Editorial

Maßgeschneiderte
Mini-Magnete

(19.10.2023) Magnetische Nanopartikel sind in der Biomedizin heiß begehrt. Das Start-up-Projekt BioMagnetix möchte sie in speziellen Bakterien produzieren.
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Es mutet wie Science Fiction an, könnte aber bald Realität werden: Magnetische Miniaturroboter wandern autonom durch den Körper und werden durch äußere magnetische Felder ferngesteuert zu einem Ziel wie etwa einem Tumor dirigiert. Dort geben sie dann spezifische Wirkstoffe ab. Möglich machen sollen dies „magnetische“ Bakterien, die natürlicherweise im Sediment von vielen Gewässern rund um die Welt leben. Sie produzieren sogenannte Magnetosomen, Vesikel mit einem Kern aus Magnetit, die im Zellinnern zu einer Kette aufgereiht vorliegen. Mit dieser „Kompassnadel“ können sich die Bakterien im Erdmagnetfeld ausrichten und im Sediment unter der zusätzlichen Nutzung ihrer Aerotaxis die von ihnen bevorzugte niedrige Sauerstoffkonzentration finden.

Magnetotaktische Bakterien sind ungewöhnliche Mikroben – schon allein deshalb, weil sie membranumgebene Organellen besitzen, die man ursprünglich nur Eukaryoten zugestanden hatte. Nun sollen sie auch noch nützlich werden: Das Start-up-Projekt BioMagnetix möchte mit ihnen maßgeschneiderte Magnetosomen produzieren für Anwendungen in der Biomedizin.

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Auserwählte Mikrobe

BioMagnetix verfolgt dabei das Ziel einer Ausgründung aus der Universität – in ihrem Fall vom Lehrstuhl für Mikrobiologie der Uni Bayreuth, dessen Inhaber Dirk Schüler in seiner Diplomarbeit im Jahr 1990 das magneto­taktische Bakterium Magneto­spirillum gryphis­waldense im Schlamm des Flüsschens Ryck bei Greifswald entdeckt hat. Inzwischen ist M. gryphis­waldense ein relativ gut untersuchter Modellorganismus in der Forschung, der 2019 zur „Mikrobe des Jahres“ gewählt worden ist.

Hinter BioMagnetix stehen vor allem Frank Mickoleit und Marina Dziuba – beide wissenschaftliche Mitarbeiter in Schülers Arbeitsgruppe. Dirk Schüler und René Uebe, der am Lehrstuhl eine eigene Arbeitsgruppe leitet, bringen als wissenschaftliche Mentoren ihre fachliche Expertise ein. Seit September wird BioMagnetix finanziell durch eine EXIST-Gründerförderung des Bundeswirtschaftsministeriums unterstützt. Die Fördersumme von rund 150.000 Euro soll die ersten Schritte aus dem Labor Richtung Markt ermöglichen.

Alternative zu synthetischen Partikeln

Abgesehen vom oben beschriebenen Mikrorobotor sind für die von Bakterien produzierten Magnetosomen weitere, weniger futuristische Anwendungen denkbar: Magnetische Nanopartikel werden unter anderem in der bildgebenden Diagnostik eingesetzt, etwa in der Magnet­resonanz­tomografie. Ein therapeutisches Verfahren, das mit Nanomagneten arbeitet, ist die magnetische Hyperthermie, mit der Krebszellen durch gezielte Wärme­erzeugung im Gewebe zum Absterben gebracht werden sollen (siehe hierzu auch „Anziehende Eigenschaften“ auf LJ online vom 22.03.2021).

Bislang mussten hierfür synthetische Magnetpartikel aus Eisenoxid verwendet werden. „Die Material­eigenschaften, die für diese biomedizinischen Anwendungen erforderlich sind, können aber bisher nicht oder nur unzureichend durch chemische Synthese erreicht werden“, erklärt Schüler. „Die Herstellung besonders hochwertiger Magnet­nanopartikel, deren Eigenschaften flexibel und ganz spezifisch auf die jeweiligen Anwendungen zugeschnitten werden können, stellt nach wie vor eine große Herausforderung dar.“ Ein Vorteil sei, dass die Magnetosomen aufgrund ihrer sehr präzise regulierten Biosynthese sehr homogene Material­eigenschaften aufweisen, beispielsweise eine einheitliche Größe und Form, was für synthetisch hergestellte Partikel nicht gelte.

Darüber hinaus können die Größe der Partikel und damit auch die magnetischen Eigenschaften sowie ihre Hüllmembran in einem gewissen Ausmaß mithilfe von gentechnischen Methoden ziemlich genau eingestellt und somit je nach Anwendung „maßgeschneidert“ werden. Besonders praktisch: Durch genetische Manipulation können in die Vesikel­membran Liganden mit zusätzlichen Funktionen eingebaut werden wie Fluorophore zur Detektion und Enzyme oder Antikörper zum gezielten Aufspüren von Tumorzellen. „Mithilfe dieses genetischen Baukastens ist inzwischen eine ‚synthetische Biologie‘ von bakteriell hergestellten Magnet­nanopartikeln möglich“, fasst Schüler zusammen. Hinzu kommt, dass Magnetosomen sehr stabil sind und in ersten Studien eine gute Biokompatibilität zeigten.

Erste Schritte zum Businessplan

Das Feedback von Kooperationspartnern und auf wissenschaftlichen Konferenzen sei es gewesen, das die Bayreuther bewogen habe, ihre langjährige Erfahrung in der Grundlagen­forschung künftig für die Entwicklung und kommerzielle Herstellung von bakteriellen Magnet­nanopartikeln einzusetzen, erklärt Mickoleit: „Die sehr positiven Rückmeldungen auf unsere Arbeit haben uns gezeigt, dass es vor allem im biomedizinischen Bereich offenbar einen großen Bedarf an besonders hochwertigen und insbesondere maßgeschneiderten Magnet­nanopartikeln gibt, der mit herkömmlichen Herstellungs­verfahren nicht zu befriedigen ist.“

Das EXIST-Gründerstipendium und ein zusätzlicher Proof-of-Concept-Grant durch den ERC sollen helfen, die Produktion der maßgeschneiderten Magnetosomen in größerem Maßstab zu etablieren. „Gemeinsam mit Kooperations­partnern sollen diese für biomedizinische Anwendungen wie der magnetischen Bildgebung oder der magnetischen Hyperthermie getestet und schließlich kommerzialisiert werden. In diesem Zusammenhang wollen wir auch die Biokompatibilität der Partikel umfassend evaluieren“, zeigt Mickoleit die nächsten Schritte auf. „Sehr wichtig ist natürlich auch eine Analyse des Marktes und der Bedürfnisse möglicher Kunden sowie einer Strategie für die Sicherung von Intellectual Property. Die Ergebnisse dieser Recherchen sollen dann in einen Businessplan einfließen.“

Larissa Tetsch

Bild: Pixabay/KoikeYusuke

In einem weiteren Artikel am kommenden Montag erfahren Sie, wie die Bayreuther Mikrobiologen das Problem der Magnetosom-Herstellung im größeren Maßstab möglicherweise gelöst haben.


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Letzte Änderungen: 19.10.2023