassynthese und Mikrobiota

Die Biogassynthese lässt sich in vier Stufen unterteilen: Hydrolyse, Acido­genese, Aceto­genese und schließlich Methano­genese. Konkret laufen dabei folgende Schritte ab: Bei der Hydrolyse werden zunächst komplexe Makromoleküle zu verschiedenen Oligo-, Di- und Monomeren abgebaut; diese werden während der folgenden Acidogenese zu Wasserstoff (H2), Kohlendioxid (CO2), Alkoholen und flüchtigen Fettsäuren umgesetzt; daraus entsteht Acetat (Essigsäure) und last but not least, Methan aus Acetat, Wasserstoff und/oder methylierten Verbindungen. Verschiedene Mikro­organismen sind dabei auf die jeweiligen Umsetzungs­schritte spezialisiert und bilden sogenannte synthrophe Gemeinschaften, in diesem Fall bestehend aus Bakterien und Archaeen.

Die Dresdner und Cottbuser Preprint-Autoren sind Projektpartner beim international besetzten, EU-finanzierten Projekt Micro4Biogas. Dieses zielt darauf ab, biologische Prozesse zur Biogas­produktion effizienter und dadurch das Biogas im Energiemarkt wettbewerbs­fähiger zu machen. Dafür nahmen die Forscher und Forscherinnen die für die Biogas­produktion relevante Mikrobiota genauer in den taxonomischen und chemischen Blick und beprobten 45 Biogasanlagen in Deutschland, Österreich und den Niederlanden.

Bakterielle Bewohner benannt

Metagenom-Analysen beispielsweise zeigten, dass sich fast zehn Prozent der Gesamtheit der Mikrobiota in Biogasanlagen den Archaeen zuordnen ließen, hier insbesondere der Gattung Methanosarcina. Bei den Bakterien dominierten Vertreter der Gattungen Proteiniphilum, Gallicola und Clostridium sensu stricto, vor allem aber MBA03 aus der Ordnung der Clostridiales. MBA03 ist schon länger im Kontext der Biogas­synthese bekannt, genauere Charakterisierungen scheiterten bislang aber unter anderem daran, dass keine Methoden zur Kultivierung von MBA03-Arten bekannt sind.

Auch das Micro4Biogas-Forscher­konsortium konnte die Bakterien nicht kultivieren, dafür aber sequenzieren. Aus 30 Proben der Biogas­anlagen assemblierte es 108 Metagenome von MBA03. Auf Basis der 16S rRNA Gene wurden molekulare Verwandtschaftsanalysen durchgeführt und ein Stammbaum erstellt, in dem MBA03 eine monophyletische Gruppe mit zwei Untergruppen bildet. Die Autoren schlugen daher eine neue Ordnung innerhalb des Bakterien­reichs vor, der MBA03 angehört: Die Darwini­bacteriales mit den beiden Spezies Darwini­bacter acetoxidans und Wallace­bacter cryptica – benannt nach den beiden Vätern der Evolutionstheorie Charles Darwin und Alfred Wallace.

Die genetischen Analysen erlaubten auch einen Blick in die metabolischen Ausstattungen der Darwini­bacteriaceae und der Wallace­bacteriaceae. Demnach verwerten Darwini­bacteriales organische Nährstoffe und nutzen dreiwertiges Eisen (Fe3+) als Elektronen-Akzeptor für die anaerobe Atmung. Dass sie offenbar auch auf Schwefel­wasserstoff (H2S) wachsen können, eröffnet, so die Autoren, interessante Fragestellungen zur Beteiligung dieser Bakterien am Schwefelkreislauf, der für die Biogas­qualität ebenfalls eine Rolle spielt.

Optimierte Biogas-Mikrobiota

Das Set codierter Enzyme und Transport­proteine legt nahe, dass Darwini­bakterien unter anderem bakterielles Peptidoglykan, Stärke, Pektin und Chitin metabolisieren können, was auf ein breites Substrat­spektrum bei der initialen Hydrolyse der Biogas­synthese schließen lässt. Syntrophe Acetat-oxidierende Bakterien verfügen über den sogenannten reversen Wood-Ljungdahl Weg, der an ein Glycin-Spaltungs­system gekoppelt ist. Dieser Pathway ist bei den Darwini­bacteriaceae (nicht aber bei den Wallace­bacteriaceae) genetisch komplett angelegt, was darauf hindeutet, dass diese Acetat zu H2 und CO2 oxidieren können. Aus dem frei werdenden Wasserstoff synthetisieren dann hydro­genotrophe Archaeen Methan, den Energieträger innerhalb des Biogases. Es scheint, dass die Darwini­bacteriaceae ihre ökologische Nische in der anaeroben Fermentation gefunden haben und sich besonders in Habitaten wie Faultürmen oder eben Biogas­anlagen wohlfühlen.

Um die Fermentations­effizienz und somit die Ausbeute an Biogas zu erhöhen, soll das Zusammenspiel der beteiligten Mikroorganismen durch sogenannte „Designer-Mikrobiome“ optimiert werden (Müll und Abfall, 5: 243-7). Mit der Identifikation und taxonomischen Einordnung von MBA03 als neue Ordnung Darwinibacteriales sind die Forscherinnen und Forscher diesem Ziel einen großen Schritt nähergekommen.

Ralph Bertram

Otto P. et al. (2023): Multivariate comparison of taxonomic, chemical and technical data from 80 full-scale an-aerobic digester-related systems. BioRxiv, DOI: 10.1101/2023.09.08.556802

Puchol-Royo R. et al. (2023): Unveiling the ecology, taxonomy and metabolic capabilities of MBA03, a potential key player in anaerobic digestion. BioRxiv, DOI: 10.1101/2023.09.08.556800

Bild: Micro4biogas-Blog


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Letzte Änderungen: 09.10.2023