Editorial

Umgepolte Tumorfresser

(27.07.2023) Auch das Makrophagen-2.0-Team nahm am Science4Life Venture Cup 2023 teil. Der Name verrät, auf welche Verbündete es für seine Krebstherapie setzt.
editorial_bild

Bereits letzten Donnerstag stellten wir einen Teilnehmer der Endrunde des diesjährigen Science4Life Venture Cups vor. Das angehende Start-up ArtifiCell aus Göttingen um Biophysiker Timo Betz entwickelt ein 3D-Zellkultur­system, das den menschlichen Organismus noch besser abbilden kann („Man muss nur offen sein für Neues“ auf LJ online). Den vierten Platz beim Businessplan-Wettbewerb sicherten sich Makrophagen 2.0 aus Dresden mit ihrer Idee für eine Zelltherapie gegen solide Tumoren.

Die meisten Immuntherapien gegen Krebs setzen auf cytotoxische T-Zellen, die entartete Zellen spezifisch an Antigenen erkennen und dann gezielt abtöten. Zwar sind die Erfolge beeindruckend, doch T-Zell-gestützte Therapien haben auch einen entscheidenden Nachteil: Weil T-Zellen kaum ins Innere eines soliden Tumors eindringen, beschränken sie sich bislang auf die Behandlung von verschiedenen Arten von Blutkrebs.

Editorial

Proliferierende Fresszellen

Makrophagen sind hier klar im Vorteil. Sie wandern in den soliden Tumor ein und können dort die Tumorzellen bekämpfen. „Durch bestimmte Cytokine oder reaktive Sauerstoff­spezies (ROS) können Makrophagen den Zelltod der Tumorzellen herbeiführen“, erklärt Michael Sieweke, einer der angehenden Gründer und Inhaber einer Alexander-von-Humboldt-Professur am Zentrum für Regenerative Therapie der TU Dresden (CRTD). „Die genauen Beiträge dieser Wirkmechanismen untersuchen wir gerade.“

Mit seiner Arbeitsgruppe forscht Sieweke im Grenzbereich von Immunologie und Stammzell­forschung. Im Fokus stehen die Makrophagen, die sich als reife Immunzellen eigentlich nicht mehr weiter vermehren. Siewekes Team hat aber aufgeklärt, dass Makrophagen ein Netzwerk von Genen aktivieren können, das auch in embryonalen Stammzellen aktiv ist und eine Proliferation der Makrophagen ermöglicht. Durch die Aktivierung dieser Gene lassen sich Makrophagen in Zellkultur vermehren, ohne dass sie ein Stammzell­stadium durchlaufen oder immortalisiert werden müssen. Erst dadurch, dass man sie in ausreichenden Mengen kultivieren kann, werden die Fresszellen für Immuntherapien wirklich interessant.

Resistent gegen Tumorsignale

Gemeinsam mit den Co-Gründern Fuchs, Englmeier und Bornhäuser möchte Sieweke dieses Potenzial der Makrophagen ausschöpfen und eine Immuntherapie für solide Tumoren etablieren. Anke Fuchs leitet eine eigene Forschungs­gruppe ebenfalls am CRTD und ist Spezialistin für die GMP-konforme Produktion von Zelltherapien. Martin Bornhäuser ist Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik I des Universitäts­klinikums Dresden und Spezialist für klinische Studien in der Hämatologie und Onkologie. Ludwig Englmeier schließlich ist Patentanwalt und hat 15 Jahre Erfahrung mit der Verzahnung von Produkt­entwicklung und Intellectual Property (IP)-Strategie in der Pharmaindustrie.

Ein Problem auf dem Weg zur Therapie­entwicklung haben die vier schon gelöst, wie Sieweke erklärt: „Tumorzellen geben bestimmte Cytokine und andere Signalstoffe ab, die die Tumor­mikro­umgebung so verändern, dass Makrophagen ihre Aktivität von tumor­bekämpfend zu tumor­unterstützend umstellen. Die von uns entwickelten Makrophagen sind weitgehend immun gegen wichtige Signale dieser Umstellung.“

Das Unternehmen befindet sich noch in der Gründungsphase; die Ausgründung ist für 2024 geplant. Die Teilnahme am Science4Life Venture Cup, die maßgeblich von Anke Fuchs und Ludwig Englmeier vorangetrieben wurde, half dabei, den Businessplan aufzustellen und den Weg hin zur Ausgründung zu konkretisieren. Der vierte Platz im Wettbewerb ist hierfür ein positives Signal, denn neben den 2.500 Euro Preisgeld ist dem Start-up damit die Aufmerksamkeit von Investoren sicher. Die umgepolten Makrophagen werden jetzt im Labor auf Herz und Nieren geprüft. „Wir führen gerade vorklinische Experimente durch, die wichtige Orien­tierungshilfen für klinische Studien geben werden“, blickt Sieweke optimistisch in die Zukunft.

Larissa Tetsch

Bild: Science4Life Venture Cup & Makrophagen 2.0


Weitere ehemalige Gewinner des Science4Life Venture Cups


- Wie man das Gelenk-Debakel (vielleicht) stoppt

Die Österreicher sind umtriebiger, die Briten erfolgreicher, und die Franzosen holen immer mehr auf: Höchste Zeit, den Laborkittel mit dem Anzug zu tauschen und eine Firma zu gründen! Zum Beispiel eine, die eine unheilbare Krankheit zu heilen vermag.

- Unbezahlbare Hilfe

Schlaue Sohlen und biologische Anker – damit wollen novapace und mk2 Biotechnologies demnächst durchstarten. Unterstützung fürs Business kommt von Science4Life.

- Weltraum, Impfstoffe und Nanopartikel

Businessplan-Wettbewerbe sind für Start-ups fast ein Muss. Für die Life Sciences hat der Science4Life Venture Cup eine besondere Bedeutung.

 




Letzte Änderungen: 27.07.2023