Editorial

Gestrandete Ebolaviren

(04.12.2023) Beim Transport von Viren innerhalb einer Wirtszelle spielt ein altbekannter Faktor eine Schlüsselrolle. Ohne ihn sind Filo- und Coronaviren aufgeschmissen.
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Ebolavirus-Partikel

Sie können Schnupfen oder Erkältungen auslösen, zeitweilig Geschmacks- und Geruchssinn rauben, das Immunsystem schwächen oder tödlich verlaufende innere Blutungen verursachen – humanpathogene Viren. Nur unter ihnen, nicht aber unter anderen Biostoffen wie Bakterien oder Pilzen, gibt es Infektionserreger der höchsten Risikogruppe 4.

Diese Einstufung gilt beispielsweise auch für das Marburgvirus und für vier der fünf Spezies des Ebolavirus. Mit einem einzel­strängigen RNA-Genom ausgestattet, können diese behüllten fadenförmigen Viren (Filoviren) bei infizierten Primaten inklusive des Menschen hämorrhagisches Fieber hervorrufen. Während einer Epidemie in Westafrika in den Jahren 2014 bis 2016 steckten sich über 28.000 Menschen mit dem Ebolavirus an, von denen laut Angaben der WHO rund 40 Prozent an der Infektion verstarben. Auch bei aktuell geringen Fallzahlen stellen diese Erreger weiterhin eine latente Gefahr dar, wie kleinere Ausbrüche 2022 und 2023 in Afrika zeigen. In der EU sind derzeit drei Impfstoffe gegen Ebolaviren zugelassen.

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Der Koffeinfaktor aus Hefe

Während aus früheren Arbeiten bereits mehrere (Ko-)Rezeptoren für den Zelleintritt des Ebolavirus bekannt waren, gelang nun einer internationalen Gruppe Forschender unter Federführung von Ali Mirazimi vom schwedischen Karolinska Institut und unter anderem mit Beteiligung der Gruppen von Ulrich Elling (IMBA, Wien) und Josef Penninger (IMBA, Wien und HZI, Braunschweig) sowie aus Gießen Friedemann Weber die Identifikation eines kritischen Wirtsfaktors für die frühe Replikationsphase des Virus in menschlichen Zellen.

Dies gelang durch ein Screening mit haploiden Stammzellen der Maus (mSC) durch die IMBA-Forscher. Für die Aufklärung von Genfunktionen sind Zellen mit nur einem halben Chromosomensatz vorteilhaft: Denn ist nur ein Allel eines Gens vorhanden, sorgt das für eine direktere Ausprägung eines Phänotyps. Per zufälliger Insertions­mutagenese (mit spezifischem Barcoding) stellte das Forschungsteam eine Kollektion aus 100 Millionen mSCs her und infizierte sie anschließend mit einem lytischen Virus. Überlebende Zellen ermöglichten eine positive Selektion auf die gesuchten Wirtszell-Gene.

Tatsächlich fanden die Forschenden eine Reihe von bereits bekannten und auch neuen Faktoren, die mit einer Virusproliferation in Zusammenhang stehen. Darunter CCZ1, das für den vesikulären Transport in Endosomen unabdingbar ist. Es wirkt dabei als Guanin-Exchange-Faktor und sorgt durch die Aktivierung einer GTPase namens RAB7 für die Fusion zwischen späten Endosomen und Lysosomen. Während das entsprechende Gen schon in den 1990er-Jahren bei Hefen beschrieben wurde (Yeast, 15(10B):987-1000) – in mutierten Hefezellen bewirkt es eine veränderte Sensitivität gegenüber Coffein, Calcium und Zink (daher auch der Name CCZ1) –, wurde es in humanen Zellen bisher noch nicht mit filoviralen Infektionen in Verbindung gebracht.

Knockout-Zellen und Organoide

In haploiden Zellen mit ausgeknocktem CCZ1 reduzierten sich Virusinfektionen um fast 99 Prozent. Auch ein Großteil der diploiden Zellen mit dem deletierten Faktor überlebte die virale Infektion. Allerdings ist CCZ1 auch wählerisch: So waren Knockout-Zellen zwar gegen Infektionen mit Marburg- und Ebolaviren geschützt, nicht aber gegen das Lassavirus.

Um sich den Bedingungen im Körper anzunähern, verwendeten die Forscherinnen und Forscher für weitere Experimente Organoide – miniaturisierte und vereinfachte Strukturen echter Organe (mehr zu Organoiden in unserem Special „3D-Zellkultur und Organoide“). So auch im Falle von Hepatozyten, den Hauptzielzellen für Filoviren. Eine siRNA-vermittelte Hemmung von CCZ1 führte in den 3D-Lebersphäroiden ebenfalls zu einem signifikanten Rückgang viraler Infektionen. Blutgefäß-Organoide infizierten Monteil et al. bis zu 14 Tage mit Ebolaviren und quantifizierten das Infektionsgeschehen mittels RT-PCR. Die Ergebnisse waren deutlich: Organoide mit CCZ1-Deletion enthielten bis zu 90 Prozent weniger virale RNA als WT-Organoide.

Auch SARS-CoV-2 braucht CCZ1

Was also hindert die Viren an einer erfolgreichen Infektion? Behüllte Filoviren dringen hauptsächlich durch einen Prozess namens Makropinozytose in ihre Zielzellen ein und gelangen schließlich durch den endolysosomalen Transport ins Cytoplasma. Diesen vesikulären Transport untersuchte das Forschungsteam in vivo mit einem fluoro­genischen Substrat für Proteasen, DQ-Red BSA. Das Substrat fluoresziert rot, wenn es zum Lysosom transportiert und dort gespalten wurde. Wildtyp-Zellen leuchteten dementsprechend rot, CCZ1-Knockouts aber nicht. Anschließende Infektionsexperimente mit Markierung eines viralen Matrixproteins legten nahe, dass die getesteten Viren in Abwesenheit von CCZ1 in frühen Endosomen stranden und nicht weiterkommen.

Aus gegebenem Anlass suchte die Gruppe auch nach Wirtsfaktoren bei der Infektion des COVID-19-Erregers SARS-CoV-2. Auch hier kam das haploide Zellscreening wieder zum Einsatz, dieses Mal allerdings unter Expression von humanem ACE2 als Oberflächenrezeptor für das Coronavirus. In Übereinstimmung mit einer früheren CRISPR-basierten Studie (Genome Med, 14(1):10) erwies sich CCZ1 als wichtiger Kompagnon bei der Virusinfektion.

Ein interessantes Target, aber ...

Der Zelleintritt von Viren bietet eine oft genutzte Angriffsfläche für antivirale Therapien oder Antikörper. Für die Identifikation intrazellulärer Zielstrukturen, die für die Ausbreitung von Viren relevant sind, ist das haploide Zellscreening eine gute Methode, die in dieser Studie zur Aufdeckung von CCZ1 führte. Während dieses Protein für die Infektionsabwehr von Lassaviren ungeeignet ist, da diese frühe Endosomen links liegen lassen, könnte es ein interessantes Target zur Abwehr von Ebola-, Marburg- und weiteren Viren darstellen.

Ralph Bertram

Monteil V. et al. (2023): Identification of CCZ1 as an essential lysosomal trafficking regulator in Marburg and Ebola virus infections. Nature Communications, 14:6785

Bild: NIAID


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Letzte Änderungen: 01.12.2023