Editorial

Vaya con Rollwagen

(11.04.2023) Unsere TA muss hin und wieder Pakete transportieren: vom Labor zum Gewächshaus und zurück. Dabei erntet sie mitunter verwunderte Blicke.
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Für die Arbeit im Gewächshaus hatte ich Papiertüten bestellt: Große zum Eintüten der abreifenden Arabidopsis-Pflanzen und kleine für die Aufbewahrung des so gewonnenen Saatguts. Insgesamt brachte es das Papiertüten-Paket auf 11 Kilogramm. Also nahm ich den Wagen.

An der Pforte wuchtete der hilfsbereite Pförtner das schwere Paket auf das Gefährt. Ich wollte Wagen und Paket gerade losschieben, da fiel mir ein, dass ich ja gleich noch auf einen Sprung bei der nahe gelegenen Poststelle vorbeischauen könnte.

Dort sammelt sich stets so einiges an Umläufen, Briefen, Zeitschriften und anderem Zeug, das ich auf dem Rückweg bequem mit dem Wagen ins Labor transportieren könnte. Dann muss unsere Sekretärin später nicht so schwer schleppen.

In unserem Postfach lag ein einziger Brief!

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Erst mal egal, der fand locker Platz neben dem Paket. Befremdlich wurde das Ganze erst, als auf dem Rückweg vom Gewächshaus ins Labor nur mehr der Brief auf dem Rollwagen lag. Natürlich liefen mir gerade jetzt jede Menge Leute über den Weg.

Ungläubiger hätten die wohl nur geguckt, wenn ich einen halben Brief auf meinem Rollwagen transportiert hätte – aber die Beförderung eines solchen Briefformates ist im deutschen Postwesen nicht vorgesehen. Ich glaube, so lächerlich bin ich mir zum letzten Mal bei der viertel­jährlichen Sichtprüfung unserer Trittleitern vorgekommen.

Einen Standardbrief hätte ich kurzerhand in meiner Hosentasche verschwinden lassen können. Keine große Sache! Bei meinem Exemplar handelte es sich allerdings um einen Großbrief. Per Hand adressiert und mit einer Briefmarke im Wert von 1,60 Euro vorschriftsmäßig in der rechten oberen Ecke frankiert.

Eine TA, die einen einzigen Großbrief auf einem Rollwagen befördert – so etwas sieht man an der Uni nicht alle Tage. Ich hörte die Leute im Gang hinter mir tuscheln: „Laut Geschäfts­bedingungen der Deutschen Post AG darf ein mit 1,60 Euro freigemachter Großbrief maximal 500 g wiegen. Dafür braucht die einen Rollwagen?“

Um den Spott zu übertönen und endgültig zum Tagesgespräch zu werden, hob ich zu singen an: „Hab mein Wagen vollgeladen, voll mit schweren Briefen“. Derart musikalisch beschwingt erreichte ich unser Labor, just als ein Kollege mit einer Brezel in der Hand die Treppe hochkam. Sein Blick fiel auf meinen Rollwagen.

„Das ist aber nur EIN Brief“, kommentierte er meine Liedauswahl.

Ich wischte mir ächzend den nicht vorhandenen Schweiß von der Stirn.

„Aber schwer ist er trotzdem. Hilfst du mir tragen?“

Er guckte wie zuvor die Kollegen im Gang, dann warf er einen Blick auf die Briefmarke.

„Also laut Geschäfts­bedingungen der Deutschen Post AG …“

„Ich weiß! Aber wenn du eine Brezel vom Kiosk hier hoch tragen kannst, kannst du auch diesen Großbrief zum Eingangskorb schleppen.“

Mit diesen Worten drückte ich ihm den Brief in die brezelfreie Hand und schob kichernd mit dem Rollwagen ab.

Maike Ruprecht


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Letzte Änderungen: 11.04.2023