Editorial

Die Mikroben-Magnetisierer

(23.10.2023) Knifflig sei die Zucht von magnetotaktischen Bakterien. Um dennoch an deren Magnetosome zu kommen, wurden Bayreuther Mikrobiologen kreativ.
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Magnetospirillum gryphiswaldense in Teilung mit Magnetitkristallen (rot), Membranvesikeln (gelb) und dem speziellen Cytoskelett (grün). Davor (vlnr): Dirk Schüler, Marina Dziuba, René Uebe und Frank Mickoleit

Am Donnerstag haben wir das Start-up-Projekt BioMagnetix vorgestellt („Maßgeschneiderte Mini-Magnete“). Die angehenden Unternehmer aus den Arbeitsgruppen von Dirk Schüler und René Uebe an der Uni Bayreuth möchten Magnetosomen für Anwendungen in der Biomedizin produzieren. Diese Vesikel mit einem Kern aus Magnetit nutzen magnetotaktische Bakterien wie Magnetospirillum gryphiswaldense, um sich im Erdmagnetfeld auszurichten und so einen Vorteil zu verschaffen.

Damit ein Einsatz der bakteriellen Organellen am Menschen möglich wird, müssen diese jedoch in großer Menge hergestellt und möglichst rein gewonnen werden. Mit M. gryphiswaldense als Produzenten ist das prinzipiell möglich, wie René Uebe erklärt: „Aus M. gryphiswaldense gewonnene Magnetosomen wurden bereits erfolgreich für zahlreiche biomedizinische Anwendungen getestet. Durch unsere Forschungen der letzten Jahre ist dieser Stamm inzwischen sehr gut untersucht und lässt sich von allen bekannten Magnetbakterien auch am besten genetisch manipulieren, zum Beispiel für die Herstellung funktionalisierter und maßgeschneiderter Magnetnanopartikel.“

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Magnetisierte Mikroorganismen

Mit seiner Arbeitsgruppe hat der Mikrobiologe Verfahren entwickelt, die die – wie er sagt – „etwas knifflige“ Zucht der Bakterien inzwischen auch in größerem Labormaßstab ermöglicht. So lassen sich mit genetisch manipulierten Überproduktionsstämmen inzwischen mehr als doppelt so viele Magnetosomen-Partikel pro Zelle herstellen wie mit den unveränderten Bakterien. „Die ökonomische Herstellung von Magnetosomen in großem Maßstab und mit hoher Biokompatibilität bleibt aber nach wie vor eine große Herausforderung“, so Uebe.

Deshalb gab es bald die Überlegung, ob es möglich sein könnte, die immerhin rund 30 Gene für die Synthese von funktionsfähigen Magnetosomen in andere Bakterienarten zu übertragen. Bereits 2016 hat Lehrstuhlinhaber Dirk Schüler für sein Projekt „Syntomagx“ zur gentechnischen Magnetisierung fremder Mikroorganismen einen Advanced Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) erhalten. Kürzlich wurde – ebenfalls vom ERC – mit einem Proof-of-Concept-Grant die anwendungsbezogene Anschlussförderung für das Projekt „BacToMagicle“ bewilligt. Für die nächsten 18 Monate werden dadurch 150.000 Euro bereitgestellt.

Licht als Energiequelle

Fast zeitgleich mit der Bewilligung der ERC-Förderung veröffentlichten die Bayreuther in Nature Nanotechnology die erfolgreiche Magnetisierung einer Reihe von neuen, bisher unmagnetischen Mikroben, die wie M. gryphiswaldense zu den Gram-negativen Alpha-Proteobakterien gehören. Besonders interessant sind darunter Cereibacter sphaeroides und Rhodopseudomonas pseudopalustris, in der Biotechnologie schon etablierte Mikroorganismen, die beispielsweise erfolgreich für die Produktion von Biogas und Sekundärmetaboliten eingesetzt werden. „Die hergestellten transgenen Stämme bieten eine weitere, vielversprechende Alternative zum bisherigen Produktionsstamm M. gryphiswaldense“, erklärt Erstautorin Marina Dziuba. „Da es sich um photosynthetische Bakterien handelt, erscheint eine besonders nachhaltige und möglicherweise kostengünstigere Herstellung von Magnetnanopartikeln unter Nutzung von Licht als Energiequelle möglich. Zudem lassen sich die transgenen Stämme in relativ einfach zusammengesetzten Nährmedien kultivieren, was höhere Biomasse-Erträge und damit auch eine höhere Magnetosomen-Ausbeute verspricht.“

Allerdings haben Gram-negative Bakterien als Produktionsstämme ein generelles Problem: Ihre Zellhülle enthält Lipopolysaccharide (LPS) – auch bekannt als Endotoxine –, die im Falle von Verunreinigung in bakteriellen Produkten Erkrankungen von Fieber bis hin zum septischen Schock hervorrufen könnten. „Interessanterweise weisen einige unserer transgenen Magnetbakterien eine Zellwandstruktur auf, die geringere endotoxische Eigenschaften zeigt und eine nochmals deutlich erhöhte Biokompatibilität erwarten lässt. Das wäre vor allem für die Herstellung von Magnetnanopartikeln für biomedizinische Anwendungen höchst attraktiv“, sagt Dziuba.

Larissa Tetsch

Dziuba M. V. et al. (2023): Exploring the host range for genetic transfer of magnetic organelles biosynthesis. Nature Nanotechnology, DOI: 10.1038/s41565-023-01500-5

Bild: M. Toro-Nahulepan (Uni Bayreuth) und J. Plitzko (MPI für Biochemie, Martinsried) & UBT (Gruppenbild)

 
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Letzte Änderungen: 23.10.2023