Editorial

Eisbergzucht

(12.12.2023) Nicht nur draußen ist es kalt und frostig, auch im Gefrierschrank unserer TA bilden sich malerische Eiswüsten und hübsche kleine Iglu-Städte. Nur abtauen will mal wieder niemand.
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Die Frostzonen unserer Labors sind irgendwie immer für eine Abenteuerreise gut.

Wie etwa im Fall des Wissenschaftlers, der hochwichtige Zellen aus dem Stickstofftank bergen will. Schwungvoll reißt er den mächtigen Tankdeckel auf, damit auf jeden Fall viel Nebel entsteht. Sofort wedelt die Blitzbirne kräftig mit den Armen über dem offenen Stickstofftank und versucht, den Nebel parallel noch hinfort­zupusten. Resultat: Eine fette Nebelwand zieht durch den Raum. Das lässt sich die Stick­stoff-Alarm­sonde nicht zweimal sagen und beginnt zu jaulen, unterstützt von orangenem Blitzlichtgewitter. Sofort schmeißt der erschrockene Experimentator den Tankdeckel noch schwungvoller wieder zu, und wir bewegen uns raus aus der Gefahrenzone. Tja, das war’s erstmal mit den Gefrier­röhrchen. Versuchen wir‘s in 15 Minuten nochmal.

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Der -80°C-Gefrierschrank hingegen kann mit eisigen Panoramabildern aufwarten, märchenhaften Gemälden aus malerischen Eiswüsten und mächtigen Schnee­verwehungen. Ein Paradies, um eine kleine Iglu-Stadt mit hübschen kleinen Schneemännern zu bauen. Schließt man die Augen, kann man sich vorstellen, auf Schatzsuche zu gehen – zum Beispiel, um irgendwelche von Schneelawinen verschütteten Labor­relikte zu finden. Oder einfach nur das dringend benötigte Fluores­zenz­farbstoff-gekoppelte Enzym.

Der Gefrierschrank mit gerade einmal -20°C ist landschaftlich nicht ganz so spektakulär, kann aber hervorragend für eine Eisbergzucht genutzt werden. Es fängt damit an, dass der stets unter Zeitdruck stehende Wissenschaftler die Gefrier­schranktür schwungvoll zuschmeißt und davon­eilt. Natürlich entgeht ihm, dass die Tür ebenso schwungvoll wieder aufgesprungen ist. Bei einem derartigen Kraftaufwand hat die Gummidichtung nicht den Hauch einer Chance, sich ans Gehäuse zu klammern. Also bleibt die Tür einen Spalt weit offen – und die Eiszapfen-Saison ist eröffnet.

Irgendwann schließt ein aufmerksamer Kollege die Tür wieder. Aber das allein legt die Tropfsteinhöhle leider nicht trocken, sodass sich der Innenraum zu einem herrlichen Eispalast entwickelt. Dieser zeigt sich dann in seiner vollen Pracht, wenn eine Wissenschaftlerin verzweifelt an einer der Gefrier­schrank­schubladen hängt, um sie herauszuziehen. All die famosen Zapfen und Kristalle sorgen dafür, dass sich die Schubladen um null Millimeter bewegen.

Mit hilfesuchenden Augen scannen die so aufs Glatteis Geführten das Labor-Terrain – und da kommen wir TAs ins Spiel. Gemeinsam befreien wir die Schubladen und Führungsschienen von Eis und Schnee. Voilà!

Damit ist das Abenteuer „Eispalast“ aber nicht abgeschlossen, was jedoch nicht jeder Wissenschaftler einsieht: „Wie jetzt, abtauen? Dafür hab‘ ich gerade gar keine Zeit.“ Verhandlungsspielraum gibt es jedoch nicht. Also muss sich der schwer beschäftigte Forscher doch um das Abtauen seines Gefrierschranks kümmern. Er bringt die Proben in Sicherheit, zieht den Gerätestecker, startet die „Abtaufunktion“ – und ist verschwunden! Und so wird aus dem Eiswüsten-Abenteuer die Neuverfilmung von Waterworld. Schnell bildet sich eine großzügige Seenplatte vor dem Gefrierschrank, kleine und große Eisberge treiben im Nass. Manch ein Polarforscher hätte seine Freude daran – der inzwischen wieder aufgetriebene Wissenschaftler eher weniger. Mächtig angefressen wischt er den Boden und feuert die komplette Eisbergzucht achtlos in ein Waschbecken.

Womit dieses Abenteuer ein ziemlich unromantisches Ende findet.

Ute Ipe


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Letzte Änderungen: 12.12.2023